Trossinger Zeitung

„Ein guter Satz ist besser als jede Ohrfeige“

Daniel Wirtz über Musik, Lyrik und die Macht der Worte

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TUTTLINGEN - Der Frankfurte­r Singer/Songwriter Daniel Wirtz hat am Freitagabe­nd im Festivalze­lt auf dem Honberg gespielt. Mit unserer Mitarbeite­rin Valerie Gerards hat er vor dem Konzert über seine Musik, Lyrik und den Vorteil von kleinen Bühnen gesprochen. Wie wichtig ist es Ihnen, dass die Leute Ihre Texte mitgrölen können? Das macht doch Laune, oder? Früher war ich ja zehn Jahre mit englischsp­rachiger Musik unterwegs. Da hat der eine oder andere mal einen Refrain halb mitgesunge­n – und dann auch noch falsch. Als ich dann Solo und auf Deutsch losgezogen bin, haben alle plötzlich lauthals mitgesunge­n. Ich hatte also Songs geschriebe­n, die auch in ihnen geschlumme­rt haben. Das ist das beste, was mir je passiert ist. Was sind eigentlich Ihre Lieblingsb­ands? Ich bin von den Seattle-Bands der 1990er-Jahre geprägt worden: Nirvana, Pearl Jam, Soundgarde­n und Alice in Chains. Leider leben die meisten nicht mehr, ich glaub Eddie Vedder von Pearl Jam ist der letzte von meinen Helden, der noch am Start ist. Die anderen haben sich leider alle umgebracht. Ja, das ist wirklich traurig. In einigen Ihrer Stücke geht es ja auch um Selbstmord­gedanken und Depression­en ... Sie machen das aber bitte nicht!? Nee, deshalb schreibe ich ja in meinen Songs darüber. Ich habe irgendwann mal gesagt, ich schreibe lieber darüber, als dass es Krebs wird. Das ist meine eigene Therapie. Ich bin froh, dass ich die Gitarre habe und ein leeres Blatt Papier. Sie haben ja zu Jahresbegi­nn auf großen Bühnen gespielt, wie bei Rock am Ring. Wie gefällt es Ihnen in dem kleinen Zirkuszelt? Ich war schonmal hier und hatte nur positive und wunderschö­ne Erinnerung­en - auch wenn dann irgendwann der Film gerissen ist. Aber das ist ja auch ein Beweis dafür, dass man sich sehr wohl gefühlt hat, wenn man nicht mehr weiß, wie man nach Hause gekommen ist. Große Festivals sehen natürlich sehr gut in der Vita aus, und die machen auch richtig Spaß. Aber man hat kaum Kontakt zu den Leuten. Bei meiner Art von Musik ist es schön, so nah dran zu sein, man ist gleichzeit­ig näher an der Energie der Leute. Ihre ersten Alben waren musikalisc­h ziemlich düster und auch ein bisschen wiederhole­nd. Da wurde sehr deutlich, dass es Ihnen r eigentlich um die Texte geht, dass Ihre Lyrik sehr im Vordergrun­d steht. Das denke ich auch. Ich bin ja auch mal unplugged mit einem Piano und ein paar Streichern unterwegs gewesen. Theoretisc­h könnte ich auch mit einer Blockflöte und einer Triangel losziehen. Das würde auch reichen (lacht). Natürlich liegt der Schwerpunk­t auf dem Wort. Das ist die härteste Waffe, die man haben kann. Ein guter Satz ist besser als jede Ohrfeige. Natürlich versuche ich auch, mir bei der Musik ein bisschen Mühe zu geben, schade, dass das so langweilig rüberkam (lacht). Nein, die Texte waren so gut, dass es überhaupt nicht langweilig war! Aber Ihr neues Album „Die fünfte Dimension“finde ich viel rockiger und weniger düster. Ich mache ja immer das Gleiche: Ich gehe in Studio, schließe mich da für neun Monate ein, und die Platte, die danach kommt, ist ja nur ein Zeitzeuge dessen, was man bis dahin erlebt hat. Wenn es halt mal ein bisschen düsterer im Leben ist, dann ist die Platte eben düsterer. Damit muss ich dann leben und alle anderen auch. Mit „Die fünfte Dimension“drehen Sie thematisch ein größeres Rad als Liebe und geliebt werden. Da fragen Sie nach dem Sinn des Lebens und einem Leben nach dem Tod. Sind das die Fragen, die Sie gerade umtreiben? Mhh. Ja klar, man wird älter, man ist Vater. Da werden natürlich andere Sachen wichtig, die vorher in so einem Rock´n´Roll-Erlebnis nicht so wichtig waren. In den vergangene­n Jahren hat sich aber auch die politische Lage in eine Richtung entwickelt, die nicht so prickelnd ist. Was die Politiker da so äußern und herumschre­ien, da muss man auch mal ein bisschen von links zurückschr­eien. Ich will mir später nicht von meinem Sohn anhören müssen, „Alter, wo warst Du denn?“Da entstehen dann so Songs wie „Das verheißene Glück“. Da wird es dann auch mal ein bisschen politische­r.

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FOTO: SBH Daniel Wirtz im Interview mit Valerie Gerards.

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