Wie fair Wirtschaften funktioniert
Vortrag der Vaude-Geschäftsführerin Antje von Dewitz stößt auf großes Interesse
TUTTLINGEN - Sie ist derzeit gefragt, aber einen Vortrag in einer Kirche hält auch Antje von Dewitz nicht alle Tage. Geradezu „missionarisch“fühlte sich die Geschäftsführerin des Outdoor-Ausrüsters Vaude aus Tettnang deshalb am Donnerstagabend in der Tuttlinger Stadtkirche. „Aber das passt gut, ich habe wirklich eine Mission“, sagte sie den gut 200 Besuchern.
2009 hat von Dewitz das Unternehmen von ihrem Vater übernommen und umgekrempelt. Ihr Ziel: möglichst nachhaltig zu wirtschaften. Sei es bei den Materialien, die in Vaude-Produkten verarbeitet sind, bei den Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter und Zulieferer oder beim Unternehmensgebäude.
Gerade weil ihr als Kind schon das Vorurteil der Unternehmer als „Ausbeuter“entgegenschlug, will sie zeigen, wie Wirtschaften auch fair funktioniert. „Besonders als Unternehmerin sind die Chancen groß, etwas zu verändern“, glaubt von Dewitz – passend dazu war ihr Vortrag in Tuttlingen in die Reihe „Fair statt Flucht“eingebettet. Anstrengender Weg Der Weg sei „wahnsinnig anstrengend“gewesen, sagt von Dewitz, inzwischen können sich die Änderungen aber sehen lassen: Fast vollständig setzt die Firma auf Öko-Materialien in ihren Produkten. Hosen, Jacken, Rucksäcke und viele andere Teile sind komplett recyclebar und können im Unternehmen repariert werden. Die Produktionsbedingungen im Ausland (Vaude lässt auch in Ländern wie China, Vietnam oder Kambodscha produzieren) wird von der Fair Wear Foundation überprüft. Vor Ort setzt das Unternehmen auf eine Bio-Kantine, eine hauseigene Kita und flexible Arbeitszeiten – besonders die beiden letzten Punkte hätten zu einer Quote von 40 Prozent Frauen in Führungspositionen beigetragen, ist von Dewitz überzeugt. Sie selbst hat vier Kinder.
Der Unternehmerin liegen auch Flüchtlinge am Herzen. Zwölf geflüchtete Menschen arbeiten im Unternehmen. Was von Dewitz ärgert: Fünf von ihnen sind von Abschiebung bedroht. „Dabei arbeiten sie gerne hier, sind gerne dabei, die Integration hat funktioniert“, ist sie überzeugt. Sie wünsche sich von der Politik ein Einwanderungsgesetz, sagte sie auf Nachfrage aus dem Publikum. Denn: „Wir brauchen diese Leute.“Während Vaude für Verwaltungsstellen 70 Bewerbungen auf eine Stelle bekomme, seien es in der Manufaktur ein bis zwei.
Dewitz’ Gesamtstrategie geht wohl auf: Im fast stagnierenden Outdoor-Markt wächst Vaude weiter. Der Umsatz liegt bei etwa 100 Millionen Euro. Allerdings: Produkte, die lange halten, müssen selten ersetzt werden. Das Unternehmen setzt deshalb vermehrt auf Dienstleistungen, etwa Leih-Angebote.