Trossinger Zeitung

Für Merkel geht es um alles oder nichts

Die Fronten zwischen der Bundeskanz­lerin und Horst Seehofer sind weiterhin verhärtet

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BERLIN (ts) - Am Sonntag gibt sich Bundesinne­nminister und CSU-Chef Horst Seehofer im Asylstreit der Union scheinbar versöhnlic­h. „Niemand in der CSU hat Interesse, die Kanzlerin zu stürzen, die CDU/CSU-Fraktionsg­emeinschaf­t aufzulösen oder die Koalition zu sprengen“, so Seehofer in der „Bild am Sonntag“. Der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“sagt Seehofer: „Die Lage ist ernst, aber sie ist bewältigba­r.“

Doch am Wochenende bleibt offen, ob er und Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) einen Ausweg aus dem Asylstreit finden. Am Sonntag laufen die Drähte heiß, wird auf allen Ebenen nach Optionen gesucht. „Es wird nachgedach­t, telefonier­t, son- diert“, heißt es in der CDU-Zentrale. Von einem Merkel-Seehofer-Gespräch wird zunächst nichts bekannt, aber CDU-Fraktionsc­hef Volker Kauder und CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt hätten ein Telefonat vereinbart, heißt es hinter vorgehalte­ner Hand. Letzte Versuche, den politische­n Supergau abzuwenden. Am Sonntag ruft Merkel einen Teil der engsten CDU-Führungssp­itze zu einer Krisenrund­e ein.

Einem Medienberi­cht zufolge wollen die Christsozi­alen der Kanzlerin auf ihrer Vorstandss­itzung am heutigen Montag ein neues Ultimatum setzen: Der CSU-Vorstand werde beschließe­n, zuvor in der EU registrier­te Flüchtling­e an deutschen Grenzen wieder zurückzusc­hicken. Aber mit dem Auftrag an die Bundespoli­zei, den Beschluss zu vollstreck­en, wolle Seehofer bis nach dem EU-Gipfel Ende Juni abwarten. Merkel erhielte also die von ihr erbetene Frist für Rücknahmea­bsprachen mit Italien, Griechenla­nd und anderen EU-Ländern, könnte ihr Gesicht wahren.

Der Beschluss zur Grenzschli­eßung, ohne ihn gleich in die Tat umzusetzen: Was sich wie ein möglicher Kompromiss anhört, wird allerdings von der CSU energisch dementiert. „Frei erfunden“sei die Meldung, äußert sich CSU-Generalsek­retär Markus Blume am Sonntag zu Wort, spricht von „purer Desinforma­tion“. Der Nervenkrie­g geht weiter. Erst am heutigen Vormittag soll Klarheit herrschen, ob die Christsozi­alen auf den letzten Metern einlenken oder der Kanzlerin keine Alternativ­e lassen, Horst Seehofer zu entlassen, wenn er ihre Richtlinie­nkompetenz ignoriert.

Für die Kanzlerin geht es um alles oder nichts. Sie bekräftigt­e am Wochenende ihren Widerstand gegen einen nationalen Alleingang. Ein Regierungs­sprecher betont, es gebe Gespräche mit Mitgliedst­aaten und der EU-Kommission, um eine europäisch­e Lösung zu finden. Am heutigen Montag kommt Italiens neuer Ministerpr­äsident Giuseppe Conte nach Berlin, tags drauf empfängt Merkel Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron.

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