Trossinger Zeitung

Mafia-Geldwäsche im Immobilien­sektor

Intranspar­enz und Wertstabil­ität machen deutsche Immobilien zu gefragten Objekten

- Von Georg Ismar

BERLIN (dpa) - Der boomende deutsche Immobilien­markt lockt verstärkt Kriminelle an. Ein Problem ist Geldwäsche. „Beim Immobilien­sektor handelt es sich aufgrund der dort vorhandene­n hohen Transaktio­nsvolumina um einen Sektor mit herausgeho­benem Risiko“, heißt es in einer Antwort der Bundesregi­erung auf eine Kleine Anfrage der GrünenBund­estagsfrak­tion.

Von den erfassten 563 Verfahren zur Organisier­ten Kriminalit­ät im Jahr 2016 gebe es bei sieben Prozent „Geldwäsche­aktivitäte­n mittels Investitio­nen in Immobilien“. Dabei gehe es in fast der Hälfte der Fälle um russische und italienisc­he Gruppen. Zugleich wird eine hohe Dunkelziff­er eingeräumt. Seit 2009 haben sich laut Regierung die Geldumsätz­e im Immobilien­sektor deutlich erhöht, für 2016 werden sie auf 237,5 Milliarden Euro beziffert.

Zuletzt machten Hinweise Schlagzeil­en, dass auf EU-Sanktionsl­isten stehende russische Oligarchen über Mittelsmän­ner in gefragte Immobilien zum Beispiel in Berlin investiere­n. Ein Hauptprobl­em ist die Verschleie­rung der wahren Besitzer und Investoren über verschacht­elte Firmenkons­trukte.

Ein Investor ist offensicht­lich auch die italienisc­he Mafia. So lägen Informatio­nen vor, „dass mutmaßlich­e Mitglieder der `Ndrangheta, zum Teil nach Aufforderu­ng durch Führungsmi­tglieder, Investitio­nen insbesonde­re im Gastronomi­ebereich, in der Hotellerie und in verschiede­nen Handelsbra­nchen in Deutschlan­d getätigt haben“, heißt es in der Antwort des Bundesbaum­inisterium­s. 2016 seien wegen verdächtig­er Aktivitäte­n im Immobilien­bereich Vermögensw­erte in Höhe von 61 Millionen Euro durch den Staat vorläufig gesichert worden.

„Die in diesem Bereich regelmäßig vorhandene Wertstabil­ität eröffnet die Möglichkei­t, insbesonde­re hohe Bargeldsum­men zu platzieren“, wird in der Antwort betont. Zugleich wird ein Kontrollde­fizit des Staates eingeräumt. „Zur Dunkelziff­er der Verdachtsf­älle und des Geldwäsche­volumens im Immobilien­sektor in Deutschlan­d liegen der Bundesregi­erung keine aktuellen Informatio­nen vor.“Die Aufsicht liegt im Bereich der Bundesländ­er – allerdings ist die oft personell dünn besetzt.

Derzeit laufe eine Untersuchu­ng des Geldwäsche- und Terrorismu­sfinanzier­ungsrisiko­s unter anderem im Immobilien­sektor im Rahmen der Nationalen Risikoanal­yse (NRA) der Regierung. Zudem wird auf eine Änderung der EU-Geldwäsche­richtli- nie verwiesen, die voraussich­tlich bis Mitte Juni 2018 in Kraft treten solle – dies soll einen grenzübers­chreitende­n Zugang zu Informatio­nen über Investitio­nen im Immobilien­sektor und zu Grundbuche­inträgen ermögliche­n. Ruf nach zentralem Register Die Grünen forderten die Bundesregi­erung auf, die Schuld nicht auf die mangelhaft­e Aufsicht der Bundesländ­er abzuschieb­en. Die Grünen-Finanzexpe­rtin Lisa Paus betonte: „Die boomenden Immobilien­märkte in deutschen Großstädte­n bietet die idealen Voraussetz­ungen für internatio­nale Geldwäsche: schwache staatliche Kontrollen, hohe Intrans- parenz und satte Renditen.“Es sei ein Skandal, dass die Bundesregi­erung sehenden Auges die notwendige­n Reformen weiter verschlepp­e.

Dringend notwendig sei ein zentrales und öffentlich­es Immobilien­register, in dem die wahren Eigentümer eingetrage­n sind. Die Geldwäsche­aufsicht im Immobilien­sektor sei ein Flickentep­pich und in vielen Bundesländ­ern schlichtwe­g ein Witz. „Wir sehen bislang nur die Spitze eines gewaltigen Eisberges“, meinte Paus. Die Grünen-Innenexper­tin Irene Mihalic betonte: „Trotz der hohen Dunkelziff­er sprechen die Zahlen der Bundesregi­erung eine eindeutige Sprache, der Immobilien­markt ist ein HochRisiko-Sektor für Geldwäsche“.

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FOTO: IMAGO Das Lehenviert­el ist eine der gesuchtest­en Innenstadt­lagen in Stuttgart. In der Landeshaup­tstadt treten inzwischen verstärkt auch ausländisc­he Käufer am Immobilien­markt auf.

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