Jesus aus der Favela
Der junge Brasilianer begeistert in der Heimat
SÃO PAULO (AFP/SID) - Auch in der Favela Jardim Peri in São Paulo hat das Last-Minute-2:0 Brasiliens gegen Costa Rica einen Freudentaumel ausgelöst. Das Armenviertel ist die Heimat des gefeierten Nationalstürmers Gabriel Jesus, der in Russland erstmals an einer WM teilnimmt. In der Bar von Gisele Xavier versammelten sich am Freitag die Freunde und ehemaligen Nachbarn des Fußballstars, viele von ihnen trugen handsignierte TShirts mit dem Jesus-Konterfei.
Vor vier Jahren hatte Jesus die Heim-WM in Brasilien noch als Zuschauer verfolgt – und in seiner Favela geholfen, die Straßen in den Nationalfarben Grün und Gelb zu tünchen. Heute zählt der 21-Jährige zu den Stars der Seleção, 2017 wechselte er von Palmeiras zu Manchester City, sein Marktwert beträgtinzwischen 80 Millionen Euro. In der Bar da Gisele waren am Freitag alle Augen auf ihn gerichtet. Als der Mittelstürmer in der 25. Minute schoss und traf, spielten die Zuschauer verrückt – doch wegen Abseits wurde das Tor nicht gezählt.
Gabriel Jesus hat geschafft, wovon viele Jungen in den Favelas träumen: den Aufstieg vom Straßenkicker zum Star. „Stellt Euch vor, wie das ist, aus dem Viertel herauszukommen und Nummer 9 der Seleção zu werden“, sagte sein ehemaliger Nachbar Ze Moa. „Für uns ist das eine riesige Freude.“Auch Ellon Ferreira, ein Freund von Jesus, schwelgte im Glück: „Wer hätte gedacht, dass er so weit kommt?“
Als im fernen St. Petersburg der Schlusspfiff ertönte, erhellte ein Feuerwerk den Himmel über der Favela Jardim Peri. Aus den Lautsprechern dröhnte eine Hymne auf Jesus – vom Jungen, der einst „Fußball auf dem Schulhof“spielte und nun mit Superstar Neymar auf dem Platz steht.
Der hatte nach dem Kampf gegen Costa Rica mit seinen Gefühlen zu tun. Der 26-Jährige sank nach Abpfiff am Mittelkreis auf die Knie, schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte hemmungslos. Eine Riesenlast fiel von seinen Schultern. „Nicht alle wissen, was ich durchgemacht habe, um es bis hierher zu schaffen“, schrieb Neymar kurz nach dem Spiel auf Instagram: „Gut reden kann jeder, selbst ein Papagei. Aber es dann auch machen – das schaffen nur wenige!“Die Tränen seien daher einzig und allein „aus Freude, aus Überwindung, wegen des Durchhaltens und des Siegeswillens“geflossen.
Der Sieg gegen die Ticos, die Neymar hart attackiert hatten, glich einer Erlösung. Neymar, der in der 78. Minute eine peinliche Schwalbe fabriziert hatte und später zum Endstand traf, war erleichtert: „Der Traum geht weiter. Glückwunsch an die Jungs. Ihr seid einfach nur geil.“Eins dürften die Brasilianer allerdings nicht – im Gruppenfinale am Mittwoch (20 Uhr) gegen Serbien verlieren. Dann nämlich könnte der fünfmalige Weltmeister plötzlich draußen sein.