Wie Trossingen zum Schülerhort kam
Zur Schließung erinnert sich Christa Reininger an die Anfangszeit.
TROSSINGEN - 40 Jahre lang wurden Trossinger Schüler im Schülerhort betreut, der nun seine Pforten geschlossen hat - die Nachmittagsbetreuung liegt ab September in den Händen der Rosenschule, die dann eine Ganztagesschule wird. Dabei war diese Aufgabe nicht immer in öffentlicher Hand: Bis der Hort 1984 von der Stadt übernommen wurde, wurde die Arbeit vor allem von den engagierten Ehrenamtlichen des Kinderschutzbundes geschultert.
Denn „die Geschichte des Horts ist die Geschichte des Kinderschutzbundes“, sagt Christa Reininger. Die Seniorin ist Gründerin und Ehrenvorsitzende des Deutschen Kinderschutzbunds Trossingen-Baar. Der Startschuss des Vereins fiel, als Christa Reininger - damals engagierte Lokalpolitikerin - 1973 auf Gerlinde Ballier traf. Die Erzählungen der Vorsitzenden des Tuttlinger Kinderschutzbundes von ihrer Vereinsarbeit begeisterten Reininger so sehr, dass sie ein Jahr später einen Kinderschutzbund in Trossingen aus der Taufe hob.
In seinen Anfängen bestand der Verein aus sieben Mitgliedern, die sich in Reiningers Wohnung trafen. „Wir hatten nichts, nur ein Papier mit Stempel.“Also marschierte sie zum damaligen Bürgermeister Heinz Mecherlein - und der Kinderschutzbund zog bald drauf ins alte AOK-Gebäude neben dem Rathaus um. Zu dieser Zeit betreuten die Ehrenamtlichen Kinder in Heimen, die oft in die eigenen Familien eingeladen wurden, wo sie Mittagessen und Hilfe bei den Hausaufgaben bekamen - sie sollten später die ersten Hortkinder werden.
Der Schülerhort kam allerdings erst ins Spiel, als Jahre später das AOK-Gebäude, in dem der Kinderschutzbund ansässig war, abgerissen wurde. 1975 hatten die Ehrenamtlichen eine eigene Satzung erarbeitet und durften nun als Verein in die alte Villa Ernst Hohner in der Bahnhofstraße umziehen. In der Villa, die sich der Kinderschutzbund mit der Volkshochschule und der Jugendmusikschule teilte, standen drei Räume zur Verfügung. „Elisabeth Saradeth machte den Vorschlag, unsere Heimkinder dort zu betreuen“, erinnert sich Reininger. Saradeth nahm die Sache auch selbst in die Hand: „Sie war die erste, die gesagt hat, wir sollten einen Schülerhort gründen.“Gesagt, getan: Die Ehrenamtlichen baten in der Stadt um Möbel und Spielzeugspenden - und lernten schnell, welche Vorschriften sie für den Hort erfüllen mussten.
Neben den Betreuungskindern brachten sie auch ihre eigenen Söhne und Töchter in die Villa: „Es ging ruck-zuck, da kamen auch andere Schüler“, berichtet Reininger. Bis zu 35 Jungen und Mädchen tummelten sich in der Bahnhofstraße, darunter viele, die sonst mittags alleine zuhause gewesen wären, weil die Eltern arbeiteten. Schnell war klar: Die Ehrenamtlichen brauchten Verstärkung. „Das Rottweiler Arbeitsamt schickte und finanzierte daraufhin zwei Helfer.“Der Kinderschutzbund stand nun vor der Aufgabe, Ordnung und Struktur zu schaffen,. „Da wir keine Zuschüsse bekamen, war das eine Riesenarbeit“, stellt Reininger fest.
Und auch in der Führung des Horts änderte sich etwas: Elisabeth Saradeth gab die Leitung ab. Auf ihre Nachfolgerin folgte später mit Werner Langmaier der erste Mann. „Das war vor allem für die Jungen toll“, so Reininger, „er hat mit ihnen gebastelt und gehämmert, die waren ganz begeistert.“Bertha Kiehn führte indessen ein gemeinsames Vesper im Hort ein. Ab Mitte der 70er-Jahre schloss die Betreuung im Hort auch die vietnamesischen Flüchtlingskinder ein, deren Familien vor dem Vietnamkrieg geflohen waren. „Gemalt haben sie nur in schwarz. Es hat lange gedauert, bis sie zu Farbstiften gegriffen haben“, sagt Reininger.
Aus dem Schülerhort war zu dem Zeitpunkt eine Erfolgsgeschichte geworden - das zeigte sich nicht nur an den vielen verschiedenen Nationen und sozialen Schichten, die dort harmonisch gemeinsam Zeit verbrachten.
Die Ära des ehrenamtlichen Schülerhorts endete 1984. Das Haus in der Bahnhofstraße wurde verkauft, der Kinderschutzbund wechselte in die Friedensschule und die Stadt zog den Hort im bisherigen Gebäude in der Villa Kunterbunt komplett neu auf. Statt Ehrenamtlichen war jetzt das Sozialwerk verantwortlich - die Erfolgsgeschichte hat sich trotzdem bis zum Ende dieses Schuljahres fortgeschrieben.
„Da wir keine Zuschüsse bekamen, war das Riesenarbeit“, sagt Gründerin Christa Reininger