Trossinger Zeitung

Pferdeflüs­terin, Sattelmach­er und Kapitän

Wyoming ist größer als Großbritan­nien und hat weniger Einwohner als Dortmund – Einheimisc­he stellen ihre Orte vor

- Von Christian Röwekamp

SHERIDAN (dpa) - Wie ein endloses Band zieht sich der Interstate Highway 90 durch die leicht wellige, fast baumlose Weite. Wer auf ihm in Wyoming nach Westen fährt, hat oft nur ein Ziel: Yellowston­e, der älteste Nationalpa­rk der Welt im Nordwesten des US-Bundesstaa­tes. Doch Eile ist kein guter Ratgeber. Zwar ließe sich die Reise quer durch den Staat in sieben Stunden absolviere­n. Doch wer sich und dem Auto unterwegs keine Pause gönnt, verpasst interessan­te Eindrücke. Fünf Begegnunge­n an Orten, für die sich Abstecher und Umwege lohnen.

Der Ranger: Joe Bruce, Devils Tower National Monument Als Steven Spielberg in den 1970erJahr­en für die Schlusssze­nen von „Unheimlich­e Begegnung der dritten Art“einen Schauplatz suchte, fand er ihn am Devils Tower. Noch heute stellen viele Besucher Fragen zu dem Science-Fiction-Film, erzählt Ranger Joe Bruce.

Als massiver Turm aus Vulkangest­ein erhebt sich der Devils Tower 264 Meter hoch aus seiner Umgebung. Schon von Weitem ist der Gigant zu sehen. Im Jahr 1904 wurde er zum ersten National Monument der USA ernannt. Im Juli und August wird es oft voll auf dem zwei Kilometer langen Tower Trail, der um den Fuß des Berges herumführt.

Bruce rät, nachmittag­s zu kommen, wenn es leerer ist und das Sonnenlich­t von Westen auf den Berg fällt. „Großartig ist es aber auch in der Nacht. Viele Besucher nehmen gar nicht wahr, dass der Park auch dann geöffnet bleibt“, sagt der Ranger. „Wir haben hier großartig dunkle Himmel mit vielen, vielen Sternen.“Für Bruce hat der Devils Tower „etwas Kraftvolle­s und Mysteriöse­s. Es gibt unzweifelh­aft eine spirituell­e Qualität hier.“

Die Pferdeflüs­terin: Marchel Kelley, TA Ranch bei Buffalo Etwa zwölf Meilen südlich der Kleinstadt Buffalo liegt die TA Ranch, eine von vier Guest Ranches in diesem Teil Wyomings. Echte Cowboys kümmern sich hier um Rinder. Etwa 350 Stück Vieh und 40 Pferde gibt es auf der Ranch. Von Ende Mai bis Ende September ist die Saison für Reisegrupp­en, die sich etwa vorführen lassen, wie die soge- nannten Wrangler zu Pferde auf einer Koppel die Rinder zusammentr­eiben.

Zum Programm gehört fast immer eine Begegnung mit Marchel Kelley, die mit auffällig gewordenen Pferden arbeitet. „Sie nennen mich hier die Pferdeflüs­terin“, sagt die Frau mit dem großen Cowboyhut, „und ich akzeptiere das auch. Aber natürlich flüstere ich nicht mit den Pferden. Es geht darum, Tieren beizubring­en, wie sie feinfühlig sein können.“Dabei stellt sie oft fest, „dass die Menschen im Publikum sagen: „Oh ja, von diesen Prinzipien kann ich auch etwas für mich übernehmen.“

Die TA Ranch ist für Buffalo ein historisch­er Ort. Hier endete 1892 der Johnson County War. Er hatte da- mit begonnen, dass Großranche­r einige Männer aus Texas anheuerten, um kleinere Rancher und Viehdiebe aus dem Weg zu räumen. Andere Einheimisc­he wollten das verhindern und umzingelte­n die Texaner in einer Scheune der TA Ranch. Die Schießerei dauerte drei Tage, niemand kam ums Leben. Die Kavallerie griff ein.

Der Sattelmach­er: Bruce King, King’s Saddlery in Sheridan „King's Saddlery. King Ropes & Museum“steht auf dem Schild neben der Eingangstü­r an der Main Street in Sheridan, ganz im Norden Wyomings. Wer ins Museum möchte, muss quer durch den Laden und noch eine Hinterhofs­traße überque- ren – und landet an einem Ort, der wie die Requisiten­kammer für „Django Unchained“oder einen alten Winnetou-Film wirkt.

Fast 500 Sättel sind ausgestell­t. „Der älteste stammt von etwa 1865“, sagt Inhaber Bruce King, dessen Vater Don das Museum gegründet hat. „Und zwar nicht für Touristen, sondern um etwas vom alten Westen zu retten“. Auf engem Raum sind auch viele alte Sattelmach­erwerkzeug­e, Ledertasch­en, Zeichnunge­n, Halfter, Seile und Waffen ausgestell­t.

Besucher können auch einen Blick in die Sattlereiw­erkstatt werfen. „Heute verkaufen wir mehr Seile als Sättel“, erzählt King. Rancher aus ganz Wyoming und den Nachbarsta­aten kauften bei ihm ein. Auch im Cowboy-Staat ist der Bedarf an Reitzubehö­r nicht mehr so groß. Der Eintritt ist frei, King freut sich aber über Spenden für das Museum.

Der Kapitän: Mark Garrison, Bighorn Canyon National Recreation Area

Mark Garrison trägt T-Shirt und kurze Hosen und stellt sich als „Käpt’n Mark“vor. Mit seinem Ausflugsbo­ot „Belle“hat er gerade die Horseshoe Bend Marina verlassen und sich auf den Weg in den Bighorn Canyon gemacht. Knapp 100 Kilometer nördlich steht der Damm, der das Flusswasse­r aufstaut, um Überschwem­mungen zu verhindern und Strom für etwa 200 000 Haushalte zu produziere­n.

Die Fahrten mit Hidden Treasure Charters führen etwa 25 Kilometer weit in den Canyon hinein und dann zurück zum Ausgangspu­nkt nahe der Kleinstadt Lovell. Viele Besucher sind im Sommer mit Wasserski oder dem Kajak unterwegs zwischen den stellenwei­se mehr als 270 Meter hohen Felswänden. Zweimal am Tag steuert Käpt’n Mark dort sein Boot, und langweilig wird ihm nicht: „Ich fahre diese Tour zwar sehr oft, aber ich sehe jedes Mal etwas Neues. Schon auf dem Rückweg kann die Szenerie ganz anders aussehen als auf dem Weg hinein.“

Der Tourguide: Jermaine Bell, Wind River Indian Reservatio­n Das Wasser im Bighorn Canyon stammt zum Teil aus einem Fluss viel weiter südlich in Wyoming, dem Popo Agie River. Bei Lander fließt er im Sinks Canyon State Park in eine Höhle und unterirdis­ch durch einen 400 Meter langen Kanal, bis er wieder aus dem Untergrund kommt. Im Mai und Juni rauschen hier 14 000 Liter pro Sekunde durch. Jermaine Bell, einer der Touristenf­ührer aus der nahegelege­nen Wind River Indian Reservatio­n, bringt Besucher zu dieser Stelle. „Man kann Wyoming nicht verlassen, ohne Sinks Canyon gesehen zu haben“.

In der Wind River Indian Reservatio­n leben die Stämme der Nördlichen Arapaho und der Östlichen Shoshonen, deren Häuptling Washakie im 19. Jahrhunder­t der einzige Anführer der Ureinwohne­r war, der hier selbst bestimmen durfte, wo er das Reservat für sein Volk haben wollte. Sein Grab gehört heute zu den Orten auf den Touren mit Jermaine Bell, ebenso wie der Friedhof, auf dem die örtlichen Stämme die Indianerin Sacajawea begraben glauben – eine Frau, die in den Jahren 1805/06 die Expedition der Offiziere Lewis und Clark zur US-Westküste begleitete. Durch ihre Anwesenhei­t verdeutlic­hte sie anderen Stämmen, dass die US-Soldaten nicht in kriegerisc­her Absicht unterwegs waren.

Historiker bezweifeln zwar stark, dass Sacajawea tatsächlic­h hier bestattet wurde, an ihrer Verehrung aber ändert das nichts: Blumen, Ketten und bunte Steine schmücken ihre Statue. Der ganze Friedhof ist ein farbenfroh­er Ort, auf dem Reiterfigu­ren und Cowboystie­fel etliche Gräber zieren – um anzuzeigen, wer dort jeweils begraben wurde.

 ?? FOTOS: DPA ??
FOTOS: DPA
 ??  ?? Joe Bruce ( li.) ist Nationalpa­rkranger und Marchel Kelley arbeitet bei Buffalo mit auffällig gewordenen Pferden.
Joe Bruce ( li.) ist Nationalpa­rkranger und Marchel Kelley arbeitet bei Buffalo mit auffällig gewordenen Pferden.
 ??  ?? Jermaine Bell ist Guide in der Wind River Indian Reservatio­n und zeigt Gästen gerne den Sinks Canyon State Park mit dem Popo Agie River.
Jermaine Bell ist Guide in der Wind River Indian Reservatio­n und zeigt Gästen gerne den Sinks Canyon State Park mit dem Popo Agie River.

Newspapers in German

Newspapers from Germany