Mutterliebe geht durch den Magen
Zu Ehren der Mütter gibt es jetzt seit fast 100 Jahren den Muttertag in Deutschland, genauer gesagt seit dem 13. Mai 1923. Die Mitglieder des Verbands Deutscher Blumengeschäfteinhaber (VDB) warben damals in ihren Schaufenstern mit einem Plakat, auf dem stand: „Ehret die Mutter!“Das war noch Marketing ohne große Worte – der Rest ist Geschichte.
Um den Gedenktag des weiblichen Elternteils hat sich seitdem eine Art Muttertagsindustrie entwickelt. Besonders hoch im Kurs als Präsente stehen Parfums, die Kinder für ihre Mama oft nicht nach den olfaktorischen Kriterien auswählen, sondern nach der möglichst maximalen Flaschengröße, damit die süßlich riechende Flüssigkeit auch ja bis zum nächsten Muttertag im Folgejahr reiche.
Wichtig ist aber nicht nur, was man schenkt, sondern vor allem auch, was man nicht schenkt. So gelten Anti-FaltenCremes als Stimmungskiller am Muttertag. Ebenso Gutscheine fürs Fitnessstudio oder sämtliche Werke aus der Sparte Diät-Literatur. Nicht zu vernachlässigen sind neben blumigen Duftwässerchen auch essbare Geschenke – von der Praline bis zum Lebkuchenherz samt ein wenig Muttertagspoesie. Herzerwärmende Wirkung ohnegleichen erzielen aber nach wie vor selbstgemachte Geschenke, mit denen Kinder ihre uneingeschränkte Liebe ausdrücken, auch wenn sie für die Mägen so mancher Mütter dann doch eine Herausforderung darstellen – und damit deren Liebe einer mitunter harten Probe unterziehen. Aus eigener Erfahrung darf der Schreiber dieser Zeilen heute berichten, wie er sich im zarten Alter von neun Jahren an die Zubereitung eines Kuchens machte, der seiner Mutter morgens nicht nur zur Ehre gereichen, sondern unmittelbar ans Bett gereicht werden sollte. Um nur ja die Überraschung nicht zu verderben, war es natürlich notwendig, im Schutze der Dunkelheit und also nachts in der Küche zu operieren. Zuvor hatte die Großmutter ein simples Rezept zur Verfügung gestellt. Ein großer Bruder gesellte sich widerwillig weil desinteressiert dazu, um ein aufmerksames Auge auf die Handhabung des Backofens zu haben.
Am Ende gelang das Gebäck sogar leidlich, nur beim Zuschneiden in die gewünschte Form eines Herzens geriet der noch heiße Kuchen ziemlich aus der Fassung. Die rettende Idee: die ruinöse Gebäckfassade mittels Sahne kaschieren. Da selbige aber gerade nicht zur Hand war, kam der zunehmend diabolisch grinsende Bruder auf die Idee, anstelle des nicht vorhandenen Schlagrahms mit einer weißen Masse zu hantieren, die in veritabler Familiengröße in einem blauen Blechtiegel im Bad aufbewahrt wurde. Um es kurz zu sagen: Der Kuchen sah zum Schluss fabelhaft aus! Die für Torten eher ungewöhnliche Creme spielte ihre stabilisierenden Qualitäten voll aus. Am Morgen war die Mutter unmittelbar beim ersten Bissen tatsächlich zu Tränen gerührt.
Bis auf den einen Bissen blieb der Kuchen den Rest des Tages allerdings unverständlicherweise vollkommen unangetastet, was den kleinen Bäcker aber nur umso stolzer machte. Denn er glaubte selbstverständlich den Beteuerungen seiner Mama, dass ein Kuchen von solch erhabener Schönheit zum Essen viel zu schade sei und er vielmehr möglichst lange bewundert werden müsse. Auch die Tatsache, dass der Vater irgendwann aus dem Bad rief: „Wo ist eigentlich die ganze Nivea hin?“, vermochte das Muttertagsidyll nicht zu trüben.
Es bleibt also festzuhalten, dass selbst Fabriziertes zwar mir Vorsicht zu genießen ist, aber mit Abstand den höchsten Erinnerungswert besitzt. Frohen Muttertag!