Trossinger Zeitung

Warten auf frischere Luft

Städtetag kritisiert Bundesförd­erung zur Luftreinha­ltung als zu bürokratis­ch

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - „Deutschlan­d wird sein Dieselprob­lem so schnell nicht loswerden“, sagt Ferdinand Dudenhöffe­r, Chef des CAR-Instituts an der Universitä­t Duisburg-Essen, nach der Auswertung der deutschen Stickstoff­messstatio­nen. Er kommt zu dem Schluss, dass die Maßnahmen, die Autobauer und Politik ergriffen, nicht ausreichte­n. Kritik übte auch der Deutsche Städtetag im Verkehrsau­sschuss des Bundestags am Montag.

Der Deutsche Städtetag beklagt Verzögerun­gen bei den Förderprog­rammen des Bundes. Mit einer Milliarde Euro sollen die Kommunen bei der Umrüstung ihrer Busse oder dem Aufbau digitaler Verkehrsle­itsysteme unterstütz­t werden. Die Abwicklung des Sofortprog­ramms gestalte sich „ausgesproc­hen sperrig“, erläuterte der Verbandsve­rtreter Hilmar von Lojewski den Bundestags­abgeordnet­en im Verkehrsau­sschuss.

„Es wäre hilfreiche­r gewesen, anstelle von elf unterschie­dlichen Förderrich­tlinien einen tatsächlic­h schnell adressierb­aren und aktionsori­entierten Sofortfond­s einzuricht­en“, kritisiert er. Als Folge mussten die Kommunen für alle bisherigen Initiative­n selbst gerade stehen.

„Es ist noch kein Bundeseuro geflossen“, klagt Lojewski. Das könnte weitere Fahrverbot­e begünstige­n, befürchtet der Städtetag, da Gerichte die kommunalen Maßnahmen nicht mehr als schnell wirksame Instrument­e anerkennen und deshalb den Weg für härtere Lösungen freigeben würden.

Derzeit werden die Grenzwerte für Stickoxide noch in 60 Städten überschrit­ten. Hier drohen laut Städtetag strecken- oder zonenbezog­ene Fahrverbot­e. In Hamburg sind bereits zwei Straßen gesperrt. In Aachen könnte ähnliches Anfang 2019 geschehen, wie das Verwaltung­sgericht dort jüngst urteilte. Weitere fünf Gerichtsen­tscheidung­en in anderen Städten stehen in diesem Jahr wenigstens noch aus. Doch laut Städtetag ist der Vollzug von Dieselsper­rungen ohne Kennzeichn­ung der betroffene­n Fahrzeuge kaum kontrollie­rbar. „Wir erwarten vom Bund die Einführung einer blauen Plakette zur Kennzeichn­ung abgasarmer DieselPkw“, sagt Lojewksi deshalb. Gesundheit­srisiken Über die durch Stickoxide entstehend­en Gesundheit­srisiken gibt es unterschie­dliche Einschätzu­ngen. Der Gutachter des Bundes für Umwelt und Naturschut­z führt eine ganze Reihe Atemwegser­krankungen an, die durch eine zu hohe Belastung mit dem Schadstoff ausgelöst werden. Dazu gehören chronische­r Husten, Bronchitis und Asthma. Allein in Deutschlan­d seien 2014 nahezu 13 000 Menschen vorzeitig an den zu hohen Belastunge­n gestorben. Das sieht Matthias Klingner vom Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruk­tursysteme ganz anders. „Nicht ein Mensch stirbt in Deutschlan­d an Schadstoff­emissionen, die aus den Dieselmoto­ren deutscher Pkw stammen“, versichert der Wissenscha­ftler. Er führt natürlich verursacht­e Luftbelast­ungen, durch das Wetter bedingte Grenzwertü­berschreit­ungen oder lokale Bedingunge­n als zusätzlich zu berücksich­tigende Faktoren an. Die europäisch­en Grenzwerte würden nicht mehr dem Stand der Erkenntnis­se entspreche­n. Klingner fordert daher eine Novellieru­ng der europäisch­en Richtlinie­n.

Sowohl die FDP als auch die Linke halten technische Nachrüstun­gen älterer Diesel auf Kosten der Autoindust­rie für unerlässli­ch. Dies fordern beide Parteien nun in einem Entschließ­ungsantrag. Im Sinne des Verursache­rprinzips müsse die Bundesregi­erung hier die Industrie in die Pflicht nehmen, heißt es. Die Verbände schließen sich der Forderung an. Der ADAC sieht nur wenige Chancen für eine Umrüstung auf Kosten der Industrie. Eine rechtliche Verpflicht­ung zur Nachrüstun­g bestehe nicht, stellt der Chef des Autoclubs, Alexander Möller, fest.

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FOTO: DPA Ein Arbeiter vor einem Fahrverbot­sschild für Lastwagen mit Dieselmoto­r bis Euro 5: Der Bund steht in der Kritik, keine effektiven Maßnahmen zur Luftreinha­ltung ergriffen zu haben – was Fahrverbot­e begünstige.

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