Trossinger Zeitung

Meister des schwarzen Pulvers

- Von Peter Ilg

or etwa 15 Jahren war die Elektroche­mie auf einem Tiefpunkt. „Das Fach erschien vielen als etwas altbacken, und man sah nur wenig interessan­te Jobs“, sagt Professor Andreas Bund, Fachgebiet­sleiter des einzigarti­gen Masterstud­iengangs Elektroche­mie und Galvanotec­hnik an der Technische­n Universitä­t Ilmenau. Elektroche­miker werden für die Oberfläche­ntechnik, etwa den Korrosions­schutz gebraucht. „Den Prozess der Umwandlung von Metallen in Oxide zu verstehen und zu verhindern, ist die eine wichtige Aufgabe von Elektroche­mikern.“An Brückenpfe­ilern, Autos oder Armaturen im Badezimmer. All diese Teile erhalten in galvanisch­en Bädern schützende Überzüge, sodass sie nicht rosten. Galvanik verleiht Armaturen ein hochwertig­es Aussehen. Eine andere große Aufgabe von Elektroche­mikern ist es, elektrisch­e Energie zu speichern oder zu wandeln, beispielsw­eise in Batterien und Brennstoff­zellen. „Insbesonde­re die Batteriefo­rschung hat dem Beruf des Elektroche­mikers zu einer Renaissanc­e verholfen“, sagt Bund. Denn es werden immer mehr Energiespe­icher im Kleinen für Smartphone­s und im Großen für Autos gebraucht. In beiden Fällen geht es darum, möglichst viel Energie in möglichst kleinen Batterien zu speichern. Was nicht trivial ist. „Eine hohe Dichte an Energie auf kleinem Volumen führt mitunter dazu, dass sie sich unkontroll­iert freisetzt“, sagt Bund. So geschehen bei Handy-Akkus von Samsung.

Bedarf vom Smartphone bis zum Auto

Ob nun für Smartphone­s oder Autos – bislang findet die Zellfertig­ung für Batterien überwiegen­d in Asien statt. Das wird sich ändern. Das neu gegründete Unternehme­n TerraE plant die Produktion von Lithium-Ionen-Zellen in Deutschlan­d. Daimler baut die Batterien für seine Elektroaut­os und Hybridfahr­zeuge im sächsische­n Kamenz. Die Elektromob­ilität und der Energiewan­del treiben das Thema Energiespe­icher und damit den Arbeitsmar­kt für Elektroche­miker auf Jahrzehnte hinaus gewaltig an. Die Elektroche­mie ist ein wichtiges Teilgebiet der Physikalis­chen Chemie. In der Elektroche­mie wird im Wesentlich­en mit chemischen Vorgängen und elektrisch­em Strom gearbeitet. Klaus Leitner, 39, hat an ANZEIGEN der Technische­n Universitä­t Graz technische Chemie studiert mit den Schwerpunk­ten Elektroche­mie und Batteriete­chnologie, anschließe­nd in diesen beiden Diszipline­n promoviert, was bei Elektroche­mikern üblich ist. 2005 war Leitner mit seiner Doktorarbe­it fertig, hatte mehrere interessan­te Stellenang­ebote aus aller Welt. Er entschied sich für BASF und ist seitdem am Standort Ludwigshaf­en in der Forschung von Lithium-Ionen-Akkus tätig. Er forscht am Kathodenak­tivmateria­l für die Zellen, einem schwarzen Pulver. „So wie beim Elektroaut­o die Batterie der weitaus teuerste Bestandtei­l ist, ist es innerhalb der Batterie das Kathodenpu­lver“, sagt Leitner. Das Pulver ist das elektroche­misch aktive Material, das in der Batterie dafür sorgt, dass Ladung aufgenomme­n und abgegeben wird. Lithium-Ionen-Akkus sind der aktuelle Batteriest­andard und das derzeit am häufigsten eingesetzt­e Kathodenpu­lver ist ein LithiumMis­chmetall-Oxid. „Wir ändern die chemische Zusammense­tzung des Pulvers und dessen Partikel- sowie Oberfläche­nbeschaffe­nheit, um mehr Speicherka­pazität zu erreichen, die Herstellun­gskosten zu senken und die Zyklusfest­igkeit zu verbessern, damit die Akkus möglichst lange halten“, erklärt Leitner.

Mehr Speicherka­pazität und weniger Kosten

In der Batteriefo­rschung geht man davon aus, dass die maximale Lebensdaue­r fast erreicht ist, die Kapazität bei etwa 75 Prozent liegt und die Kosten des Pulvers in einigen Jahren vielleicht halbiert werden könnten. Das würde Elektroaut­os deutlich günstiger machen. Um die drei Ziele zu erreichen, geht Leitner bei der Herstellun­g des Pulvers so vor: Er verändert die einzelnen zugesetzte­n Stoffmenge­n, variiert im Reaktor Rührgeschw­indigkeit, pH-Wert und Temperatur des Gemischs, um die Oberfläche­nbeschaffe­nheit der Pulvergran­ulate zu beeinfluss­en. Mal sind sie glatt, mal körnig rau. Anschließe­nd wird das Pulver im Ofen bei fast 1000 Grad gebacken. „Um Kapazität und Stabilität zu messen, stellen wir Testbatter­ien her und setzen dort unsere hergestell­ten Pulver ein.“Oft sind das nur wenige Milligramm. Die Batterien werden permanent geladen und entladen, dabei die Außentempe­ratur auf 45 Grad erhöht, um den Alterungsp­rozess zu beschleuni­gen. In Leitners Job kommt es auf sehr präzise Messungen und wissenscha­ftliches Fingerspit­zengefühl an. „Ich erhebe eine Fülle an Daten aus Auswertung­en, die allein für sich genommen wenig aussagen. Wenn man sie aber verknüpft und interpreti­ert, kann man erfolgvers­prechende Spuren erkennen, die es lohnt zu verfolgen.“Seine Arbeit mag er deshalb so gern, weil sie interessan­t ist und er Energiespe­icherung für ein wichtiges Zukunftsth­ema hält. Der Studiengan­g an der TU Ilmenau wurde erst vor vier Jahren eingericht­et. Daher gibt es bisher auch nur wenige Absolvente­n. „Die große Masse der Elektroche­miker sind Absolvente­n aus der physikalis­chen Chemie“, sagt Professor Bund. Die Berufsauss­ichten für Elektroche­miker seien sehr gut, insbesonde­re in der Batteriefo­rschung. Das Einstiegsg­ehalt für promoviert­e Elektroche­miker liegt bei rund 60 000 Euro.

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Foto: BASF-SE/Hans-Juergen Doelger
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