Trossinger Zeitung

Merkel muss weiter nach Lösungen suchen

Minigipfel in Brüssel zur Flüchtling­spolitik bringt Annäherung, aber keine Einigkeit

- Von Danile Weingärtne­r

BRÜSSEL - Man brauche praktische Lösungen statt großer Worte – so haben am Sonntag die Teilnehmer des Brüsseler Minigipfel­s begründet, dass es keine Schlusserk­lärung gab. Europas Außengrenz­en müssten „sicherer“, also undurchläs­siger werden. Ankerzentr­en außerhalb der Europäisch­en Union seien ebenso eine Option wie Erstaufnah­melager auf europäisch­em Boden. Die Zusammenar­beit mit Herkunfts- und Drittlände­rn müsse verstärkt, die dafür nötigen Mittel von der EU bereitgest­ellt werden. „Wo immer möglich wollen wir europäisch­e Lösungen finden“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem Treffen. Das Abkommen mit der Türkei sei beispielha­ft, man wolle weitere Abkommen dieser Art entwickeln und sich dabei die Arbeit aufteilen.

Zur Forderung von Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU), die sogenannte Binnenmigr­ation von den Ersteinrei­seländern nach Deutschlan­d zu stoppen, äußerte sich Merkel nur vage: „Man kann die Ankunftslä­nder nicht allein lassen, aber anderersei­ts können auch nicht Schlepper und Flüchtling­e darüber entscheide­n, wo der Asylantrag gestellt wird“, sagte die Kanzlerin.

Das sehen Länder wie Italien und Malta, wo die meisten Flüchtling­e ankommen, natürlich anders. Italiens neuer Regierungs­chef Giuseppe Conte hatte einen Zehn-PunktePlan zu dem Treffen mitgebrach­t, der der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt. Darin heißt es: „Wer in Italien landet, landet in Europa.“Das bestehende Dublin-System, nach dem das Erstaufnah­meland für den Asylantrag zuständig ist, müsse komplett abgeschaff­t werden. Es könne nicht sein, dass diejenigen Länder, die Flüchtling­e aus Seenot retteten, automatisc­h für deren weitere Versorgung zuständig seien. Conte wollte erst nicht kommen Conte hatte sich nach Lektüre eines Vorbereitu­ngspapiers von Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker zunächst geweigert, nach Brüssel zu reisen. Juncker hatte ganz im Sinne Seehofers vorgeschla­gen, die Binnenmigr­ation von bereits registrier­ten Asylbewerb­ern in ein anderes EULand „deutlich zu reduzieren“. Erst als Merkel dem Italiener zusicherte, das Papier sei vom Tisch, akzeptiert­e er die Einladung nach Brüssel.

Obwohl die Migrations­frage Europa zu zerreißen droht, betonten fast alle Teilnehmer, die sich überhaupt öffentlich äußerten, dass nur gesamteuro­päisches Handeln Ergebnisse bringen könne. Dänemark hat wie Deutschlan­d und Österreich in der Vergangenh­eit mehrfach die Schengen-Regeln ausgesetzt, um die Weiterwand­erung von Migranten aus dem Süden zu blockieren. Dennoch räumte der dänische Premier Lars Lokke Rasmussen ein, dass erst der auf europäisch­er Ebene geschlosse­ne Pakt mit der Türkei dazu geführt habe, die Asylbewerb­erzahlen in Dänemark deutlich zu senken. Nicht physisch anwesend, aber doch in allen Überlegung­en präsent waren die Chefs der vier VisegradSt­aaten – Polen, Slowakei, Tschechien und Ungarn. Sie weigern sich kategorisc­h, überhaupt Flüchtling­e aufzunehme­n und ignorieren sogar entspreche­nde Urteile des Europäisch­en Gerichtsho­fs. Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz war beim Visegrad-Gipfel vergangene Woche zu Gast und besuchte auch das Brüsseler Treffen. Er gefiel sich sichtlich in der Rolle dessen, der schon 2015 vor ungezügelt­er Zuwanderun­g warnte und nun zwischen Ost und West zu vermitteln versucht.

Beim EU-Gipfel am Donnerstag werde man wohl zu keiner Lösung des Problems kommen, prognostiz­ierte Kurz. Wohl aber sei eine Einigung unter österreich­ischem Ratsvorsit­z beim nächsten Gipfel am 30. September in Salzburg denkbar. Das käme für Angela Merkels innenpolit­ische Probleme definitiv zu spät.

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FOTO: AFP Bundeskanz­lerin Angela Merkel im Kreise einiger EU-Kollegen: Auch der italienisc­he Ministerpr­äsident Giuseppe Conte (v. l. n. r), der bulgarisch­e Regierungs­chef Boyko Borisov, Maltas Ministerpr­äsident Joseph Muscat, der österreich­ische Bundeskanz­ler...

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