Im Zweifel muss Seehofer gehen
Groß war die Aufregung am Abend der Bundestagswahl im vergangenen Herbst, als AfD-Chef Alexander Gauland vollmundig ankündigte, mit seiner Fraktion die Bundeskanzlerin jagen zu wollen. Ein gutes halbes Jahr später, die neue Groko ist kaum im Amt, können sich Gauland und die Seinen ganz entspannt zurücklehnen und genüsslich dabei zuschauen, wie Horst Seehofer und die CSU – Regierungsmitglied und Regierungspartei – Angela Merkel im Asylstreit vor sich her treiben. Ein starkes Stück für einen Innenminister, der sich bei seiner Ernennung zuallererst dem Wohl des Landes und seiner Bürger verpflichtet hat.
Stattdessen geht es Seehofer im Moment zuallererst um sich selbst, um das Begleichen alter Rechnungen mit der Bundeskanzlerin. Dann geht es ihm und seinen Getreuen um die CSU, die sich bei der Landtagswahl in Bayern in Hardliner-Manier die AfD vom Hals halten will. Um die Sache jedenfalls geht es Horst Seehofer nicht. Er hat alles dafür getan, dass sich der Asylstreit in den vergangenen Tagen in einer ungeheuerlichen Weise zugespitzt hat, dass er immer noch in einer bedrohlichen Regierungskrise enden könnte.
Der Innenminister spielt offenbar ganz bewusst mit dem Feuer, nimmt offenbar billigend in Kauf, die schwarz-rote Regierung nach nur drei Monaten im Amt vor die Wand zu fahren. Das Problem ist dabei nicht zuvorderst, dass dann die Einheit von CDU und CSU akut gefährdet wäre und dass sich dann unter Umständen das demokratische Parteiensystem der Bundesrepublik drastisch wandeln würde. Das Problem ist, in welch verantwortungsloser und pflichtvergessener Weise Horst Seehofer mit seinem Amt umgeht. Er destabilisiert eine Regierung, er beschädigt eine Kanzlerin, die in Europa in angespannten Zeiten als besonnen ordnende Faktoren dringlich gebraucht werden.
Angela Merkel darf sich das nicht mehr zu lange gefallen lassen. Bei ihr als Kanzlerin liegt die Richtlinienkompetenz. Das muss Seehofer respektieren. Oder er muss gehen. Im Zweifel auch unfreiwillig.