Trossinger Zeitung

„Den Speedfakto­r brauch ich nicht mehr“

Der frühere Skirennläu­fer Marc Girardelli will im E-Auto einen neuen Rekord aufstellen

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RAVENSBURG - Marc Girardelli dürfte den meisten Menschen als Skirennläu­fer ein Begriff sein. Der gebürtige Österreich­er gilt als einer der erfolgreic­hsten Winterspor­tler aller Zeiten, so ist er etwa fünfmalige­r Gesamtwelt­cupsieger. Nun wird der 54-Jährige bei einem Weltrekord­versuch mit einem elektrobet­riebenen Fiat Cinquecent­o als einer von mehreren Fahrern hinter dem Lenkrad sitzen. Daniel Drescher hat mit ihm über das ehrgeizige Vorhaben gesprochen. Wie sind Sie zu dem Projekt Scuderia-E gekommen, was reizt Sie an Elektromob­ilität? Ich bin über meinen Freund Gianfranco Pizzuto zur E-Mobilität gekommen. Wir kennen uns schon länger, er war immer begeisteru­ngsfähig für E-Mobilität. Gianfranco hat mir das Projekt erklärt und wie der Fiat Cinquecent­o zum E-Auto umgebaut werden sollte. Das Model Cinquecent­o gefällt mir sowieso sehr sehr gut. Ich dachte, vielleicht ist das mal etwas Neues. Ich war in meiner früheren Rennläufer­karriere auch schon öfter in Oslo und dachte, das wird ja vielleicht eine ganz tolle Fahrt, das probiere ich aus. Dieser Rekordvers­uch reizt mich jetzt schon. Wo liegt die besondere Herausford­erung bei der geplanten Fahrt? Ich glaub schon, dass es eine Challenge ist, in 24 Stunden von Salzburg nach Oslo zu fahren. Es sind ja doch 2000 Kilometer oder etwas mehr. Man muss sehr gut kombiniere­n mit den Ladestatio­nen, und man weiß auch nicht, wie der Verkehr auf dieser Route ist. Das muss logistisch gut geplant sein. Da hab ich volles Vertrauen in Gianfranco. Mir gefällt die Fahrt durch Deutschlan­d auch sehr gut. Ich habe früher im Ruhrgebiet gelebt, mit der Skihalle Bottrop war ich vor 20 Jahren aktiv, vielleicht mach ich dorthin noch einen Abstecher. Wenn es genug Ladestatio­nen auf dem Weg geben soll, darf man nichts dem Zufall überlassen, oder? Im Auto ist ein Computer eingebaut, wie beim Tesla. Dem Rechner wird übermittel­t, wo die nächste Ladestatio­n ist und wie lange die Ladezeit beträgt, damit man die Reise auch unterwegs zu 100 Prozent planen kann. Das ist alles Stand der Technik im Cinquecent­o. Es gibt in Deutschlan­d genug Ladestatio­nen. Ein Knackpunkt ist eher, ob die Ladestatio­nen frei sind. Dazu gibt es ein Fahrzeug, das vorneweg fährt. Es wird die Stationen besetzen, damit wir sofort anschließe­n können und die Ladezeit zügig vonstatten­geht. Wir müssen die 24 Stunden möglichst gut ausnutzen. Ist einem Marc Girardelli die Fortbewegu­ng via E-Mobilität nicht zu langsam, fehlt da nicht der Speedfakto­r? Den Speedfakto­r brauch ich nicht mehr. Für mich ist Autofahren weniger ein Genuss als eine Verpflicht­ung von A nach B zu kommen. Ich bin nicht so ein Autonarr wie viele andere meiner Berufsgeno­ssen. Ich sitze so viel im Auto, ich arbeite für die Firma Bemer in Liechtenst­ein, die Therapiesy­steme herstellt und muss viele Vorträge halten. Geschäftli­ch bedingt bin ich sehr viel unterwegs. Deshalb möchte ich meine Freizeit eigentlich nicht im Auto verbringen. Ich geh dann lieber aufs Rad oder laufen oder wandern – aber bitte nicht Autofahren in der Freizeit. Vielleicht kommt der Spaß am Autofahren ja wieder, wenn das Fahrzeug batteriebe­trieben ist. Zu Ihrer aktiven Zeit waren Sie als Querdenker, als Rebell bekannt. Wie viel „Rebell“steckt heute noch in Marc Girardelli? Rebellisch bin ich noch, vielleicht nicht mehr mit dem Risikofakt­or, den ich früher hatte. Ich bin von Natur aus sehr neugierig und je älter ich werde, desto neugierige­r werde ich. Das ist vielleicht auch der Grund, warum ich bei diesem Rekordvers­uch mitmache. Ich probiere immer wieder etwas Neues aus. Momentan bin ich in Russland und lerne dort die Landesspra­che, weil ich russische Kunden habe. Dabei habe ich leider auch festgestel­lt, dass Russisch nicht so einfach ist wie Italienisc­h oder Französisc­h in früheren Jahren. Ich muss mich schon ordentlich dahinterkl­emmen, damit ich das innerhalb eines Jahres auf die Reihe bekomme. Mal schauen, ob das funktionie­rt. Oder ich schreibe Ski-Kriminalge­schichten, wobei der zweite Krimi schon seit Dezember im Handel ist und super läuft. Ich bin einfach ein Querdenker, und mich interessie­rt alles. Deshalb setze ich mich vielleicht von anderen ab, die eher ausgetrete­ne Pfade verfolgen. Ich bin immer derjenige, der auch mal über einen Zaun klettert und eine jungfräuli­che Wiese oder einen Wald betritt. Ich lasse mich gerne von neuen Dingen überrasche­n und versuche das Beste daraus zu machen. Wenn mal etwas schiefgeht, ist es weniger schlimm. Aber von vielen tollen Sachen, die man ausprobier­t, gehen auch ein paar gut. Das ist dann umso schöner. Eine musikalisc­he Frage: Haben Sie einen Soundtrack für die Fahrt? Nein, eigentlich nicht. Ich war gerade in St. Petersburg auf einem wunderschö­nen Klassikkon­zert, mit 10 000 Menschen auf dem Schlosspla­tz der Eremitage. Das war ein fantastisc­hes Erlebnis mit den besten Opernsänge­rn aus der ganzen Welt, Roberto Alagna aus Frankreich etwa. Neben Klassik interessie­rt mich auch Rock, ich war im letzten Herbst bei den Rolling Stones in Spielberg und kürzlich bei „The Wall“in Zürich. Meine Lieblingsb­ands sind Pink Floyd und die Dire Straits, so in diese Richtung. Ich brauch jetzt nicht unbedingt eine Beyoncé, aber eine Madonna oder Abba, die wären auch auf dem Soundtrack vertreten. Das sind Dinge, die ich gern höre. Beyoncé ist für mich eher eine Fleischbes­chau als Gesang und ich glaub viele sehen das ähnlich.

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FOTO: PR „Ich lasse mich gerne von neuen Dingen überrasche­n“, sagt Marc Girardelli, der sich für den ehrgeizige­n Rekordvers­uch begeistert.

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