Alltagstaugliches Kraftpaket mit Luft nach oben
Wer den Kia Stinger fährt, hat Spaß und Platz im Auto – aber bei den technischen Assistenten hapert es
as Auto ist ein Blickfang, das steht schon nach einer halben Stunde am Steuer des Kia Stinger fest. Immer wieder drehen sich Fußgänger am Gehweg um nach dieser metallic-blauen GranTourismo-Limousine mit dem breiten, geschwungenen Kühlergrill. Und das ist tatsächlich auch der Pluspunkt, der zuallererst ins Auge sticht: diese Optik, die an die Langstrecken-Sportwagen der 1960erJahre erinnern soll, das fein geschwungene Coupé-Heck, die schönen Details wie die Lüftungsschlitze auf der Motorhaube. Schon das Design verdeutlicht, was der Kia Stinger – zu Deutsch Stachel – ganz offensichtlich sein soll: eine Kampfansage an die etablierten Premium-Hersteller, an Audi, BMW, Daimler. Und das von einem Hersteller, der bei den meisten Autofahrern in Deutschland nach wie vor in erster Linie für günstige Kompaktwagen bekannt ist.
Dafür stehen logischerweise auch die inneren Werte des Stinger. Die Dieselvariante, die wir getestet haben, hat einen 2,2-Liter-Motor mit 200 PS und eindrucksvollen 440 Nm Drehmoment – und schafft auf der Autobahn bis zu 230 Stundenkilometer. Die Beschleunigung über das Automatikgetriebe ist eindrucksvoll und geräuscharm, das Fahrwerk ist außerdem so stabil, dass es wirklich Spaß macht, den Stinger zu steuern – auf der Autobahn A7 ebenso wie auf den kurvig-hügeligen Straßen um Ravensburg und im Bodenseekreis. In Kurven liegt der Stinger besonders angenehm. Das Schalten zwischen den Fahrmodi – von Eco bis Sport+ – geht intuitiv und schnell über einen Drehknopf in der Mittelkonsole.
Die Innenausstattung des Stinger Elegantes Design, starke Fahrleistung, viel Platz, genialer Einparkassistent ist fahrzeugklassengemäß hochwertig: Ledersitze, deren Einstellung sich per Memory-Funktion speichern lässt, ein beheizbares Lenkrad, eine Mittelkonsole, über die sich Fahrmodus, Sitzheizung und -kühlung regulieren lassen. Auf längeren Fahrten allerdings stellt sich heraus: Die Sitze sind etwas zu hart, im Rücken merken das sowohl Fahrer als auch Beifahrer – wobei das natürlich auch auf persönlichen Vorlieben beruht.
Was in dieser Hinsicht bemerkenswert ist: Während bei den deutschen Anbietern, denen Kia mit dem Stinger Konkurrenz machen will, die Serienausstattung eher dürftig ist – und bei der Fahrzeugkonfiguration erst deutlich wird, wie viel der Neuwagen dann letztlich kostet – ist beim Stinger in bester koreanischer Tradition ein großer Teil der Ausstattung serienmäßig. Über fünf Pakete kann die Ausstattung weiter ergänzt werden.
Das Platzangebot des Stinger ist für eine Limousine dieser Bauart bemerkenswert: Im Gepäckraum lassen sich mühelos die Koffer für eine längere Reise verstauen. Bein- und Kopffreiheit sind – zumindest für durchschnittlich große Passagiere – komfortabel.
Was der Stinger an technischen Assistenzsystemen zu bieten hat, ist auf der Höhe der Zeit: Das Navigationssystem mit 7-Zoll-Display gibt es serienmäßig. Müdigkeitswarner und Notbremsassistent sorgen für mehr Sicherheit. Der Fahrlicht-Assistent, der nachts automatisch abblendet, wenn ein Fahrzeug entgegenkommt, macht Überlandfahrten erheblich angenehmer. Dazu kommen ein adaptiver Tempomat, der den gewünschten Sicherheitsabstand hält, und ein Spurhalteassistent, bei dem sich einstellen lässt, ob er ein Verlassen der Fahrspur nur mit einem Warnton signalisiert oder aktiv gegenlenkt. Sehr komfortabel ist das Head-Up-Display: Die wesentlichen Informationen zur Fahrt – Geschwindigkeit, Navigationshinweise – werden auf die Windschutzscheibe projiziert. Der Fahrer kann seine Augen Schwächen bei den Assistenzsystemen und beim Sitzkomfort also auf der Straße lassen, muss nicht mehr auf den Tachometer oder das Display des Navis nebenan blicken.
Besonders hilfreich ist, gerade für ein vergleichsweise langes Fahrzeug wie den Stinger mit entsprechendem Wendekreis, der Einparkassistent. Beim Einlegen des Rückwärtsgangs oder auf Knopfdruck schaltet sich eine Rundumsicht-Kamera ein, die die hintere oder vordere Umgebung des Autos zeigt – und, daneben, den Stinger aus der Vogelperspektive. Das ist extrem nützlich: in engen Parkhäusern etwa oder bei Fahrern, die – wie der Autor dieses Textes – ein eher begrenztes Talent zum Einparken haben.
Bei den Assistenzsystemen offenbart der Stinger aber auch erwähnenswerte Schwächen. Der Tempomat etwa bremst im Vergleich zu dem anderer Automodelle sehr langsam, wenn er nach unten reguliert wird. Das heißt, wer auf der Landstraße in einen Ort fährt, muss regelmäßig recht scharf nachbremsen, um nicht in Radarfallen zu tappen. Apropos Radarfallen: Ein an sich sehr praktisches System ist die automatische Verkehrszeichenerkennung des Stinger, die Tempolimit-Schilder am Straßenrand entdeckt und auf das Tachodisplay überträgt. Doch das System erkennt keine Uhrzeit-Beschränkungen der Limits – und liest auch immer wieder falsche Zahlen. Negatives Highlight: Mitten auf einer Ravensburger Hauptverkehrsstraße steht auf einmal „Tempo 10“auf dem Display.
Zum Spritverbrauch: Im halbwegs flüssigen Stadtverkehr liegt er bei unserem Diesel im Test im Durchschnitt bei über zehn Litern, im kombinierten Betrieb zwischen sieben und acht Litern. Schade ist, dass es den Stinger bisher in keiner elektrisierten Variante gibt.
Der Stinger ist eine alltagstaugliche, sportliche Limousine, die aber – gerade in Sachen Technik an Bord – noch Luft nach oben lässt.