Kritisieren wir zu schnell und zu heftig?
Von der US-Band „Live“gibt es einen schönen Song namens „The Beauty of grey“. Tatsächlich ist Schwarz ohne Weiß, Licht ohne Schatten, nicht denkbar. Aufs Leben und die Kritik an anderen bezogen bedeutet das: Man sollte nicht immer gleich heulen, wenn es schlecht läuft, und auch nicht abheben, wenn alles perfekt scheint. Und schon gar nicht: Tage vor dem Abend loben.
Die deutschen Kicker bekommen bei der WM das Gegenteil zu spüren, und manchmal bauen ihre Ex-Kollegen den Druck erst auf. Joshua Kimmich könne WMStar werden, meinte Lukas Podolski kürzlich. Blöderweise war der junge Rechtsverteidiger dann beim 0:1 gegen Mexiko so weit vom Gegner weg wie der Pluto vom Mond, er zeigte, dass er noch fehlerhaft ist. Genauso wie Toni Kroos. Spielt Deutschlands wohl bester Kicker einen Fehlpass, wird er verteufelt, schießt er kurz darauf ein Traumtor, in den Himmel gejauchzt. Der grassierende WMWahn kann einen ganz schön fertig machen. Kroos hat einen interessanten Satz dazu geschrieben: „Alive“. Und am Leben zu sein bedeutet, Fehler machen und daraus lernen zu dürfen. Jürgen Schattmann j.schattmann@schwaebische.de
Zugegeben, ich habe einige der beißenden Kommentare, sei es von Fans, Experten oder Journalisten, über die Nationalmannschaft nach dem 0:1 gegen Mexiko auch als unangemessen empfunden. Vor allem die Kritik einiger Ex-Nationalspieler über ihre Nachfolger im DFB-Trikot war überzogen und schien vor allem populistisch. Einen Sportler mit einem toten Tier zu vergleichen, einfach, weil der Spruch so gut scheint und Kritik an Mesut Özil ohnehin gerade in Mode und außerdem furchtbar einfach ist, so, wie es beispielsweise Mario Basler getan hat: das geht einfach nicht. Und doch sind nicht nur Medien, Experten und Fans gut beraten, einmal kurz durchzuatmen. Toni Kroos ist ein unheimlich tolles und ungemein wichtiges Tor gelungen. Doch er war bis dahin einer der schwächeren DFB-Kicker. Und gegen Mexiko war beinahe die gesamte DFB-Elf nicht auf der Höhe. Dies festzustellen bedeutet nicht, dass man der Mannschaft das Ausscheiden gönnen würde, wie Toni Kroos meinte. Schlechte Spiele darf man nicht schönreden.
Leben heißt Fehler machen und lernen Schlechte Spiele darf man nicht schönreden
Filippo Cataldo f.cataldo@schwaebische.de