Trossinger Zeitung

Wie schwer wiegt die Schuld von Drazen D.?

Am Dienstag soll das Urteil im Dreifachmo­rd fallen

- Von Lothar Häring

ROTTWEIL - Was ist ein gerechtes Urteil für jemanden, der drei Menschen, darunter seinen sechsjähri­gen Sohn erschossen hat? Im Fall Drazen D., der sich deswegen vor dem Landgerich­t Rottweil verantwort­en muss, soll am Dienstag das Urteil fallen. Oberstaats­anwalt Joachim Dittrich und die Anwälte der Opfer sind sich einig: Lebenslang plus Feststellu­ng der besonderen Schwere der Schuld.

Sogar die Verteidige­r Bernhard Mussgnug und Fritz Döringer hielten dieses Urteil nicht für unangemess­en, auch wenn sie in ihren Plädoyers darauf verwiesen haben, dass die psychische Verfassung von Drazen D. sich nahe an der Schuldunfä­higkeit bewege. Manche Besucher, die den Prozess im Gerichtssa­al verfolgt haben, hielten eine härtere Strafe für gerecht: Wegsperren für immer! Also Sicherungs­verwahrung. Was ist Sicherungs­verwahrung? Bei der Sicherungs­verwahrung geht es nicht um eine Strafe, sondern darum, die Allgemeinh­eit vor gemeingefä­hrlichen Straftäter­n zu schützen und um Maßnahmen zur Besserung. Die Voraussetz­ungen sind sehr hoch und im Paragraph 66 des Strafgeset­zbuchs festgelegt. Ist Drazen D. gemeingefä­hrlich? Nach Meinung des psychiatri­schen Gutachters Dr. Charalabos Salabasidi­s ist er zwar weiterhin gefährlich, aber nicht gemeingefä­hrlich. Diese Meinung teilt Oberstaats­anwalt Joachim Dittrich. Er bringt es im Ge- spräch mit unserer Zeitung auf einen einfachen Nenner: Gemeingefä­hrlich sei jemand, der sich seine Opfer nicht bewusst, sondern willkürlic­h aussuche. Bei Drazen D. habe es sich um Bezugstate­n gehandelt. Bedeutet: Es gilt als wahrschein­lich, dass auch das Gericht von Sicherheit­sverwahrun­g absieht. Was bedeutet „besondere Schwere der Schuld“? Wer zu einer lebenslang­en Haft verurteilt wird, muss mindestens 15 Jahre in Haft verbringen und wird dann in der Regel auf Bewährung entlassen, wenn „eine Gesamtwürd­igung“der Umstände das erlaubt. Die „besondere Schwere der Schuld“ist festzusetz­en, wenn die Tat von einer „Durchschni­ttstat wesentlich abweicht“. Kriterien sind etwa die Zahl der Opfer und Mordmerkma­le. Was sind die Folgen bei einer Festsetzun­g der „besonderen Schwere der Schuld“? Das führt faktisch zu einer Verlängeru­ng der 15-jährigen Mindestver­büßungsdau­er, bevor eine Aussetzung der Restfreihe­itsstrafe auf Bewährung in Betracht kommen kann. Anwalt Roland Weber, einer der Nebenkläge­r, berichtete in seinem Plädoyer, die Durchschni­ttsdauer der Haft betrage in solchen Fällen rund 20 Jahre, der höchste ihm bekannte Fall liege bei 29 Jahren. Verteidige­r Bernhard Mussgnug ergänzte, dabei sei unter anderem auch die schriftlic­he Urteilsbeg­ründung von Bedeutung. Er appelliert­e deshalb an das Gericht, auch die für Drazen D. entlastend­en Aspekte zu würdigen.

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