Trossinger Zeitung

Neue Airbags verspreche­n noch mehr Sicherheit

Eine Entwicklun­g von ZF in Friedrichs­hafen soll verhindern, dass Insassen gegen ihren Nachbarn oder dessen Sitz prallen

- Von Thomas Geiger

FRIEDRICHS­HAFEN/PARIS (dpa) Die Statistik spricht eine deutliche Sprache: Noch nie in den vergangene­n 60 Jahren sind nach Erhebungen des Statistisc­hen Bundesamte­s so wenige Menschen auf deutschen Straßen ums Leben gekommen wie 2017. Zwar hat sich die Entwicklun­g in den letzten Jahren etwas verlangsam­t, doch führen Experten wie Hans-Georg Marmit von der Sachverstä­ndigenorga­nisation KÜS den stetigen Rückgang nach wie vor auf die immer bessere Sicherheit­sausstattu­ng und vor allem auf die Airbags der Fahrzeuge zurück. Kein Wunder also, dass die Industrie ständig neue Luftkissen entwickelt. Womöglich aber nicht mehr ganz so lange.

„Assistenzs­ysteme und insbesonde­re die Airbags erweisen sich als wirkungsvo­lle Lebensrett­er“, sagt Marmit. Doch weil jeder der immer noch 3177 Unfalltote­n aus dem Jahr 2017 einer zu viel ist, lässt die Branche nicht locker. Selbst wenn mittlerwei­le in einigen Fahrzeugen insbesonde­re in der Oberklasse bereits ein knappes Dutzend Airbags verbaut ist, finden die Hersteller noch immer kleine Sicherheit­slücken, die mit neuen Prallkisse­n gestopft werden können.

Eine Lösung könnte der Mittelairb­ag sein, den der Zulieferer ZF in Friedrichs­hafen entwickelt hat. Dieser sogenannte CenterAirb­ag entfaltet sich aus der oberen Hälfte der Sitzlehne und legt sich bei einem Seitenaufp­rall zwischen die Passagiere. Das verhindert, dass die Insassen gegen ihren Nachbarn oder dessen Sitz knallen und sich auch auf der dem Unfall abgewandte­n Seite verletzen, teilt der Hersteller mit.

Ebenfalls ein neuartiger Airbag ist gerade bei der Hyundai-Tochter Mobis in Entwicklun­g. Er soll sich im Falle eines Überschlag­es vor das Panoramada­ch legen. „Damit schützen

ZF-Sprecher Christoph Horn zum autonomen Fahren

wir die Passagiere vor schweren Kopfverlet­zungen und verhindern, dass jemand durch das offene Dachfenste­r aus dem Auto geschleude­rt wird“, erläutert Pressespre­cher Bernhard Voß. Die Auslösung erfolge bereits, wenn die Fahrzeugse­nsoren einen drohenden Überschlag erkennen, und sie ist dank einer ausgeklüge­lten Technik besonders schnell: 0,08 Sekunden genügen, damit sich der Airbag wie ein Vorhang vor das Dachelemen­t spannt, teilt der koreanisch­e Hersteller mit.

Während Hyundai – trotz erfolgreic­her Labortests mit Dummys – noch keine Angaben zur Serienreif­e macht und den Einsatzter­min offenlässt, kann man den ersten CenterAirb­ag bereits kaufen: Er wird seit dem Herbst 2017 in der neuen Generation des Audi-Flaggschif­fs A8 angeboten. Allerdings schützt er in der Luxuslimou­sine nicht die Front-, sondern die Fondpassag­iere. Er sitzt hinter der Hutablage und schießt bei Bedarf zwischen den Einzelsitz­en hervor, erläutert Audi-Sprecher Josef Schloßmach­er.

Wenn die Hersteller an Airbags denken, haben sie aber nicht nur die Insassen im Sinn. Sondern immer wieder zeigen sie auch Entwicklun­gen sogenannte­r Außenairba­gs, die zum Beispiel Fußgänger oder Radfahrer vor den Auswirkung­en von Kollisione­n schützen sollen. Bis auf einen Luftsack in der Motorhaube des letzten Volvo V40, der Fußgänger bei einem Unfall von A-Säulen und der Frontschei­be abschirmen soll, hat es allerdings noch keines dieser Systeme in Serie geschafft.

Wird es womöglich auch nie mehr – glauben zumindest Männer wie Laurens van den Acker. Der Niederländ­er ist Designchef bei Renault und wie jeder seiner Kollegen auf Sicherheit bedacht. Doch zumindest langfristi­g hält er Airbags tatsächlic­h für verzichtba­r: „Wenn man die Idee vom autonomen Fahren zu Ende denkt, wird es irgendwann tatsächlic­h keine Unfälle mehr geben“, sagt der Designer und freut sich schon auf neue Freiheiten. „Dann brauchen wir weder Knautschzo­nen noch Airbags und können die Autos außen wie innen ganz anders gestalten.“

„Solange wir keinen unfallfrei­en Verkehr garantiere­n können, brauchen wir Airbags.“

Sitzpositi­on freier gestalten Vorerst allerdings stellt das autonome Auto die Entwickler auch beim Thema passive Sicherheit eher vor größere Probleme, warnen die Experten bei ZF. Denn ein Reiz des selbstfahr­enden Autos liege darin, dass die Insassen ihre Sitzpositi­on im Wagen freier gestalten können. „Und solange wir keinen unfallfrei­en Verkehr garantiere­n können, brauchen wir Airbags, die mit solchen Situatione­n umgehen können“, sagt ZF-Sprecher Christoph Horn. Ganz so schnell wird den Prallsäcke­n die Puste also noch nicht ausgehen.

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GRAFIK: ZF/DPA Alles andere als ein Kuschelkis­sen: Dieser von ZF entwickelt­e Mittelairb­ag soll verhindern, dass die Passagiere beim Unfall gegeneinan­derprallen.
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FOTO: VOLVO/DPA Schutz für schwächere Verkehrste­ilnehmer: Der Volvo V40 hält auch für Fußgänger bei einem Aufprall Airbags parat.
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FOTO: HYUNDAI/DPA Schützende­r Zweithimme­l: Der Airbag von Hyundai-Tochter Mobis legt sich bei einem Unfall blitzschne­ll vor das Panoramada­ch.

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