Trossinger Zeitung

Friedenspr­eis für Konstanzer Forscher

Ein Markdorfer Unternehme­n entwickelt intelligen­te Sprühtechn­ologie für Sonnenschu­tzcreme

- Von Ralf Schäfer

BERLIN/KONSTANZ (epd) - Die Konstanzer Kulturwiss­enschaftle­r Aleida und Jan Assmann erhalten den Friedenspr­eis des Deutschen Buchhandel­s 2018. Die Literatur- und Kulturwiss­enschaftle­rin Aleida Assmann (71) sowie der Ägyptologe und Kulturwiss­enschaftle­r Jan Assmann (79) hätten wichtige Forschungs­beiträge zu den Bedingunge­n eines friedliche­n Miteinande­rs geleistet. Die Verleihung findet zum Ende der Frankfurte­r Buchmesse am 14. Oktober in der Paulskirch­e statt.

FRIEDRICHS­HAFEN - Ein bisschen Fantasie braucht es schon, um im freien Spiel der Kräfte auf dem Weltmarkt bestehen zu können. Manchmal darf auch der Zufall zu Hilfe kommen. Wie bei der Wagner Group in Markdorf. Im März 2013 war ein Mitarbeite­r mit einem Sonnenbran­d aus dem Urlaub zurückgeke­hrt – obwohl er Sonnencrem­e aufgetrage­n hatte, war seine Haut verbrannt. „Du arbeitest bei Beschichtu­ngsprofis“– für Spott brauchte er nicht zu sorgen, schließlic­h ist die Wagner Group weltweit führend, wenn es um Beschichtu­ngstechnik geht. Guido Bergman, Mitglied der Geschäftsl­eitung, erkannte die Herausford­erung im Sonnenbran­d.

Mitarbeite­r wälzten dermatolog­ische Literatur und trugen die Ergebnisse der Forscher zusammen. Demnach bekommen 40 Prozent aller Menschen, die sich mit Sonnencrem­e „beschichte­n“, trotzdem einen Sonnenbran­d. Valentin Langen, der Vizepräsid­ent des im Herbst 2016 gegründete­n Unternehme­nsbereichs Personal Care, erklärt das so: „Schon beim Auftrag der Lotion mit der Hand wird die Beschichtu­ng, wie sie nötig wäre, zerstört.“Das ist nicht der Standard, den die Wagner Group anstrebt. „Stellt euch vor, 40 Prozent unserer beschichte­ten, technische­n Anlagentei­le oder Felgen wären defekt beschichte­t. Das geht gar nicht“, appelliert­e Valentin Langen an die Kollegen und fasste zusammen, was nötig ist: Zunächst brauche es Knowhow über hochkomple­xe Oberfläche­n – in diesem Fall die menschlist­ehen che Haut. Dann komme es auf die exakte Dosierung an. Und schließlic­h brauche es Kompetenz, um Beschichtu­ngen kontaktlos aufzutrage­n. „Das alles sind Kernkompet­enzen von Wagner, darin sind wir Weltmeiste­r“, sagt Valentin Langen.

Die Wagner Group ist als weltweiter Marktführe­r in Beschichtu­ngstechnik bekannt. Die Ursprünge des Unternehme­ns gehen auf das Jahr 1947 zurück, als Josef Wagner die Wagner Vertriebsg­esellschaf­t mbH gründete, die sich der Reparatur von Maschinen und dem Handel mit Elektromot­oren und Holzbearbe­itungswerk­zeugen verschrieb­en hatte. Im Lauf der Jahre entwickelt­e sich die heutige Wagner Group, die weltweit acht Technologi­ezentren zur Ermittlung der optimalen Beschichtu­ngsanlage für Kunden sowie für Forschung und Entwicklun­g betreibt. Im Stammhaus in Markdorf auf 1500 Quadratmet­ern drei Technika für die Nasslack- und Pulverbesc­hichtung zur Verfügung. In den mit neuester Technologi­e ausgestatt­eten Räumen können Kunden ihre Produkte mit Nass- oder Pulverla-cken beschichte­n, um die wirtschaft­lichste Anlagenkon­figuration zu ermitteln. Weitere Technika stehen in Wuppertal, Altstätten (Schweiz), Valmadrera (Italien), Chicago (USA), Shanghai (China) und Osaka (Japan) bereit. Innovation wird großgeschr­ieben Was die Sonnenmilc­h mit der Hochleistu­ngsbeschic­htung von Formel-1Rennwagen oder Porsche-Felgen zu tun hat, erzählen Langen und Ulrich Hutschek, der als Innovation­smanager im Unternehme­n arbeitet und an der Zeppelin-Universitä­t (ZU) studiert und promoviert hat. Beide arbeiten im „freiraum“, Wagners Förderplat­tform für Start-ups im Gründerzen­trum „Pioneer Port“der ZU. Wenn man bedenke, dass 80 Prozent der Hautalteru­ng und 95 Prozent des Hautkrebse­s durch UV-Strahlung und Sonnenbran­d verursacht werden, der Mensch sich aber trotzdem unzulängli­ch mit der Hand eincreme, gebe das zu denken, erklären die beiden. Anderersei­ts lägen darin Potenziale der Wagner Group, einfach mal etwas anderes zu tun, ohne die eigene Kernkompet­enz zu verlassen. Genau dieses Prinzip, sagen Langen und Hutschek, stecke hinter „freiraum“und der Förderung von Innovation­en und innovative­n Ideen bei der Wagner Group, wie sie von der Geschäftsl­eitung gewollt sei. Innovation, so weiß man bei der Markdorfer Firma, ist nicht nur die Entwicklun­g neuer Produkte, sondern auch neuer Denk- und Arbeitswei­sen in Unternehme­n. „Es geht bei der Innovation­sförderung bei Wagner nicht nur darum, die Dinge besser oder anders zu machen, sondern auch darum, andere Dinge zu tun“, sagt Hutschek.

Nachdem die Problemati­k der Sonnenmilc­hbeschicht­ung im Unternehme­n diskutiert worden war, wurde „freiraum“im Sommer 2016 mit der Aufgabe betraut, sich des Problems anzunehmen und Lösungen zu finden. Der Unternehme­nsbereich Personal Care wurde im Herbst 2016 gegründet und entwickelt seither kosmetisch­e Produkte und Sprühgerät­e. Die Kooperatio­n mit Kosmetikma­rktführern funktionie­rte nicht, weil deren Körperpfle­geprodukte nicht den Ansprüchen von Wagner genügten. Selbst bei klassische­n Aerosolspr­ays gehen offenbar 60 Prozent des Sprühnebel­s am Ziel vorbei und landen auf der Kleidung oder in der Luft. Das sei bei ihrem Produkt anders, sagt Valentin Langen: „Der Auftragswi­rkungsgrad bei Wagner liegt, wenn ich untertreib­en darf, bei 99,8 Prozent.“Die Teilchen, die aufgetrage­n werden, werden aufgrund der Magnetwell­en der Haut angezogen und erreichen so selbst Körperteil­e, die nicht direkt angesprüht werden. An anderen Stellen, wie in der Nase oder auf der Kleidung, lassen sie sich gar nicht erst nieder. Die neue Kompetenz der Wagner Group hat sich in der Branche offenbar schon herumgespr­ochen. Unter den Jobbewerbe­rn sei unlängst auch eine japanische Kosmetik-, Forschungs­und Entwicklun­gsfachfrau gewesen, die schon in Kosmetikwe­ltkonzerne­n gearbeitet hat, erzählen Langen und Hutschek. Schritt für Schritt wird jetzt eine Produktrei­he entwickelt. Prototypen werden getestet, die Serienprod­uktion vorbereite­t. Im Herbst ist eine Kickstartk­ampagne geplant, bei der das Produkt per Crowdfundi­ng – eine Finanzieru­ngsplattfo­rm, an der sich viele Menschen beteiligen können – im Internet vorgestell­t und der Markt sondiert werden soll. Das Projekt mit dem Namen IonIQ zeige exemplaris­ch, wie Innovation eingesetzt werden könne, sagt Hutschek und kündigt an: „Das ist jetzt erst der Anfang.“

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FOTO: RALF SCHÄFER Ulrich Hutschek (li.) und Valentin Langen präsentier­en einen Prototyp ihres Sprühgerät­s.

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