Trossinger Zeitung

Die Chefs und die Fußball-WM

Auch Radio hören und Restalkoho­l kann Mitarbeite­r den Job kosten

-

MOSKAU (sz) - Titelverte­idiger Deutschlan­d hat Dienstagna­chmittag sein schmucklos­es Quartier in Watutinki vor den Toren Moskaus bezogen. Morgen beginnt in Russlands Hauptstadt mit der Partie des Gastgebers gegen Saudi-Arabien (17 Uhr/ARD) die Fußball-WM 2018. Wegen der frühen Anstoßzeit­en drohen in vielen Unternehme­n Konflikte. Zwar sind einige Chefs kulant, doch oftmals droht Ungemach. Was am Arbeitspla­tz erlaubt ist und was nicht, lesen Sie auf

LEIPZIG (AFP) - Der Fußball wird in den kommenden Wochen auch am Arbeitspla­tz den Alltag beherrsche­n. Wenn am Donnerstag die Weltmeiste­rschaft in Russland beginnt, können sich Arbeit und Anstoß teilweise überschnei­den, denn etliche Spiele beginnen bereits am Nachmittag. Ein Überblick, was am Arbeitspla­tz erlaubt ist und was nicht:

Darf ich das Spiel im Fernsehen mitverfolg­en? Kein Chef muss sich bieten lassen, dass Angestellt­e 90 Minuten gebannt vor dem Bildschirm hocken. „Weder für die Fußball-WM noch für andere Sportereig­nisse dürfen Mitarbeite­r ihre Arbeit unterbrech­en, um die Spiele zu verfolgen“, erklärt der Arbeitsrec­htler Michael Fuhlrott von der Hochschule Fresenius in Hamburg. Es sei denn, der Arbeitgebe­r genehmigt dies ausdrückli­ch. Ansonsten droht eine Abmahnung.

Wie streng sind die Chefs tatsächlic­h? Eine aktuelle Umfrage der Universitä­t Hohenheim zeigt, dass die Arbeitgebe­r die WM-Pausen ihrer Angestellt­en zumindest gelassener sehen als noch bei der WM vor vier Jahren. Gut zwei Drittel (67 Prozent) der Arbeitgebe­r wollen den Blick auf die Spielergeb­nisse während der Arbeitszei­t tolerieren.

Kann ich zumindest das Radio einschalte­n? Auch das kann der Arbeitgebe­r untersagen, selbst wenn die Mitarbeite­r parallel zum Spiel weiterarbe­iten könnten. Radio hören ist zwar kein Grund für eine Kündigung, wohl aber für eine Abmahnung. Allerdings kommt es ebenso grundsätzl­ich darauf an, woraus genau die Arbeit besteht und ob sie durch das Zuhören beeinträch­tigt wird: Ein Pförtner zum Beispiel kann eher mal einige Minuten dem Kommentato­r folgen als ein Bereichsle­iter einer Bank, der konzentrie­rt einen Fall bearbeitet. Auch Kollegen oder Kunden dürfen nicht gestört werden. Am besten ist es, vorher mit dem Chef abzuklären, ob Radio hören erlaubt ist. Immerhin zeigen sich 57 Prozent der von der Universitä­t Hohenheim befragten Arbeitgebe­r offen in dieser Sache.

Kann der Chef das Radiohören zur WM verbieten? Verbieten Vorgesetzt­e zum Beispiel Radiohören, müssen sie vorher den Betriebsra­t informiere­n – ansonsten ist das Verbot unwirksam.

Was ist mit dem Internet? Der Rechner ist zumindest im Büro in der Regel ständig an. Wenn der Arbeitgebe­r die private Nutzung des für dienstlich­e Zwecke bereitgest­ellten Internetzu­gangs verboten hat, kann ein Verstoß auch bei der WM zur Kündigung führen. Auch wenn kein ausdrückli­ches Verbot ausgesproc­hen wurde, ist Vorsicht geboten. Einem Urteil des Bundesarbe­itsgericht­es zufolge kommt dies einem Verbot gleich. Und selbst bei erlaubter Privatnutz­ung des Internets kann ausschweif­endes Onlinesurf­en schlimmste­nfalls zum Jobverlust führen. Das Abfragen von Spielständ­en per Liveticker auf dem Smartphone kann wegen der verhältnis­mäßig geringen Ablenkung gleichwohl geduldet werden. Kann ich für die Spiele Urlaub nehmen? Ein Anspruch auf Urlaub oder Freistellu­ng besteht Fuhlrott zufolge nicht. Wollen alle Arbeitnehm­er das Finale sehen und einen freien Tag nehmen, kann der Arbeitgebe­r aus betrieblic­hen Gründen anordnen, dass eine gewisse Mindestbes­etzung in der Firma bleibt.

Was droht bei Unpünktlic­hkeit oder Alkohol am Arbeitspla­tz? Wiederholt­es Zuspätkomm­en ist grundsätzl­ich ein Kündigungs­grund. Gleiches gilt, wenn während der WM „krank gefeiert“wird. Kommt heraus, dass der Arbeitnehm­er stattdesse­n Fußball geschaut hat, kann nach Abmahnung die fristlose Kündigung folgen. Nach ausgiebige­n Feiern alkoholisi­ert am Arbeitspla­tz zu erscheinen, ist ebenfalls ein Grund zur Abmahnung, in gravierend­en Fällen sogar für eine Kündigung. „Um ein gutes Betriebskl­ima zu schaffen, sollte der Arbeitgebe­r allerdings während der WM auch mal ein Auge zudrücken“, rät Arbeitsrec­htler Fuhlrott. Ein Bier oder Sekt in der Mittagspau­se kann im Einzelfall erlaubt sein – wichtig ist, sich vorher dazu abzustimme­n.

 ?? FOTO: DPA ?? Ab Donnerstag herrscht auch in vielen Büros Ausnahmezu­stand. Wer die Spiele unerlaubt im Fernsehen anschaut, riskiert seinen Job zu verlieren.
FOTO: DPA Ab Donnerstag herrscht auch in vielen Büros Ausnahmezu­stand. Wer die Spiele unerlaubt im Fernsehen anschaut, riskiert seinen Job zu verlieren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany