Meister des schwarzen Pulvers
or etwa 15 Jahren war die Elektrochemie auf einem Tiefpunkt. „Das Fach erschien vielen als etwas altbacken, und man sah nur wenig interessante Jobs“, sagt Professor Andreas Bund, Fachgebietsleiter des einzigartigen Masterstudiengangs Elektrochemie und Galvanotechnik an der Technischen Universität Ilmenau. Elektrochemiker werden für die Oberflächentechnik, etwa den Korrosionsschutz gebraucht. „Den Prozess der Umwandlung von Metallen in Oxide zu verstehen und zu verhindern, ist die eine wichtige Aufgabe von Elektrochemikern.“An Brückenpfeilern, Autos oder Armaturen im Badezimmer. All diese Teile erhalten in galvanischen Bädern schützende Überzüge, sodass sie nicht rosten. Galvanik verleiht Armaturen ein hochwertiges Aussehen. Eine andere große Aufgabe von Elektrochemikern ist es, elektrische Energie zu speichern oder zu wandeln, beispielsweise in Batterien und Brennstoffzellen. „Insbesondere die Batterieforschung hat dem Beruf des Elektrochemikers zu einer Renaissance verholfen“, sagt Bund. Denn es werden immer mehr Energiespeicher im Kleinen für Smartphones und im Großen für Autos gebraucht. In beiden Fällen geht es darum, möglichst viel Energie in möglichst kleinen Batterien zu speichern. Was nicht trivial ist. „Eine hohe Dichte an Energie auf kleinem Volumen führt mitunter dazu, dass sie sich unkontrolliert freisetzt“, sagt Bund. So geschehen bei Handy-Akkus von Samsung.
Bedarf vom Smartphone bis zum Auto
Ob nun für Smartphones oder Autos – bislang findet die Zellfertigung für Batterien überwiegend in Asien statt. Das wird sich ändern. Das neu gegründete Unternehmen TerraE plant die Produktion von Lithium-Ionen-Zellen in Deutschland. Daimler baut die Batterien für seine Elektroautos und Hybridfahrzeuge im sächsischen Kamenz. Die Elektromobilität und der Energiewandel treiben das Thema Energiespeicher und damit den Arbeitsmarkt für Elektrochemiker auf Jahrzehnte hinaus gewaltig an. Die Elektrochemie ist ein wichtiges Teilgebiet der Physikalischen Chemie. In der Elektrochemie wird im Wesentlichen mit chemischen Vorgängen und elektrischem Strom gearbeitet. Klaus Leitner, 39, hat an ANZEIGEN der Technischen Universität Graz technische Chemie studiert mit den Schwerpunkten Elektrochemie und Batterietechnologie, anschließend in diesen beiden Disziplinen promoviert, was bei Elektrochemikern üblich ist. 2005 war Leitner mit seiner Doktorarbeit fertig, hatte mehrere interessante Stellenangebote aus aller Welt. Er entschied sich für BASF und ist seitdem am Standort Ludwigshafen in der Forschung von Lithium-Ionen-Akkus tätig. Er forscht am Kathodenaktivmaterial für die Zellen, einem schwarzen Pulver. „So wie beim Elektroauto die Batterie der weitaus teuerste Bestandteil ist, ist es innerhalb der Batterie das Kathodenpulver“, sagt Leitner. Das Pulver ist das elektrochemisch aktive Material, das in der Batterie dafür sorgt, dass Ladung aufgenommen und abgegeben wird. Lithium-Ionen-Akkus sind der aktuelle Batteriestandard und das derzeit am häufigsten eingesetzte Kathodenpulver ist ein LithiumMischmetall-Oxid. „Wir ändern die chemische Zusammensetzung des Pulvers und dessen Partikel- sowie Oberflächenbeschaffenheit, um mehr Speicherkapazität zu erreichen, die Herstellungskosten zu senken und die Zyklusfestigkeit zu verbessern, damit die Akkus möglichst lange halten“, erklärt Leitner.
Mehr Speicherkapazität und weniger Kosten
In der Batterieforschung geht man davon aus, dass die maximale Lebensdauer fast erreicht ist, die Kapazität bei etwa 75 Prozent liegt und die Kosten des Pulvers in einigen Jahren vielleicht halbiert werden könnten. Das würde Elektroautos deutlich günstiger machen. Um die drei Ziele zu erreichen, geht Leitner bei der Herstellung des Pulvers so vor: Er verändert die einzelnen zugesetzten Stoffmengen, variiert im Reaktor Rührgeschwindigkeit, pH-Wert und Temperatur des Gemischs, um die Oberflächenbeschaffenheit der Pulvergranulate zu beeinflussen. Mal sind sie glatt, mal körnig rau. Anschließend wird das Pulver im Ofen bei fast 1000 Grad gebacken. „Um Kapazität und Stabilität zu messen, stellen wir Testbatterien her und setzen dort unsere hergestellten Pulver ein.“Oft sind das nur wenige Milligramm. Die Batterien werden permanent geladen und entladen, dabei die Außentemperatur auf 45 Grad erhöht, um den Alterungsprozess zu beschleunigen. In Leitners Job kommt es auf sehr präzise Messungen und wissenschaftliches Fingerspitzengefühl an. „Ich erhebe eine Fülle an Daten aus Auswertungen, die allein für sich genommen wenig aussagen. Wenn man sie aber verknüpft und interpretiert, kann man erfolgversprechende Spuren erkennen, die es lohnt zu verfolgen.“Seine Arbeit mag er deshalb so gern, weil sie interessant ist und er Energiespeicherung für ein wichtiges Zukunftsthema hält. Der Studiengang an der TU Ilmenau wurde erst vor vier Jahren eingerichtet. Daher gibt es bisher auch nur wenige Absolventen. „Die große Masse der Elektrochemiker sind Absolventen aus der physikalischen Chemie“, sagt Professor Bund. Die Berufsaussichten für Elektrochemiker seien sehr gut, insbesondere in der Batterieforschung. Das Einstiegsgehalt für promovierte Elektrochemiker liegt bei rund 60 000 Euro.