Lampenfieber vor der Premieren-Predigt
Annika und Matthias Brandt sind neue Ausbildungsvikare in Spaichingen und Hausen o.V.
SPAICHINGEN - Sonntag ist der große Tag: Dann steht Annika Brandt erstmals vor einer Kirchengemeinde und richtet das Wort an die Gläubigen. Die 29-Jährige ist seit April Ausbildungsvikarin bei der evangelischen Kirchengemeinde Spaichingen. Gleiches ist ihr Ehemann Matthias Brandt bei der evangelischen Gemeinde in Hausen o.V., die auch für Seitingen-Oberflacht, Gunningen und Durchhausen zuständig ist.
Lampenfieber? Auch für Geistliche offenbar kein Fremdwort – zumal, wenn sie die ersten Schritte des Berufswegs gehen. „Ich bin aufgeregt“, räumt Annika Brandt ein. Ihrem Mann, der am Sonntag darauf, dem 3. Juni, im Verbund mit Pfarrer Matthias Figel seine erste Predigt in Hausen und Seitingen-Oberflacht halten wird, ergeht es ebenso. Annika Brandt übernimmt am Sonntag, 27. Mai, den liturgischen Part in der Krankenhauskapelle (8.30 Uhr) und beim Gottesdienst (10 Uhr) in der evangelischen Kirche Spaichingen, Pfarrer Johannes Thiemann hält die Predigt. „Die Fürbitten zur Dreieinigkeit habe ich selber geschrieben“, sagt Annika Brandt. Ihr Mann wird sich für seine Premieren-Predigt des Themas „Falsche Propheten“annehmen.
Ab September sollen die beiden Ausbildungsvikare eigene Seelsorgebezirke übernehmen: „Wir werden in ein oder zwei Wohngebieten zuständig sein bei Trauerfällen, Taufen oder wenn Menschen das Gespräch suchen.“Ziel der zweieinhalbjährigen Praxis im Raum Spaichingen ist, dass die jungen Seelsorger mit der Zeit selbstständig Aufgaben übernehmen. Beide streben an, Gemeindepfarrer zu werden. „Es ist ein Privileg, mit Menschen aus der Breite der Gesellschaft in den Stunden zu arbeiten, wo es darauf ankommt – an Wendepunkten der Lebensgeschichte“, sagt der 28-jährige Matthias Brandt. „Mir gefällt die große Altersspanne – vom Neugeborenen bis zu Älteren“, ergänzt seine Frau.
Sie stammt aus Öhringen, er von der Münsinger Alb; sie waren zuvor noch nie in hiesigen Breiten. Annika Brandt war früh aktiv in der Jungschararbeit ihrer Kirchengemeinde. Kennengelernt haben sie sich beim Studium der evangelischen Theologie an einer kirchlichen Hochschule beim bayerischen Ansbach. Weitere gemeinsame Stationen des Studiums waren Leipzig und Tübingen, Matthias Brandt studierte zudem dank eines Austauschprogramms ein Jahr in Jerusalem. Das erste theologische Examen liegt hinter ihnen, das zweite folgt in den kommenden zweieinhalb Jahren, bevor sie in den Pfarrdienst der evangelischen Landeskirche Württemberg übernommen werden können.
Bei Theorieblöcken im Pfarrseminar der Landeskirche in Stuttgart haben sie sich mit Themen wie Seelsorge, Konfirmandenarbeit und Kirchenrecht beschäftigt. Vor ihrer eigenen praktischen „Feuertaufe“haben sie zudem in Gottesdienste „reingeschnuppert“, Ablauf, Bewegung und Sprache beobachtet. „Wie man beim Segen die Hände hält, muss stimmig sein“, sagt Annika Brandt. „Ich habe vorher nie darauf geachtet, wie der Pfarrer die Arme danach wieder runter nimmt“, fügt ihr Mann hinzu. Schwerpunkt Schulpädagogik In den ersten Wochen im Raum Spaichingen war der Schwerpunkt Schulpädagogik zwecks Ausbildung zu Religionslehrerin. Einer Hospitationswoche an der Tuttlinger Karlschule folgt nach den Pfingstferien Unterricht an der Realschule Trossingen; den werden auch die beiden weiteren neuen Ausbildungsvikare im Landkreis, Jael Berger (Tuttlingen) und Britta Mann (Trossingen), geben. Nach den Sommerferien werden die Brandts dann an Grundschulen in Spaichingen und Hausen sowie die Spaichinger Realschule gehen. „Religionsunterricht ist eine Chance“, sagt Annika Brandt. „Man erreicht alle Kinder, unabhängig davon, ob sie mit ihren Eltern zur Kirche gehen oder nicht“– und auch eine „große Herausforderung, weil er am wenigsten zu tun hat mit dem Studium“.
„In der Grundschule ist Religion ein Lieblingsfach – später wird es schwieriger“, weiß Matthias Brandt, dass er nicht allen Kindern und Jugendlichen den Weg zu Gott ebnen wird können. Aber „Menschen, gerade Jugendliche, dabei zu begleiten, ihren eigenen Glauben zu entwickeln“, ist für ihn ein wesentlicher Anreiz für die künftige Arbeit. Ob das im Raum Spaichingen oder anderswo in Baden-Württemberg sein wird, sei noch völlig offen.
Ein Pfarrer-Ehepaar sei übrigens nichts besonderes. „Auch im Freundeskreis sind viele Paare – sie finden die gemeinsame Berufsausbildung spannend.“Seit 2016 sind die beiden Ausbildungsvikare verehelicht. „Es ist ein Vorteil, im ständigen Austausch zu sein – und eine Herausforderung, trotz des Berufs auch über andere Themen zu reden.“