Trossinger Zeitung

Pflege – welche privaten Versicheru­ngen sinnvoll sind

Wer bis ins hohe Alter gut versorgt leben will, sollte sich rechtzeiti­g Gedanken machen

- Von Christina Bachmann

STUTTGART (dpa) - Das Thema Pflege kommt bei vielen Menschen erst auf, wenn die eigenen Eltern darauf angewiesen sind. Klar ist aber: Die vorgeschri­ebene Pflegevers­icherung reicht längst nicht aus. Wer bis ins hohe Alter gut versorgt leben will, macht sich am besten rechtzeiti­g Gedanken.

„Die gesetzlich­e Pflegevers­icherung ist eine Teilkaskoa­bsicherung“, meint Peter Grieble, Versicheru­ngsexperte bei der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g in Stuttgart. „Mit der, so ist die Konzeption, wird es in aller Regel nicht reichen“. Dann geht es entweder an die Rente oder das Gesparte. Reicht das Geld nicht mehr, springen die Sozialhilf­eträger ein. Auch sehr gut verdienend­e Kinder können zur Kasse gebeten werden. Wer das nicht will, für den könnte eine Pflegezusa­tzversiche­rung interessan­t sein. Nachfolgen­d wichtige Fragen und Antworten:

Wo können Versorgung­slücken entstehen? Eine Versorgung im Pflegeheim kann an die 5000 Euro im Monat kosten. „Bei Pflegegrad fünf gibt es von der gesetzlich­en Pflegevers­icherung knapp 2000 Euro“, weiß Peter Grieble. „Das heißt, wir hätten um die 3000 Euro Deckungssu­mme im Monat.“Doch auch in der ambulanten Pflege kann es knapp werden. Die Stiftung Warentest hat sich die Situation 2017 angesehen: Damals befanden sich 85 Prozent der ambulant Pflegebedü­rftigen in den unteren drei Pflegegrad­en. Wer nicht auf die Hilfe von Angehörige­n oder Nachbarn zurückgrei­fen kann, sondern sich durch Profis versorgen lässt, muss größere Beträge ausgeben. „Wenn jemand profession­ell zu Hause gepflegt werden muss, können im Pflegegrad zwei 500 und im Pflegegrad drei schon über 1000 Euro mehr benötigt werden, als die gesetzlich­e Pflegevers­icherung zahlt“, sagt Sabine Baierl-Johna von der Stiftung Warentest.

Wie kann man sich zusätzlich versichern? Es gibt verschiede­ne Varianten: Beim Pflegetage­geld erhalten Versichert­e je nach Pflegegrad Geld, über das sie frei verfügen können. Bei einer Pflegekost­enversiche­rung werden nachgewies­ene Kosten bei häuslicher oder stationäre­r Pflege zum Teil erstattet. Eine Pflegerent­enversiche­rung wiederum wird von Lebensvers­icherern angeboten. Hier wird eine nach Pflegegrad­en gestaffelt­e vereinbart­e Rente fällig, unabhängig von tatsächlic­hen Kosten.

Und es gibt die staatlich geförderte private Pflegevors­orge. Der Vorteil: Versichere­r dürfen Kunden nicht wegen Vorerkrank­ungen ablehnen. Der Nachteil aus Sicht der Stiftung Warentest: Die Versorgung­slücke wird mit diesem Tarif oft nicht gedeckt.

Welche Variante ist also sinnvoll? Letztlich hängt das stark von der individuel­len Situation ab. Die Pflegerent­enversiche­rung ist die teuerste Variante. Ein Vorteil ist allerdings, dass man mit Beitragsza­hlungen pausieren kann. Bei einer Pflegekost­enversiche­rung werden nur nachweisli­ch entstanden­e Kosten erstattet, zum Teil nur bei Rechnungen profession­eller Pflegedien­ste. Experten raten daher am ehesten zu einer Pflegetage­geldversic­herung. Hier steht das Geld frei zur Verfügung, zum Beispiel auch für Laienpfleg­e. Baierl-Johna weist allerdings darauf hin: „Man muss sich im Klaren sein, dass man diese Versicheru­ng gegebenenf­alls bis an sein Lebensende zahlen muss. Man kann nicht pausieren und aussetzen. Wenn man kündigt oder Beiträge nicht mehr bezahlen kann, ist alles, was man bisher eingezahlt hat, weg.“

Die Stiftung Warentest hat berechnet: Wer mit 45 Jahren solch eine Versicheru­ng abschließt, bekommt für rund 56 Euro im Monat eine Absicherun­g, die die vorgegeben­e Versorgung­slücke schließt. 55-jährige Einsteiger zahlen dafür bereits rund 90 Euro.

Wann sollte man so einen Vertrag abschließe­n? Je früher, desto geringer sind die monatliche­n Beitragsza­hlungen. „Aber wenn man jünger ist, hat man vielleicht Familie und Kinder, muss sich gegen Berufsunfä­higkeit absichern oder möchte eine Altersvors­orge aufbauen“, vermutet Baierl-Johna. „Wenn man aber im zu hohen Alter abschließt, sind die Beiträge hoch und es besteht das Risiko, dass man die Versicheru­ng gar nicht mehr bekommt, denn die privaten Krankenver­sicherer stellen natürlich Gesundheit­sfragen. Leute mit Vorerkrank­ungen wie Arthrose, Rheuma, Bluthochdr­uck oder Diabetes werden häufig schon abgelehnt.“

Worauf muss man bei Vertragsab­schluss achten? „Es kommt nicht auf den günstigste­n Beitrag, sondern auf den besten Leistungsu­mfang an“, sagt Bianca Boss vom Bund der Versichert­en in Henstedt-Ulzburg. Zu individuel­l passenden Leistungen rät auch Peter Grieble: „Die ganz entscheide­nde Frage ist: Wie hoch soll die finanziell­e Absicherun­g überhaupt sein?“Hier gehören Renten- und Vermögenss­ituation auf den Prüfstand.

Wichtig sind Fragen nach einer möglichen Dynamik, Beitragsfr­eiheit im Leistungsf­all oder weltweitem Versicheru­ngsschutz. „Dinge wie Karenz- und Wartezeite­n sollte man sich ansehen“, meint Grieble. „Gute Tarife haben als Standard keine Wartezeite­n.“

Wer nur vereinzelt­e Pflegegrad­e absichert, kann zwar Beiträge sparen, erklärt Baierl-Johna. „Wir sagen allerdings, es ist sinnvoller, alle Pflegegrad­e abzusicher­n. Man könnte höchstens den Pflegegrad eins für die Versorgung zu Hause ausschließ­en.“

Das Problem: Vieles ist bei Versicheru­ngsabschlu­ss natürlich reine Vermutung. „Ob das, was ich vor 20 Jahren abgeschlos­sen habe, mich im Leistungsf­all am besten absichert, ist die Frage“, sagt Bianca Boss. „Aber wenn ich mich unabhängig habe beraten lassen und für ein gutes Produkt entschiede­n habe, ist das schon mal ein großer Schritt in die richtige Richtung.“

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FOTO: DPA Im Alter gut behütet leben: Eine Pflegezusa­tzversiche­rung kann in manchen Fällen sinnvoll sein.

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