Neuer Chef
Eine Zitterpartie ist entschieden: Die mächtige NRW-SPD hat einen neuen Parteichef. Sebastian Hartmann ist ein unbeschriebenes Blatt. Noch vor wenigen Wochen kannte kaum jemand den Namen des Bundestagspolitikers aus Bornheim bei Bonn. Nun ist der 40-Jährige in Bochum mit einem klaren Votum von 80,3 Prozent zum neuen Chef der NRW-SPD gewählt worden. Eine Findungskommission hatte Hartmann quasi im Alleingang als einzigen Kandidaten aus dem Hut gezaubert. Das löste viel Kritik aus. Hartmann selbst brauchte nach eigenen Angaben 48 Stunden Bedenkzeit, ob er den Job annehmen sollte.
Die NRW-SPD stellt demonstrativ auf Neustart und Verjüngung um – die frühere Landesvorsitzende Hannelore Kraft ist gar nicht erst zum Parteitag erschienen. Hartmann, wie immer im dunkelgrauen Anzug und mit akkuratem Scheitel, hält vor den rund 460 Delegierten die wichtigste Rede seines politischen Lebens. Die SPD müsse endlich aufhören, zu klagen und gegen sich selber zu kämpfen, sagt er. „Niemand will eine traurige Truppe, die selbst nicht an ihren Erfolg glaubt.“Die SPD wolle ein „sozialdemokratisches Jahrzehnt“, „linken Realismus“und „Rot pur“. Das kommt an, immer wieder bekommt er Zwischenapplaus.
Für welche Inhalte Hartmann steht? Ein „New Deal“schwebt ihm vor, ein Jahrzehnt der sozialen Investitionen und Innovationen. Eine „Bad Bank“sollte verschuldete Kommunen von der drückenden Kreditlast befreien. Doch Hartmann muss sich nun erst einmal Gehör verschaffen – in NRW und in Berlin. Im Landtag steht ihm SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty als mächtiger Konkurrent gegenüber. Ob er zur Landtagswahl 2022 Spitzenkandidat werden kann, ist deshalb offen. Hartmanns Vorgänger Michael Groschek warnte davor, den neuen SPD-Chef zu unterschätzen. Auch große SPD-Politiker wie Johannes Rau seien zu Beginn ihrer Karriere einst belächelt worden. (dpa)