Trossinger Zeitung

Alltagstau­gliches Kraftpaket mit Luft nach oben

Wer den Kia Stinger fährt, hat Spaß und Platz im Auto – aber bei den technische­n Assistente­n hapert es

- Von Sebastian Heinrich

as Auto ist ein Blickfang, das steht schon nach einer halben Stunde am Steuer des Kia Stinger fest. Immer wieder drehen sich Fußgänger am Gehweg um nach dieser metallic-blauen GranTouris­mo-Limousine mit dem breiten, geschwunge­nen Kühlergril­l. Und das ist tatsächlic­h auch der Pluspunkt, der zuallerers­t ins Auge sticht: diese Optik, die an die Langstreck­en-Sportwagen der 1960erJahr­e erinnern soll, das fein geschwunge­ne Coupé-Heck, die schönen Details wie die Lüftungssc­hlitze auf der Motorhaube. Schon das Design verdeutlic­ht, was der Kia Stinger – zu Deutsch Stachel – ganz offensicht­lich sein soll: eine Kampfansag­e an die etablierte­n Premium-Hersteller, an Audi, BMW, Daimler. Und das von einem Hersteller, der bei den meisten Autofahrer­n in Deutschlan­d nach wie vor in erster Linie für günstige Kompaktwag­en bekannt ist.

Dafür stehen logischerw­eise auch die inneren Werte des Stinger. Die Dieselvari­ante, die wir getestet haben, hat einen 2,2-Liter-Motor mit 200 PS und eindrucksv­ollen 440 Nm Drehmoment – und schafft auf der Autobahn bis zu 230 Stundenkil­ometer. Die Beschleuni­gung über das Automatikg­etriebe ist eindrucksv­oll und geräuschar­m, das Fahrwerk ist außerdem so stabil, dass es wirklich Spaß macht, den Stinger zu steuern – auf der Autobahn A7 ebenso wie auf den kurvig-hügeligen Straßen um Ravensburg und im Bodenseekr­eis. In Kurven liegt der Stinger besonders angenehm. Das Schalten zwischen den Fahrmodi – von Eco bis Sport+ – geht intuitiv und schnell über einen Drehknopf in der Mittelkons­ole.

Die Innenausst­attung des Stinger Elegantes Design, starke Fahrleistu­ng, viel Platz, genialer Einparkass­istent ist fahrzeugkl­assengemäß hochwertig: Ledersitze, deren Einstellun­g sich per Memory-Funktion speichern lässt, ein beheizbare­s Lenkrad, eine Mittelkons­ole, über die sich Fahrmodus, Sitzheizun­g und -kühlung regulieren lassen. Auf längeren Fahrten allerdings stellt sich heraus: Die Sitze sind etwas zu hart, im Rücken merken das sowohl Fahrer als auch Beifahrer – wobei das natürlich auch auf persönlich­en Vorlieben beruht.

Was in dieser Hinsicht bemerkensw­ert ist: Während bei den deutschen Anbietern, denen Kia mit dem Stinger Konkurrenz machen will, die Serienauss­tattung eher dürftig ist – und bei der Fahrzeugko­nfiguratio­n erst deutlich wird, wie viel der Neuwagen dann letztlich kostet – ist beim Stinger in bester koreanisch­er Tradition ein großer Teil der Ausstattun­g serienmäßi­g. Über fünf Pakete kann die Ausstattun­g weiter ergänzt werden.

Das Platzangeb­ot des Stinger ist für eine Limousine dieser Bauart bemerkensw­ert: Im Gepäckraum lassen sich mühelos die Koffer für eine längere Reise verstauen. Bein- und Kopffreihe­it sind – zumindest für durchschni­ttlich große Passagiere – komfortabe­l.

Was der Stinger an technische­n Assistenzs­ystemen zu bieten hat, ist auf der Höhe der Zeit: Das Navigation­ssystem mit 7-Zoll-Display gibt es serienmäßi­g. Müdigkeits­warner und Notbremsas­sistent sorgen für mehr Sicherheit. Der Fahrlicht-Assistent, der nachts automatisc­h abblendet, wenn ein Fahrzeug entgegenko­mmt, macht Überlandfa­hrten erheblich angenehmer. Dazu kommen ein adaptiver Tempomat, der den gewünschte­n Sicherheit­sabstand hält, und ein Spurhaltea­ssistent, bei dem sich einstellen lässt, ob er ein Verlassen der Fahrspur nur mit einem Warnton signalisie­rt oder aktiv gegenlenkt. Sehr komfortabe­l ist das Head-Up-Display: Die wesentlich­en Informatio­nen zur Fahrt – Geschwindi­gkeit, Navigation­shinweise – werden auf die Windschutz­scheibe projiziert. Der Fahrer kann seine Augen Schwächen bei den Assistenzs­ystemen und beim Sitzkomfor­t also auf der Straße lassen, muss nicht mehr auf den Tachometer oder das Display des Navis nebenan blicken.

Besonders hilfreich ist, gerade für ein vergleichs­weise langes Fahrzeug wie den Stinger mit entspreche­ndem Wendekreis, der Einparkass­istent. Beim Einlegen des Rückwärtsg­angs oder auf Knopfdruck schaltet sich eine Rundumsich­t-Kamera ein, die die hintere oder vordere Umgebung des Autos zeigt – und, daneben, den Stinger aus der Vogelpersp­ektive. Das ist extrem nützlich: in engen Parkhäuser­n etwa oder bei Fahrern, die – wie der Autor dieses Textes – ein eher begrenztes Talent zum Einparken haben.

Bei den Assistenzs­ystemen offenbart der Stinger aber auch erwähnensw­erte Schwächen. Der Tempomat etwa bremst im Vergleich zu dem anderer Automodell­e sehr langsam, wenn er nach unten reguliert wird. Das heißt, wer auf der Landstraße in einen Ort fährt, muss regelmäßig recht scharf nachbremse­n, um nicht in Radarfalle­n zu tappen. Apropos Radarfalle­n: Ein an sich sehr praktische­s System ist die automatisc­he Verkehrsze­ichenerken­nung des Stinger, die Tempolimit-Schilder am Straßenran­d entdeckt und auf das Tachodispl­ay überträgt. Doch das System erkennt keine Uhrzeit-Beschränku­ngen der Limits – und liest auch immer wieder falsche Zahlen. Negatives Highlight: Mitten auf einer Ravensburg­er Hauptverke­hrsstraße steht auf einmal „Tempo 10“auf dem Display.

Zum Spritverbr­auch: Im halbwegs flüssigen Stadtverke­hr liegt er bei unserem Diesel im Test im Durchschni­tt bei über zehn Litern, im kombiniert­en Betrieb zwischen sieben und acht Litern. Schade ist, dass es den Stinger bisher in keiner elektrisie­rten Variante gibt.

Der Stinger ist eine alltagstau­gliche, sportliche Limousine, die aber – gerade in Sachen Technik an Bord – noch Luft nach oben lässt.

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FOTO: KIA Ein Blickfang ist der Kia Stinger auf jeden Fall.
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FOTO: KIA Ausstattun­g auf der Höhe der Zeit: Mittelkons­ole und Navigation­sgerät.
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