Ein schillernder Popstar
Lustvolle Wiedergeburt von Edmond Rostands „Cyrano de Bergerac“auf dem Konstanzer Münsterplatz
KONSTANZ - Er ist ein Haudegen und ein Poet voller Esprit – ein Star und doch ein verletzliches Kind – für Mark Zurmühle, der Edmond Rostands romantische Komödie „Cyrano de Bergerac“als ebenso rasantes wie geistvoll poetisches Freilichttheater auf dem Konstanzer Münsterplatz inszeniert hat, ist er ein Popstar, mit Michael Jackson vergleichbar. Sein Cyrano greift zur Gitarre, singt seine Gefühle zur Live-Musik unter Gabriel Cazes frei heraus – und das Konzept geht auf. Die Premiere am Freitagabend ist minutenlang gefeiert worden. Kunstvolle Gratwanderung zwischen Komik und Tragik Cyrano spielt ein gefährliches Spiel: Weil die von ihm verehrte Roxane sich in den hübschen, aber wenig geistreichen Christian de Neuvillette verliebt hat, leiht er ihm seinen Geist, sagt ihm Liebesschwüre vor und schreibt so heiße Liebesbriefe, dass diese zuletzt in Christians schöner Larve Cyranos Geist liebt. Doch seine Liebe bleibt ein Luftschloss, denn seiner unförmigen Nase wegen fürchtet er ihre Zurückweisung – bei Mark Zurmühle und Bühnenbildnerin Marie Labsch nimmt das Luftschloss als riesige schneeweiße Hüpfburg Gestalt an. Hier guckt die adlige Gesellschaft von oben auf die Spielfläche, hier toben sich die Helden aus, hier rennt Roxane nach Christians Tod gegen die Wände an, lässt dem Schloss die Luft aus. Vor dem Schloss flaniert die Gesellschaft, marschieren die Kadetten auf, ziehen die Nonnen ein – und wie ein stolzer Gockel fährt Graf Guiche (Georg Melich) mit der Harley vor – doch die auch von ihm begehrte Roxane kann er damit nicht erobern.
Herrlich spielerisch geht Zurmühle mit der Vorlage um, geschickt tanzt er auf dem Grat zwischen Komödie und Tragödie. Wenn Cyrano dem tumben Christian (Thomas Fritz Jung) unterm Balkon die Liebesworte einsagt, dann amüsiert sich der Zuschauer und spürt doch Cyranos Schmerz, der sich bald wieder in einem Song entlädt: „I can’t get no satisfaction“der Rolling Stones. Ebenso ungeniert mixt Nic Tillein die Kostüme: Lederhose neben Reifrock, Kanonenstiefel neben wallendem Federbusch. Lustvoll sind die von Johannes Nix, Meister im Florett- und Degenfechten, einstudierten Fechtszenen, ob gegen den aufgeblasenen Schauspieler Montfleury oder im Spaß mit den Kadetten. Köstlich ins Heute fortgeführt Frisch und frech ist die neue, gekürzte Konstanzer Textfassung von Daniel Grünauer, Daniel Morgenroth und Christoph Nix, die Verssprache und Poesie beibehält. Köstlich führt sie Cyranos große Eloge auf seine Nase ins Heute fort.
Mittendrin in einem vorzüglichen Ensemble glänzt Ingo Biermann als Cyrano, singend, tanzend, kindlich ausgelassen und ernsthaft. Ganz Kindfrau ist Laura Lippmann als Roxane. Ungeniert setzt sie sich Cyrano, dem Cousin und Kameraden aus der Kindheit, auf den Schoß, plappert munter von ihrer Liebe zu Christian. Wild tobt sie nach dessen Tod, während sie Jahre später den sterbenden Cyrano, dessen Geheimnis sie zu spät erkennt, still im Arm hält.
Ernsthaft gezeichnet sind auch die Nöte der Gascogner Kadetten im Krieg, als sie Hunger, Schmerz und Tod erfahren. Einen Mantelund-Degen-Schinken würde heute keiner mehr ertragen, doch so amüsant spielerisch und ernst zugleich wird das 1897 uraufgeführte romantische Versdrama zum wahren Vergnügen. Weitere Aufführungen auf der Freilichtbühne vor dem Münster bis 27. Juli 2018. Info und Bestellung unter www.theaterkonstanz.de