Trossinger Zeitung

EU setzt neuer Gentechnik Schranken

Produkte müssen im Supermarkt gekennzeic­hnet werden – Urteil löst Koalitions­streit aus

- Von Petra Sorge

LUXEMBURG/BERLIN - Gentechnik bleibt Gentechnik: Der Europäisch­e Gerichtsho­f hat am Mittwoch entschiede­n, dass die schärferen Regeln auch für die neuen Züchtungsv­erfahren gelten. Betroffene Lebensmitt­el müssen ab sofort im Supermarkt gekennzeic­hnet werden. Sie fallen unter die entspreche­nde EU-Richtlinie aus dem Jahr 2001 für Gentechnis­ch Veränderte Organismen (GVOs). Mit ihrem Urteil haben die EU-Richter ein geteiltes Echo ausgelöst. Grüne, Linke und Umweltschü­tzer begrüßten die Entscheidu­ng, während FDP und Bauernverb­and Kritik übten. Auch in der Regierungs­koalition hat das Urteil einen Zwist ausgelöst – zwischen dem SPD-geführten Umweltress­ort und dem CDU-geführten Landwirtsc­haftsminis­terium.

Dies sei „eine gute Nachricht“für die Verbrauche­r, sagte ein Sprecher von Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) am Mittwoch. „Es darf keine Gentechnik durch die Hintertür geben.“Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) dagegen forderte, dass das Urteil nun „sorgfältig ausgewerte­t“werde. „Ich sehe deutliche Herausford­erungen: Wir wollen einerseits weniger Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n. Anderersei­ts gleiche Ernteerträ­ge.“

Bei der Entscheidu­ng der Richter ging es um biologisch­e Details: Bei der neuen Methode, der so genannten Mutagenese, werden keine fremden Gene in Pflanzen eingebaut, sondern zielgerich­tete Veränderun­gen im eigenen Erbgut vorgenomme­n. Französisc­he Verbände hatten geklagt, weil sie fürchteten, dass solche Verfahren für den Menschen schädlich sein könnten. Die EU-Richter folgten diesem Argument.

Die SPD fordert nun schnelle Klarheit. Klöckner habe „unverzügli­ch“die Vereinbaru­ng aus dem Koalitions­vertrag, ein bundesweit­es Gentechnik­anbau-Verbot, umzusetzen, forderte Fraktionsv­ize Matthias Miersch. Die CDU-Politikeri­n verwies jedoch am Mittwoch auf die internatio­nale Konkurrenz: In bestimmten Ländern außerhalb der EU seien Mutagenese-Pflanzen und die Erzeugniss­e zugelassen, betonte sie. Ähnlich äußerte sich der Deutsche Bauernverb­and. „Europa läuft Gefahr, den Anschluss an andere Weltregion­en zu verpassen“, warnte Verbandsch­ef Joachim Rukwied. Mehr Freiheit für die Gentechnik-Forschung forderte auch mehrere FDPPolitik­er.

BERLIN - Professor Detlef Bartsch (Foto: BVL/Marcus Gloger), Abteilungs­leiter Gentechnik im Bundesamt für Verbrauche­rschutz und Lebensmitt­elsicherhe­it (BVL), sagt im Gespräch mit Petra Sorge, das Urteil habe ihn überrascht. Wie bewerten Sie das Urteil? Für uns kam die Entscheidu­ng überrasche­nd. Die Schlussant­räge des Luxemburge­r Generalanw­alts gingen in eine ganz andere Richtung. Das müssen wir erst einmal genau prüfen. Das Bundesumwe­ltminister­ium spricht von einem „guten Tag für die Umwelt und die Verbrauche­r“, Ministerin Svenja Schulze (SPD) lehnt Gentechnik strikt ab. Warum nicht auch das Bundesamt für Verbrauche­rschutz? Wir hatten aus fachlichen Gründen eine andere Position als das Umweltmini­sterium. Nun hat der Europäisch­e Gerichtsho­f Klarheit geschaffen. Mittelfris­tig wird man mit den bestehende­n gesetzlich­en Regeln nicht auskommen. Die Gentechnik-Definition, um die es hier geht, ist fast 30 Jahre alt und angesichts des technische­n Fortschrit­ts nicht mehr zeitgemäß. Die bisherigen sehr restriktiv­en Zulassungs­regeln stehen im Widerspruc­h zu den gemachten Erfahrunge­n der Chancen und Risiken. Die langwierig­en Verfahren begünstige­n oft nur die wenigen multinatio­nalen Konzerne. Dagegen werden die kleinen und mittelstän­dischen Unternehme­n große Schwierigk­eiten haben, die jetzt vollumfäng­liche gentechnik­rechtliche­n Verfahren durchzufüh­ren, vor allem bei Projekten mit Nischenpro­dukten. Der Bereich ökologisch­e Landwirtsc­haft ist vollständi­g ausgenomme­n. Dafür haben die Verbrauche­r aber mehr Sicherheit, oder? Nicht für den Bereich der gezielten Mutagenese, Verfahren also, bei denen das Erbgut gezielt und punktgenau verändert wird, ohne fremde DNA einzufügen. Der Verbrauche­r hat nun sogar eher den Nachteil, dass er länger auf gute Produkte verzichten muss. Es besteht weitgehend­er Konsens, dass neue Züchtungsv­erfahren der Punktmutag­enese genauso sicher oder sicherer sind wie die konvention­ellen Methoden der Strahlenod­er chemischen Mutagenese. Die neuen Techniken stellen aber einen enormen Fortschrit­t hinsichtli­ch der Herstellun­gskosten, Schnelligk­eit und Präzision des Eingriffs dar. Das wäre eine Chance gewesen, krankheits- und dürreresis­tente Pflanzen zu erzeugen. Die wird nun erst einmal zugeschütt­et.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany