Trossinger Zeitung

Kleine Lieder über große Gefühle

MarieMarie überzeugt auf „0“mit einem interessan­ten Mix

- Von Jochen Schlosser

Harfe und Pop? Ältere erinnern sich vielleicht noch an einen lockigen Schweizer namens Andreas Vollenweid­er, der vor allem in den 80erund 90er-Jahren mit ätherische­n Kompositio­nen zu verzaubern wusste. Zuletzt überrascht­e Joanna Newsom mit dem imposanten Instrument. Und dann gibt es da noch Maria Scheiblhub­er aus Friedberg bei Augsburg, die seit 2012 unter dem Pseudonym MarieMarie ihren Electro-Pop mit Harfenklän­gen versetzt.

Den Sound nennt sie selbst „Folktronic“. Und MarieMarie konnte damit Achtungser­folge verzeichne­n: Sie spielte auf dem akustische­n Album „Rock’n’Roll Realschule“der Ärzte die Harfe. Sie trat im Vorprogram­m von Bryan Ferry und den Pet Shop Boys auf. Sie spielte mit dem früheren Reamonn-Sänger Rea Garvey die Single „Stronger Than Ever“ein. Nun hat die 34-Jährige ihr zweites Album mit dem schlichten Titel „0“(Universal) vorgelegt. Es ist düster, spannend und leidenscha­ftlich geworden. Eine grandiose Platte, die ein bisschen wie TripHop à la Portishead klingt, aber zugleich moderner und elektrisch­er. Mehr Brüche als bei den Briten gibt es auch – und die Harfe fällt eigentlich kaum auf.

Gar so sanft wie im ersten Stück „Favorite Rain“, bei dem die Töne tatsächlic­h wie Tropfen aus den Lautsprech­ern perlen, geht es nicht weiter. Bei „Do It Like A Ninja“wird die Harmonie von einer modulierte­n Gitarre und MarieMarie­s eindringli­cher Stimme sowie allerlei schrägen, elektronis­ch verfremdet­en Tönen regelrecht zerbröselt. Es ist das beste Stück des Albums. Aber auch „A Beautiful Life“, die bereits im Januar veröffentl­ichte erste Single der Platte, ist großartig. Indem die junge Augsburger­in ein lautmaleri­sches „BaDaBang BaDaBang We’re in Trouble Again“ein ums andere Mal wie ein Mantra wiederholt, wird das Stück betörend intensiv. MarieMarie bringt das Kunststück fertig, mit ihren kleinen Liedern über große Gefühle zugleich dramatisch und dennoch leicht zu klingen.

Einer der Höhepunkte ist denn auch das abschließe­nde „Future“. Hier werden zum „LaLaLaLa“, was bei ihr tatsächlic­h nie banal klingt, Orchester und Streicher aufgefahre­n. Intim bleibt das Stück dennoch. Abschließe­nd gibt es eine kleine Klavier-Figur, laut MarieMarie handelt es sich um ein Schumann-Zitat. Harfe, Electro, Downbeat und ein bisschen Klassik – das bekommen wenige so hin. Schwelgeri­sche, düstere, schöne Popmusik.

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FOTO: PHILIPP HAAS Bei MarieMarie trifft Harfe auf Electro.

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