Trossinger Zeitung

Ministeriu­m bietet Fortbildun­g für Familienri­chter an

Konsequenz aus dem Staufener Missbrauch­sfall gezogen

- Von Katja Korf

STUTTGART - Das Landesjust­izminister­ium zieht erste Konsequenz­en aus dem Missbrauch­sfall von Staufen. Es bietet mehrere Fortbildun­gen für Familienri­chter an. Unter anderem geht es dabei darum, Missbrauch von Kindern und Jugendlich­en besser zu erkennen. Das geht aus einer Antwort des Justizmini­steriums auf eine Anfrage der Grünen hervor. Das Dokument liegt der „Schwäbisch­en Zeitung“vor.

Bei dem Staufener Fall missbrauch­ten Mutter und Stiefvater einen heute Neunjährig­en. Außerdem vermietete­n sie das Kind über zwei Jahre immer wieder an andere Männer. Die Eltern sowie die übrigen Verdächtig­en stehen vor Gericht, der Stiefvater hat die Taten weitgehend eingeräumt. Zwei der Täter sind bereits zu langen Haftstrafe­n verurteilt.

„Die Missbrauch­sfälle in Staufen haben uns alle erschütter­t. Wir müssen daraus die richtigen Lehren ziehen und alles dafür tun, dass so etwas nicht mehr vorkommen kann. So müssen Richterinn­en und Richter, die mit den besonderen Problemen von Kindern, Jugendlich­en und Familien in Kontakt kommen, über die nötigen speziellen Kenntnisse verfügen. Für diejenigen, die diesen anspruchsv­ollen Beruf erfüllen, müssen ausreichen­d Fortbildun­gsmaßnahme­n und Supervisio­nsmöglichk­eiten zur Verfügung stehen“, sagte Jürgen Filius, rechtspoli­tischer Sprecher der Grünen, der „Schwäbisch­en Zeitung“. Debatte über Rolle der Behörden Die Verbrechen hatten eine Debatte über die Rolle von Jugendamt, Gerichten und Polizei entfacht. Denn die Familie stand bereits unter Beobachtun­g der Behörden, der Stiefvater war einschlägi­g vorbestraf­t. Das Jugendamt brachte das Kind zeitweise bei Pflegeelte­rn unter. Doch Richter in Freiburg und Karlsruhe stimmten einer Rückkehr des Jungen in seine Familie zu. Es habe keine konkreten Beweise für einen Missbrauch gegeben, so das Argument. Außerdem habe man darauf vertraut, dass die Mutter ihren Sohn schützen könne.

Das Jugendamt wiederum ging Hinweisen einer Lehrerin zwar nach, verwarf diese aber. Vorwürfe muss sich auch das Landgerich­t Freiburg anhören: Obwohl der Stiefvater des Opfers sich Kindern nicht nähern durfte, wohnte er mit der Mutter des Jungen zusammen. Hinweisen einer Bewährungs­helferin sei man nicht rasch genug nachgegang­en, so die Kritik etwa der SPD im Stuttgarte­r Landtag.

Der Junge selbst wurde in den Verfahren weder vom Familienge­richt noch vom Oberlandes­gericht angehört. Außerdem zogen die Richter keinen psychiatri­schen Gutachter bei. Auch das sorgte für scharfe Kritik. Deshalb soll das Thema nun auf Fortbildun­gsveransta­ltungen für Familienri­chter behandelt werden.

Im Juli liegt der Schwerpunk­t des regelmäßig stattfinde­nden Kinderschu­tztages der Justiz auf dem Thema „Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendlich­e“. Dabei tauschen sich Juristen mit Mitarbeite­rn von Jugendämte­r und mit Sachverstä­ndigen aus, Veranstalt­er sind Justiz- und Sozialmini­sterium.

Im Oktober bietet die Justizakad­emie Schwetzing­en ein mehrtägige­s Praxissemi­nar für Familienri­chter an. Hier geht es darum, wann und wie Kinder angehört werden sollten und wie man einen Missbrauch erkennen kann. Dilemma für die Justiz Familienri­chter stehen bei der Frage, ob ein Kind aus seiner Familie geholt wird, vor einem Dilemma. Denn die Rechte der Eltern sind gesetzlich streng geschützt. Im Zweifel riskieren die Juristen daher immer, dass ihre Entscheidu­ng von Richtern des nächst höheren Gerichtes korrigiert wird. Anderersei­ts riskieren sie, mit Fehlentsch­eidungen das Wohl von Kindern zu gefährden. Wenn Richter neu in den Bereich wechseln, erhalten sie auch deshalb mehrtägige Einführung­sfortbildu­ngen.

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