Kabale und Liebe
Nach dem 0:3 gegen Kroatien steckt Argentinien tief in der Krise: Maradona wettert, Messi schweigt
MOSKAU (SID/dpa) - Für Diego Maradona war die Sache klar. Wenn einer die argentinischen „Putschisten“um Lionel Messi in den Griff kriegt, dann er. „Ich will mit den Spielern sprechen können, damit sie verstehen, was es bedeutet, dieses Trikot zu tragen“, sagte der Weltmeister von 1986.
Die Fußball-Legende fordert Zugang zur Mannschaft, wohl auch weil der eigentliche starke Mann schwer angezählt ist. Beim Vizeweltmeister ist wegen des drohenden Aus’ die Situation angespannt, die Nerven liegen blank. Eigentlich war Trainer Jorge Sampaoli (58) schon gefeuert, von den Stars aus dem Amt gejagt. Argentinien wäre jedoch nicht Argentinien, wenn es nicht mit seifenopergleichen Wendungen aufwartete.
Plötzlich stand Sampaoli wieder auf der Kommandobrücke. „Die Jungs sind rastlos und besorgt. Und als sie gesehen haben, dass ich auch rastlos und besorgt bin, haben sie mir gesagt: ,Lauf weg, tschüss’“, sagte er der Zeitung „La Nacion“. Teammanager Jorge Burruchaga sollte angeblich übernehmen, um das Achtelfinale noch zu erreichen. Verbandspräsident Claudio Tapia aber habe interveniert und Sampaoli das Vertrauen ausgesprochen.
Die Mannschaft dementierte den Streit mit Sampaoli. „Die Beziehung zum Trainer ist komplett normal“, sagte Javier Mascherano. Der 34-Jährige gab jedoch zu, dass die Mannschaft mit Sampaoli spreche, wenn sie sich „nicht wohl“fühle. Torwart-Probleme Jedenfalls wirkt die Mannschaft vor dem Gruppenfinale gegen Nigeria am Dienstag (20 Uhr/ARD) dem Zerfall nahe. Hartnäckig halten sich Spekulationen, dass auch der Torwart ausgetauscht werden soll – kein Wunder nach dem groben Patzer des 36 Jahre alten WM-Debütanten Wilfredo Caballero beim 0:3 gegen Kroatien am Donnerstag. Allerdings, wer sind die Alternativen? Der eine heißt Franco Armani, spielt bei River Plate in Buenos Aires, ist 31 Jahre alt – und hat noch nie bei einer WM gespielt. Länderspiele: null. Der andere: Nahuel Guzmán. 32 Jahre alt, nachnominiert für den verletzten Stammtorwart Sergio Romero. Sechs Länderspiele.
Wieder ein Wechsel auf einer Schlüsselposition. Wohl wieder weitere Veränderungen in der Startelf. Womöglich noch mal ein anderes System. Selbst vor acht Jahren beim Viertelfinal-Aus in Südafrika unter Maradona, dem wohl kaum jemand große taktische Trainer-Finesse unterstellen würde und der wohl der letzte ist, der dem Team einen Plan schenken kann, wirkte das Team nicht so planlos wie in diesen Tagen, die die letzten von Messi im himmelblau-weißen Dress sein könnten.
Messi selbst bleibt dabei Abbild der Hoffnungslosigkeit. Noch kein Tor, ein verschossener Elfmeter beim 1:1 gegen Island, eine miserable Leistung beim 0:3 gegen Kroatien. Und so wie Messi am Donnerstag vom Platz in Nischni Nowgorod schlich, so betrat er am Samstag auch den Rasen in Bronnizy.
Vor allem zwischen dem fünfmaligen Weltfußballer und Sampaoli kriselt es offenbar. So sehr, dass die beiden nicht einmal direkt kommunizieren: „Ich habe ihm meine Hand gereicht. Ich habe ihm bei WhatsApp eine Nachricht geschickt und ihm gesagt, dass er auf mich zählen kann. Er hat es gelesen und nicht geantwortet“, sagte der Trainer, über den sich derweil der Spott ehemaliger Granden wie Atletico Madrids Trainer Diego Simeone und 1978-Weltmeister Mario Kempes übergießt. Sampaoli behilft sich mit Galgenhumor. Selbstverständlich habe er trotz des Zwists mit dem Team die gleichen Kompetenzen wie vorher: „Außer, dass Messi die Aufstellung macht und Mascherano die Anweisungen gibt. Ich renne nur am Spielfeldrand auf und ab und schreie mir die Seele aus dem Leib“, sagte Sampaoli.
Und Messi? Der holte sich den Zuspruch lieber bei seiner Frau Antonella Roccuzzo. Die überschüttete ihn am Sonntag, seinem 31. Geburtstag, bei Instagram nicht zum ersten Mal mit nicht enden wollender Zuneigung. „Danke, dass du mich zur glücklichsten Frau der Welt machst“, schrieb sie. Ein bisschen Liebe im Schlammbad Nationalmannschaft.