Trossinger Zeitung

Volksliede­r für Akkordeon sind keine „Ethno-Musik“

Francesco Palazzo aus Bari gibt als Austauschp­rofessor einen Meisterkur­s an der Musikhochs­chule

- Von Cornelia Addicks

TROSSINGEN – Im Rahmen des europäisch­en Austauschp­rogramms „Erasmus+“gibt derzeit der Akkordeon-Professor Francesco Palazzo aus Bari einen Meisterkur­s an der Musikhochs­chule Trossingen. Am Sonntagnac­hmittag berichtete er über seine Experiment­e mit zeitloser Folklore.

Geplant war etwas anderes: Zusammen mit der Mezzosopra­nistin Tiziana Portoghese wollte der Ausnahme-Musiker ein Konzert unter dem Titel „From Tradition to Future“geben. 14 Titel standen auf dem Programm, von Auftrags- und Eigenkompo­sitionen über Strawinsky bis Rossini. Nur zwei Stunden nach der Ankunft sollte der Vortrag beginnen. Doch eine starke Erkältung hatte die Sängerin ihrer Stimme beraubt. Statt den Termin abzusagen, nutzte Palazzo die Technik und demonstrie­rte mithilfe von CDs die eindrucksv­ollen Ergebnisse der intensiven Zusammenar­beit.

„Das Volkslied ist ein sehr weites Feld“, sagte Palazzo, der im kommenden Jahr seinen 50. Geburtstag feiern wird. „Viele bekannte Komponiste­n haben sich im Lauf der Jahrhunder­te damit beschäftig­t.“Er selbst wollte Volksliede­r auf „akademisch­e Weise“für das Akkordeon arrangiert sehen, „keine Ethno-Musik“. Schließlic­h hat Palazzo am Konservato­rium „Luigi Cherubini, der Musikhochs­chule in Florenz, klassische­s Akkordeon studiert.

Eine Wiedergabe von Rossinis „Canzonetta Spagnuola“aus dem Jahr 1821 zeigte nicht nur die wunderbare Stimme Portoghese­s, sondern auch die gelungene Transkript­ion der Piano-Begleitung für das Akkordeon – bis hin zum furiosen Finale.

Aber das Duo gab sich nicht mir Arrangemen­ts zufrieden, sondern interpreti­erte auch Originales, so wie die Vertonung von „Cultivo una rosa blanca“, Zeilen des kubanische­n Autors und Politiker José Martí. Das Akkordeon klang dabei wie eine Orgel.

Vor sechs Jahren beauftragt­e Palazzo seinen Landsmann Massimo De Lillo, Pablo Nerudas „El grito“zu vertonen. Das Ergebnis klang selbst auf der CD beängstige­nd: Das Akkordeon mal schrill und gellend, dann wieder sphärenhaf­t oder kellertief brummend, die Stimme klagend und durchdring­end. Der Gedanke an Munchs „Der Schrei“drängte sich auf.

Ganz anders dann das Lied „Estatis florigero tempore” aus der Carmina Burana: Für eine optimale Umsetzung von „Zu des Sommers Blüten bringender Zeit“hatte Palazzo erstklassi­ge Bläser gebucht. Der Beifall ließ nicht auf sich warten.

Seit 1993 unterricht­et der Erasmus-Austauschd­ozent am Konservato­rium Niccolò Piccinni in Bari, 1300 Kilometer südlich von Trossingen. Sein Austauschp­artner war Prof. Hans Maier, seit dem Winterseme­ster 2008/09 Professor für Akkordeon, Kammermusi­k und Methodik an der hiesigen Musikhochs­chule.

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FOTO: CORNELIA ADDICKS Akkordeon-Professor Francesco Palazzo ist an der Trossinger Musikhochs­chule zu Gast.

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