Gut gerüstet
Es ist ja so: Der Trossinger an sich liebt Ritterspiele. Immer noch halten Musikstädter bereitwillig den Musikstädterinnen ritterlich die Autotür auf, und es ist ein böses Gerücht, dass das nur in zwei Fällen der Fall ist: wenn das Auto neu ist oder die Frau.
Viele Traditionen und Angewohnheiten stammen noch aus der Ritterzeit: Den Hut ziehen, wenn man einen Bekannten trifft, seinerzeit öffneten Ritter das Visier, wenn sie sich befreundeten Artgenossen gegenübersahen, das bedeutete, den Schutz aufgeben, also Vertrauen zu zeigen.
Vertrauensbildend ist auch die Maßnahme, die momentan beim Rathaus ergriffen wird. Bürgermeister, Hauptamtsleiter und Gemeinderäte kommen und gehen, aber nun sind sich alle einig: sie wollen die Fenster renovieren. Das Gebäude wird von Kopf bis Fuß eingerüstet, um sich für kommende Jahre zu rüsten. Anschließend können wieder geharnischte Sitzungen darin stattfinden.
Besonders gut gerüstet sind indessen wieder die Stadtwerke: Nicht nur so rechtzeitig wie geplant, auch mit kaum überzogenen Baukosten kann sich der Neubau an der ChristianMessnerund Breitestraße nun präsentieren, die Mitarbeiter stehen mitten im Umzug, wovon sich sogar der beeindruckte CDU-Fraktionsvorsitzende des Bundestages, Volker Kauder, unlängst überzeugen konnte. Nicht nur im Zeit- sondern auch im Kostenrahmen: das ist man in Berlin nicht gewohnt.
Und während hier in der schwäbischen „Provinz“ganz nach Termin die Gerüste entfernt, also quasi „entrüstet“wird, ist die geharnischte Entrüstung bei Berliner Flughafen oder Stuttgart 21 von ganz anderem Charakter …