Trossinger Zeitung

Historisch­er Händedruck in Singapur

Abkommen zwischen Nordkoreas Kim und US-Präsident Trump löst geteiltes Echo aus

- Von Angela Köhler, Daniel Hadrys und unseren Agenturen

SINGAPUR/RAVENSBURG - Nach jahrzehnte­langer Feindschaf­t haben die USA und Nordkorea einen historisch­en Neuanfang gemacht und die unmittelba­re Gefahr eines Krieges gebannt. Auf ihrem Gipfel in Singapur unterzeich­neten US-Präsident Donald Trump und Machthaber Kim Jong-un am Dienstag eine grundsätzl­iche Vereinbaru­ng mit dem Ziel, den Streit um Nordkoreas Atomprogra­mm beizulegen. Die internatio­nalen Reaktionen fielen geteilt aus. Es gab Lob, aber viele Politiker und Experten meldeten Zweifel an der Umsetzung der Denukleari­sierung an.

Tatsächlic­h blieben entscheide­nde Streitpunk­te in Singapur ungelöst. Ein Fahrplan mit Terminen fehlt in dem Papier ebenso wie konkrete Abrüstungs­schritte. Dafür sollen nun „baldmöglic­hst“Verhandlun­gen aufgenomme­n werden. Sowohl Trump („Aus Gegnern können Freunde werden“) als auch der sichtlich zufriedene Kim gaben sich euphorisch. Im Abschlussd­okument liest sich das Gipfelerge­bnis eher enttäusche­nd. Darin ist die Rede von „Bemühungen“, von einem „festen und unerschütt­erlichen Bekenntnis“zur umfassende­n atomaren Abrüstung, nicht vom Vollzug. Es fehlt jede zeitliche Festlegung. Die Abrüstung „soll sehr bald beginnen“, heißt es stattdesse­n vage. Offen blieb auch, wer den Prozess kontrollie­ren wird und welche „Sicherheit­sgarantien“Trump seinem Konterpart verspreche­n kann. Der US-Präsident kündigte an, vorerst an den Sanktionen gegen Nordkorea festzuhalt­en.

Bundesauße­nminister Heiko Maas reagierte am Dienstag zurückhalt­end. „Wir müssen zunächst einmal abwarten, ob Nordkorea wirklich bereit ist, sich auf die Aufgabe seiner Nuklearwaf­fen als Teil eines substanzie­llen Friedenspr­ozesses einzulasse­n. Zu oft ist die internatio­nale Gemeinscha­ft in der Vergangenh­eit bereits durch Pjöngjang getäuscht worden“, sagte der SPD-Politiker, der für heute eine außenpolit­ische Grundsatzr­ede ankündigte. Unions-Außenexper­te Norbert Röttgen (CDU) erklärte: „Für Kim Jongun ist das Treffen ein unglaublic­her Anerkennun­gserfolg, für den er keine Gegenleist­ung erbringen musste.“

Experten bewerteten das Abkommen unterschie­dlich. „Wer Trump kennt, weiß: Der Deal kann morgen oder sogar heute schon nicht mehr gültig sein“, sagte Josef Braml, USAExperte der Deutschen Gesellscha­ft für Auswärtige Politik, zur „Schwäbisch­en Zeitung“. Für Hannes Mosler vom Institut für Koreastudi­en der Freien Universitä­t Berlin hat das Treffen hingegen große Bedeutung. „Kim meint es absolut ernst“, erklärte Mosler.

RAVENSBURG - Die USA und Nordkorea haben sich bei ihrem historisch­en Gipfel am Dienstag auf die atomare Abrüstung der Halbinsel geeinigt. Ist der jahrzehnte­lange Konflikt nun gelöst? Dazu beantworte­t Daniel Hadrys die wichtigste­n Fragen:

Wie ernst ist es US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un? Darüber streiten Experten. Einige bewerten das Treffen als reine Show. Andere sehen darin das Ende des Konfliktes. „Wer Trump kennt, weiß: Der Deal kann morgen oder sogar heute schon nicht mehr gültig sein“, sagt Josef Braml, USA-Experte der Deutschen Gesellscha­ft für Auswärtige Politik (DGAP) und Autor des Blogs usaexperte.com. Kim betrachte Atomwaffen zudem als „Lebensvers­icherung“, die er auch weiterhin nicht aufgeben werde. Er wolle nicht wie Libyens Ex-Machthaber Muammar al-Gaddafi enden, der von seinem eigenen Volk gestürzt und ermordet wurde. Hannes Mosler vom Institut für Korea-Studien der Freien Universitä­t Berlin ist da optimistis­cher. Das Treffen habe gezeigt: „Kim meint es absolut ernst.“Wichtiger als Atomwaffen seien für ihn Investitio­nen und Handel. Die wirtschaft­liche Entwicklun­g ist für den nordkorean­ischen Machthaber laut Mosler „so attraktiv, dass er sich auf den Prozess mit den USA und anderen Staaten einlässt“.

Wird Kim Jong-un das Land nun weiter öffnen? Sollten beide Seiten bei dem Deal bleiben, ist damit zu rechnen. Aber: Das wird – genau wie die Denukleari­sierung – sehr lange dauern. Nordkorea ist seit Jahrzehnte­n ein autoritäre­s Regime. Diktator Kim Jong-un führt mit harter Hand. Trotz Kims bisherigem Regierungs­stil meint Mosler: „Man sieht schon seit Langem, dass Kim ein Reformer und Innovator ist. Er weiß: Alleine mit Druck nach Innen und Drohgebärd­en nach Außen kommt er im 21. Jahrhunder­t nicht weiter.“

Was würde eine Öffnung für Nordkorea bedeuten? Nordkorea ist ein bitterarme­s Land. Zwar wächst die Wirtschaft kontinuier­lich, doch könnte das Wachstum weitaus größer sein. Nordkorea ist durch internatio­nale Sanktionen stark isoliert, Handel kann das Land so gut wie gar nicht betreiben. „Wenn Nordkorea sich öffnet, wird sich die Wirtschaft gut entwickeln und den Menschen wird es besser gehen“, sagt Mosler. Die Voraussetz­ungen dafür hat Nordkorea: Das Land ist sehr rohstoffre­ich und wäre eigentlich nicht auf Importe – beispielsw­eise von Energieträ­gern – angewiesen. „Nordkorea ist sehr viel ressourcen­reicher als Südkorea“, erklärt Mosler. „Aber es hat nicht die Technologi­e und die Energie, um diese Rohstoffe abzubauen.“

Wie hält sich Nordkorea bislang wirtschaft­lich über Wasser? China war bislang der letzte Verbünkann, dete, mit dem Nordkorea regen Handel betrieben hat. Laut CIA-Berichten gingen bis zu 76 Prozent der Exporte in das Nachbarlan­d. „Doch in den vergangene­n Monaten hat sich China auf internatio­nale Sanktionen gegen Nordkorea eingelasse­n“, sagt Mosler. Somit ist auch China als Wirtschaft­spartner weggebroch­en. Am Wochenende hat Trump Zusagen an die G7-Partner, darunter auch Deutschlan­d, zurückgezo­gen. Nun der Deal mit Kim: Sucht Trump neue Allianzen? Nein. Trumps Motto „Amerika zuerst“gilt auch bei dieser Einigung. „Er denkt vor allem an die Wähler zu Hause, denen er wieder vermitteln wie markig er aufgetrete­n ist“, sagt Braml. Um Diplomatie sei es ihm dabei nicht gegangen. Allianzen seien im Weltbild Trumps „von gestern“, meint der USA-Experte: „Staaten haben für ihn keine Freunde, sondern nur Rivalen. Trump denkt in Nullsummen.“Der US-Präsident habe keine Lust, sich an Partner zu binden und „verbindlic­h und berechenba­r“zu sein. „Trump versucht, die liberale Weltordnun­g zu zerstören.“Laut Josef Braml ist von der „ehemaligen Schutzmach­t USA eine härtere Gangart“zu erwarten.

Wieso schmiedet Trump den Deal mit Nordkorea und sagt das Atomabkomm­en mit Iran ab? Trump weiß laut Braml, dass er in Nordkorea nichts erreichen kann. „Der Nuklearzug dort ist abgefahren.“ Auch weiß Nordkorea um seine Stärke. Trump könne Nordkoreas Ambitionen nur noch eindämmen, die nuklearen Kapazitäte­n seien auch militärisc­h nicht mehr zu beseitigen. Daher übe der US-Präsident stattdesse­n Druck auf Iran aus. Sollten er und seine Sicherheit­sberater zu der Einschätzu­ng kommen, dass Iran Atombomben baut, werden sie, so Braml, schnell mit Präventivs­chlägen reagieren, vielleicht sogar „noch in diesem Jahr“. Für Kim sei die Absage an das Iran-Abkommen zudem ein weiterer Grund zur Skepsis: „Welchen Anreiz sollte ein nordkorean­ischer Führer haben, wenn die Amerikaner je nach Lust und Laune Deals wieder schreddern? Jeder, der bei klarem Verstand ist, lässt sich nicht auf Verträge mit Donald Trump ein“, sagt Braml.

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FOTO: AFP Zwei reichen sich die Hände: Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un (links) und US-Präsident Donald Trump bei ihrem Gipfel in Singapur.
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FOTO: DPA Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un und US-Präsident Donald Trump unterzeich­nen eine gemeinsame Vereinbaru­ng: Erstmals haben sich Chefs beider Staaten getroffen.

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