„Deutschland steht ziemlich allein da“
BERLIN - Der Streit in den Unionsparteien über die Flüchtlingspolitik hat sich verschärft. Professor Ulrich Battis (Foto: dpa), Staats- und Verfassungsrechtler an der Humboldt-Universität Berlin, wertet im Gespräch mit Andreas Herholz die verschiedenen Positionen aus rechtlicher Sicht. Bundesinnenminister und CSUChef Horst Seehofer will bereits in anderen EU-Ländern registrierte Migranten an der Grenze zurückweisen. Die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel lehnt das ab. Sie setzt auf eine europäische Lösung. Wie ist die Rechtslage? Auch hier gilt wie immer: zwei Juristen drei Meinungen. Frau Merkel hat eine politische Meinung geäußert und keine Rechtsauffassung. Nach deutschem Recht kann man Menschen an der Grenze zurückweisen. Das ist in Paragraph 18 Asylgesetz geregelt und völlig unstrittig. Vor allem viele Europarechtler sagen hingegen, nach der Dublin-III-Verordnung, Artikel 20 und 29, kann ein Land sogar verpflichtet sein, Flüchtlinge auch dann einreisen zu lassen und aufzunehmen, wenn sie aus einem sicheren Drittstaat gekommen sind. Darüber wird gestritten. Die CSU verweist darauf, dass auch andere Länder wie etwa Frankreich Flüchtlinge an ihren Grenzen abweisen und zurückschicken. Was sagen Sie zu der Argumentation? Deutschland steht mit seiner Position ziemlich allein. Normalerweise ist es so, dass die anderen EU-Partner das europäische Recht großzügiger auslegen, während wir das europäische Recht strenger auslegen. In der Frage der Zurückweisung und der Flüchtlingspolitik ist es umgekehrt. Deutschland verfolgt als einziges EU-Land eine weiche Linie. Der Europäische Gerichtshof hat die deutsche Praxis weitgehend abgesegnet, Flüchtlinge nicht an der Grenze zurückzuweisen. Auf der anderen Seite haben der frühere Verfassungsrichter Udo di Fabio und andere erklärt, dass es ein klarer Rechtsbruch ist. Welche Position vertreten Sie in dem Streit? Meine Position ist anders: Das Selbsteintrittsrecht kann ausnahmsweise vorübergehend gelten. Aber Migranten, die bereits in anderen sicheren EU-Ländern waren, können nicht auf Dauer zu uns kommen. Man darf die Ausnahmeregelung nicht zu einer ständigen Regelung machen.