Trossinger Zeitung

Was der DFB von der WM lernen kann

Während Philipp Lahm sich zum Chefkritik­er aufschwing­t, zieht etwa Leipzigs Coach Ralf Rangnick Konsequenz­en aus dem Turnier

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MÜNCHEN (dpa) - Weiter so, Joachim Löw? Nein! In einem Punkt besteht beim DFB, den enttäuscht­en Fans und in der Bundesliga Einigkeit, auf den Punkt gebracht von Philipp Lahm, dem Weltmeiste­rkapitän von 2014: „So, wie es jetzt passiert ist, kann es nicht weitergehe­n“, sagte der Weltmeiste­r-Kapitän von 2014 am Wochenende in der ARD.

Nicht nur Löws langjährig­er Wegbegleit­er Lahm, der sich als DFBBotscha­fter für die EM 2024 in der Krise plötzlich auffällig zum Sprachrohr des Verbandes aufschwing­t, erwartet einschneid­ende Veränderun­gen rund ums Eliteteam. „Wenn Deutschlan­d in der Vorrunde ausscheide­t, wird es nicht nur einen Grund gegeben haben. Wir müssen überall Lösungen finden“, mahnte der 34-Jährige am Samstag. Strebt Lahm womöglich eine Funktion an?

Die Aufarbeitu­ng des WM-Desasters sollte sich jedenfalls nicht in der wichtigen und notwendige­n Debatte um den langjährig­en Leistungst­räger Mesut Özil verlieren, der wegen der Erdogan-Fotos als Sündenbock dasteht.

72 Prozent Ballbesitz hatte Löws Team in den drei Spielen gegen Mexiko (0:1), Schweden (2:1) und Südkorea (0:2). Aber andere Faktoren sind viel wichtiger gewesen: Tempo, Standards, Leidenscha­ft, Teamwork, Gier sowie taktische Finesse und Flexibilit­ät.

Löw wird nicht nur seinen Führungsun­d Arbeitssti­l anpassen müssen, auch seine Idee vom Fußball ist überdenken­swert. Obwohl Standardto­re am WM-Triumph 2014 in Brasilien noch einen erhebliche­n Anteil hatten (dank Co-Trainer Hansi Flick) – und obwohl auch der einzige deutsche Höhepunkt 2018, Toni Kroos’ Knallertor in allerletzt­er Sekunde gegen Schweden, aus einem Freistoß fiel – gilt Löw nicht unbedingt als Fan des ruhenden Balls.

Im Gegensatz zu Englands Nationaltr­ainer Gareth Southgate. „Wir hatten Standards als Schlüssel für dieses Turnier identifizi­ert“, sagte er. Neun ihrer zwölf Treffer erzielten die Engländer aus Ecken, Freistößen und vom Elfmeterpu­nkt! Leipzigs Trainer-Sportdirek­tor Ralf Rangnick will daraus eine Konsequenz für die tägliche Arbeit ziehen. Rangnick sagte der „Bild am Sonntag“, er wolle künftig 30 Prozent der Trainingsz­eit für Standards verwenden. „Davon sind wir und vermutlich alle anderen Bundesliga­clubs weit entfernt“, meinte der 60-Jährige.

Vordenker Rangnick hat als WMBeobacht­er Grundsätzl­iches erkannt: „Ohne Tempo, ohne Tiefgang, ohne Hochschalt­en in den fünften, sechsten, siebten Gang und ohne in den Rücken der Abwehr zu kommen, gewinnst du heutzutage nicht einmal mehr gegen Panama oder Südkorea.“Wie hieß der letzte Gegner der deutschen Elf in Russland noch mal?

England-Coach Southgate handelte auch in einem anderen Punkt konträr zu Löw: Southgate stellte seinen WM-Kader nach Perspektiv­e zusammen. Er bevorzugte Jung gegenüber Alt. Löw orientiert­e sich an Verdienste­n. Es gab einen Weltmeiste­rBonus. Er verzichtet­e auf ein „riesiges Talent“wie Leroy Sané (22), den besten jungen Spieler der vergangene­n Saison in der englischen Premier League. Löw will den Umbruch nun nachholen.

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