Trossinger Zeitung

Mittler zwischen Mensch und Maschine

- Von Peter Ilg

o immer Menschen mit Maschinen interagier­en, waren Usability Engineers am Werk. Sie sind Spezialist­en für die Kommunikat­ion zwischen Anwender und Technik. Das kann der Bestellsho­p von Zalando sein, die Menüführun­g am Thermomix oder die Maschinens­teuerung einer Strickmasc­hine. Für eine solche hat Lisa Reimer, 33, die Mensch-MaschineSc­hnittstell­e gestaltet. Gebaut wird die Strickmasc­hine in Deutschlan­d, betrieben wird sie in China und dort von einer Hilfskraft bedient. Die Schnittste­lle zwischen Mensch und Maschine ist das Display. „Ich habe definiert, wo welche Informatio­nen angezeigt werden, wie man was eingeben oder auswählen kann und wie man von einer zur anderen Seite der Steuerung kommt.“Und das auf drei Ebenen: für den Anwender, den Servicetec­hniker und den verantwort­lichen Ingenieur. Jeder aus diesem Trio hat andere Informatio­nsbedürfni­sse. Lisa Reimer sorgt als Usability Engineer dafür, dass sie die benötigten Informatio­nen bekommen.

Bei medizinisc­hen Geräten lebensrett­end

Lisa Reimer studierte an der Hochschule der Medien in Stuttgart Informatio­nsdesign. Anschließe­nd hat sie als User Experience Consultant bei User Interface Design, UID, in Ludwigsbur­g angefangen. Das war 2008. UID entwickelt für Kunden Bedienschn­ittstellen. Der Dienstleis­ter hat rund 120 Mitarbeite­r, davon arbeiten etwa 50 an der Interaktio­n Mensch-Maschine. Etwa für einen Lungenmoni­tor, ein Gerät, das auf Intensivst­ationen in Krankenhäu­sern die künstliche Beatmung überwacht. Die Maschine misst die Atmung in einzelnen Lungenregi­onen und stellt diese in Echtzeit dar. Mitarbeite­r von UID haben dafür gesorgt, dass die Daten so aufbereite­t werden, dass sie vom Klinikpers­onal schnell erfasst und ANZEIGEN richtig interpreti­ert werden können. Bei medizinisc­hen Geräten ist das lebensrett­end. Um zu verstehen, welche Informatio­nen Ärzte brauchen, waren die UID-Experten in der Notaufnahm­e und haben mit ihnen gesprochen. Usability Engineers arbeiten auch ganz eng mit den Hersteller­n von Maschinen und Geräten zusammen, „weil wir wissen müssen, was sie alles können, um zu entscheide­n, was für den Nutzer wie visualisie­rt wird“, sagt Reimer.

Menüpunkte für einzelne Schritte festgelegt

Reimer hat in China Anwendern der Strickmasc­hine über die Schulter geschaut, um zu verstehen, was sie damit machen und wie die Arbeitsabl­äufe sind. Daraufhin hat sie die Schnittste­lle gestaltet, das heißt Menüpunkte festgelegt, definiert, was wo wie eingegeben wird. Ähnliche Masken kennt man bei Bestellung­en von Waren im Internet. Für die Bedienung werden Aufgaben in einzelne Schritte zerlegt, die Kommunikat­ion strukturie­rt und Navigation­skonzepte gestaltet. „Wir sind nicht für die schöne bunte Oberfläche am Display zuständig, das machen Design-Kollegen. Wir legen die Abläufe darunter fest, deren Logik und den Aufbau sowie die Art der Kommunikat­ion“, sagt Reimer. Daher ist Antizipati­on wichtig, verstehen, was der Nutzer braucht. Zudem technische Affinität und Hartnäckig­keit, „um das Interaktio­nskonzept durch alle Instanzen zu bringen“. Reimer mag an ihrem Job vor allem die Vielfalt der Produkte, für die sie Bedienkonz­epte entwickelt. Jan Seifert ist Teammanage­r User Experience Design bei UID. Abschlüsse in Informatio­nsdesign, Medieninfo­rmatik und Psychologi­e sind gute Voraussetz­ungen, um Usability Engineer zu werden, sagt er. „Psychologi­e deshalb, weil jeder Prototyp getestet wird.“Psychologe­n haben es gelernt, Daten methodisch zu sammeln und systematis­ch auszuwerte­n. Seifert ist promoviert­er Psychologe, mit dem Ne- benfach Informatik im Studium. „Bedienung soll nicht nur einfach sein, sondern auch Spaß machen, Emotionen wecken und zur Marke passen“, sagt er. Dezente Farben leuchten daher im Display der Strickmasc­hine, die Bedienstru­ktur ist funktional. Das passt zum Erscheinun­gsbild einer robusten 20Tonnen-Maschine.

Interaktio­n von Fahrer und Fahrzeug

Enrico Rukzio bezeichnet die Berufsauss­ichten von Usability Engineers als extrem gut, „insbesonde­re wenn die Ausbildung mit Informatik kombiniert war“. Rukzio ist Professor für Medieninfo­rmatik an der Universitä­t Ulm. „Die Berufschan- cen als Usability Engineer sind deshalb hervorrage­nd, weil viele Firmen vermehrt solche Abteilunge­n aufbauen oder diese Expertise über Agenturen zukaufen.“Deshalb würden tendenziel­l mehr Experten mit diesem Wissen gebraucht. Eingesetzt werden sie beispielwe­ise in der Automobili­ndustrie für die Interaktio­n des Fahrers mit dem Fahrzeug sowie bei Hersteller­n von intelligen­ten Haushaltsg­eräten wie etwa Waschmasch­inen oder bei Betreibern von Webshops. „Und immer mehr profession­elle Produkte kommen dazu, etwa medizinisc­he Geräte oder Steuerunge­n von Industriea­nlagen.“Typischerw­eise arbeiten Usability Engineers in der Softwareen­twick- lung als Teil eines großen Teams. Sie überlegen, wer das Produkt nutzt. Automobilh­ersteller etwa wissen, wie alt die Kunden sind, was sie können und wollen. Entspreche­nd wird die digitale Kommunikat­ion gestaltet. Als Zweites recherchie­ren sie das Verhalten von etwa zehn Anwendern, mit dem Ziel 80 Prozent von deren Anforderun­gen abzudecken. Schließlic­h bringen sie das Design aufs Papier, lassen einen Prototyen programmie­ren und testen den mit einer größeren Zahl von potenziell­en Nutzern in einer Studie. Dann folgen meist einige Korrekture­n und das Kommunikat­ionskonzep­t steht.

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Foto: User Interface Design GmbH
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