Online-Sprechstunde läuft gut an
Täglich gehen 20 bis 30 Patientenanrufe ein – Telemedizin soll ausgebaut werden
TUTTLINGEN - Ein Arztbesuch ohne das Haus verlassen zu müssen: Seit rund zwei Monaten läuft im Landkreis Tuttlingen das Pilotprojekt „docdirect“der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (wir haben berichtet). Patienten aus den Modellregionen Tuttlingen und Stuttgart können bei Beschwerden eine Online-Sprechstunde besuchen – also über Telefon, Internet oder einer App einen Arzt konsultieren. Mit den ersten acht Wochen zeigen sich die Verantwortlichen zufrieden – nun soll das Thema E-Health (Einsatz digitaler Technologien im Gesundheitswesen) im Landkreis noch ausgeweitet werden.
Kopfschmerzen, Fieber, Zerrung in der Wade: Wer plötzlich akute Schmerzen bekommt, sucht häufig einen Arzt auf. Dabei geht es oft nur um Kleinigkeiten, die nach einer kurzen Untersuchung samt Behandlungsempfehlung schnell abgeschlossen werden können. In anderen Fällen aber erreichen die Patienten ihren Arzt nicht einmal – denn viele Praxen arbeiten am Rande ihrer Kapazitätsgrenze.
Medizinische Lappalien auf der einen Seite, überlastete Praxen und Ärztemangel auf der anderen: Zwei Aspekte, weshalb sich der Landkreis Tuttlingen entschloss, beim Modellversuch der sogenannten Telemedizin mitzumachen. Denn: „Wir werden es in Zukunft nicht mehr schaffen, dass es in jedem Ort einen Arzt geben wird“, wie Landrat Stefan Bär in einem gesundheitspolitischen Austausch mit Vertretern des Landtags sowie Justiz- und Europaminister Guido Wolf am Freitag im Landratsamt Tuttlingen klarstellte. Bis Ende 2019 werden im Kreis voraussicht- lich zehn weitere Ärzte aus Altersgründen ausscheiden. Schon jetzt sind 17,5 Arztsitze unbesetzt.
Nach zwei Monaten zeigt sich: 20 bis 30 Anrufe gehen pro Tag bei dem zuständigen Callcenter in Stuttgart ein (siehe Extra-Kasten). Wer davon aus dem Landkreis Tuttlingen anruft und wer aus Stuttgart, kann derzeit noch nicht detailliert wiedergegeben werden. Gefühlt seien es jedoch mehr Anrufer aus Stuttgart als aus dem Kreis Tuttlingen, erklärt Dietmar Pommer vom Gesundheitsamt Tuttlingen, der diese Informationen eigens von der Kassenärztlichen Vereinigung eingeholt hatte. Den meisten Anrufern konnte direkt geholfen werden: Nur in einem Fall habe man einen „echten“Arztbesuch vermitteln müssen.
Das Projekt ist vorerst auf zwei Jahre ausgelegt. Wird es angenommen, soll es auf ganz Baden-Württemberg ausgeweitet werden.
Weiteres Projekt ab Herbst
Unter dem Titel „E-Health“startet der Landkreis Tuttlingen im September ein weiteres Projekt, das telemedizinische Technologien einsetzen soll, um die ärztliche Versorgung zu optimieren. Angedacht ist dabei primär, das Zusammenspiel von Ärzten, Pflegeeinrichtungen und ZuhauseGepflegten zu verbessern. Beispielsweise könnten die Werte chronisch Kranker regelmäßig elektronisch in die jeweilige Praxis übermittelt werden oder eine Videoschaltung den Hausbesuch ersetzen. Bär verspricht sich dadurch eine Entlastung für Ärzte und Heime. Wo das neue Projekt konkret zum Zuge kommen wird, werde von der Bereitschaft der Einrichtungen und Mediziner abhängen, so das Landratsamt.