Dortmund lüftet ein Geheimnis, das längst keins mehr war
Mit Lucien Favre bekommt der BVB ein Taktikgenie und Zweifler als neuen Trainer
DORTMUND (SID) - Vor einem Jahr platzte der Plan A, Borussia Dortmund griff zum Plan B wie Bosz. Mit zwölf Monaten Verspätung kommt nun doch der damalige Wunschkandidat: Lucien Favre wird beim BVB im zweiten Anlauf der Mann für einen Umbruch in turbulenten Zeiten. Der Schweizer folgt am 1. Juli auf Peter Stöger, weil OGC Nizza dieses Mal bereitwillig die Freigabe erteilte – und als Ablöse rund drei Millionen Euro erhalten soll.
Mehr als eine Woche nach dem Ende einer turbulenten Saison lüftete der Bundesligist das Geheimnis, das längst keines mehr war und gab per Mitteilung bekannt, dass man sich mit Favre auf eine Zusammenarbeit bis zum 30. Juni 2020 geeinigt habe. Noch-Trainer Peter Stöger, der den BVB im Dezember übernommen hatte, weilte gleichzeitig mit der Mannschaft in Los Angeles, um ein leztes Testspiel zu bestreiten.
„Borussia Dortmund zu trainieren, ist eine reizvolle Aufgabe, die ich sehr gerne übernehme“, wurde Favre in einem Vereinsstatement zitiert, „der BVB zählt zu den interessantesten Clubs in ganz Europa, dazu freue ich mich auf die Rückkehr in die Bundesliga, die ich bestens kenne und auch in den zwei Jahren in Nizza immer im Blick behalten habe.“
Die Verpflichtung von Favre „ist ein wichtiger Teil unseres sportlichen Neustarts in diesem Sommer“, sagte Sportdirektor Michael Zorc. Der Schweizer „genießt bei uns hohe Wertschätzung für seine fachlichen Qualitäten“, die er in der Bundesliga bei Hertha BSC und in Mönchengladbach – genau wie zuletzt in Nizza – auch schon mehrfach eindrucksvoll unter Beweis gestellt habe, so der Ex-Nationalspieler.
Favre gilt allerorten als Perfektionist. Taktikbesessen sei er, sagen viele, in der Tat brütet er über den Spielsystemen. Er bevorzugt meistens ein 4-3-3, seine Teams spielen taktisch stabil, flott und ansehnlich. „Die meisten Tore fallen nach ein, zwei oder drei Ballkontakten“, sagt Favre. Also: Pressing, Kurzpassspiel, gute Konter, hervorragendes Umschalten. Gemäß seinem Credo: „Die Entwicklung einer Mannschaft ist nie vollendet.“
Allerdings hat diese Akribie eine Schattenseite. Favre kann arg zögerlich sein, besonders, wenn es um Transfers geht, bei Hertha BSC (2007 bis 2009) und Borussia Mönchengladbach (2011-15) war er auch nicht übertrieben kritikfähig zu erleben. In Gladbach bot er immer wieder an zu gehen – schließlich trat er Knall auf Fall tatsächlich zurück, und informierte zuerst die Medien.
Doch seine Qualität ist bei ehemaligen Weggefährten unbestritten. „Favre mag abseits des Trainingsplatzes mitunter schwierig gewesen sein“, sagte der frühere Hertha-Manager Dieter Hoeneß der „Welt“, „aber auf dem Platz gehört er zu den Besten, dort spielt er für mich in einer Liga mit Pep Guardiola.“
Der BVB könne sich auf einen Coach gefasst machen, der extrem anstrengend sein kann: „Er tat sich damals schwer damit, Entscheidungen in der Kaderplanung zu treffen. Darauf musst du dich als Verantwortlicher einstellen, das kostet Kraft“.