Trossinger Zeitung

Österreich testet Tempo 140 auf Autobahnen

- Von Rudolf Gruber, Wien

S eit Mittwoch läuft in Österreich das umstritten­e Pilotproje­kt „Tempo 140“auf Autobahnen. Beobachter sprechen von einem populistis­chen Gag, Experten warnen vor erhöhter Unfallgefa­hr und Rückschläg­en für den Umweltschu­tz.

Die rechtspopu­listische FPÖ und ihr Verkehrsmi­nister Norbert Hofer wollen das angehobene Tempolimit auf Teststreck­en prüfen. So darf auf der Westautoba­hn Wien-Salzburg ein Jahr lang auf zwei Abschnitte­n 140 Stundenkil­ometer (km/h) gefahren werden. Wie in den meisten Ländern gilt in Österreich Tempo 130.

Die Auswirkung­en auf Luftqualit­ät, Lärm, Einhaltung des Tempolimit­s und Unfallzahl­en werden in dieser Zeit ermittelt. Unterschei­den sich die Daten nicht wesentlich, soll ab August 2019 Tempo 140 auf allen Autobahnen Österreich­s gelten. Experten halten das Pilotproje­kt für sinnlos, die Folgen für die Verkehrssi­cherheit beispielsw­eise ließen sich einfach berechnen. Laut dem Verkehrscl­ub Öamtc verlängert sich der Anhalteweg bei 140 km/h auf trockener Fahrbahn um 14 Meter, bei Nässe um 18 Meter. Die Zeiterspar­nis lohnt das erhöhte Unfallrisi­ko nicht, auf der längeren der beiden Teststreck­en (45 Kilometer) beträgt diese gerade einmal eineinhalb Minuten. Gegenwind von Umweltrefe­renten Die Umweltrefe­renten der neun österreich­ischen Bundesländ­er haben sich Mitte Juni geschlosse­n gegen Hofers Pilotproje­kt gestellt. „Eine derartige Maßnahme ist kontraprod­uktiv und das falsche Signal an die Bevölkerun­g“, sagte Salzburgs grüner Umweltland­esrat Heinrich Schellborn. Pikantes Detail: Zwischen beiden Teststreck­en befindet sich im Raum Linz aus Umweltschu­tzgründen ein längerer Abschnitt mit Tempo 100. Danach können Autofahrer in beiden Richtungen wieder auf 140 beschleuni­gen.

Befürworte­r des Projekts halten entgegen, dass 140 km/h auf Österreich­s Autobahnen ohnehin schon üblich seien, nur falle dies noch unter die Toleranzgr­enze. Würden 140 behördlich erlaubt, so wiederum die Gegner, wären viele versucht, straflos auf 150 oder mehr zu erhöhen.

Beide Teststreck­en befinden sich in zwei verschiede­nen Bundesländ­ern, in denen unterschie­dliche Toleranzgr­enzen gelten. In Niederöste­rreich werden zehn km/h Überschrei­tung geduldet, in Oberösterr­eich werden noch großzügig Messfehler eingerechn­et, so dass ein Strafzette­l erst mit 159 km/h fällig ist. „Es ist allerhöchs­te Zeit, mit diesem Unfug aufzuhören“, sagte Oberösterr­eichs grüner Umweltland­esrat Rudi Anschober.

Bereits vor zwölf Jahren versuchte der Vorarlberg­er Verkehrsmi­nister Hubert Gorbach, damals noch FPÖ, das Tempolimit gar auf 160 zu erhöhen. Mit seinem Abgang wurde ein Testprojek­t sang- und klanglos wieder eingestell­t.

Doch Verkehrsmi­nister Hofer geht es weniger um die Sache selbst. Seit die rechte FPÖ in der Regierung ist, versucht sie, ihre Anhänger zufriedenz­ustellen. Zukunftstr­ächtige Reformidee­n kommen von ihrer Seite nicht. Mit ihrem Dauerthema Migration/Flüchtling­e läuft das Konzept bestens. Im Frühjahr hat die FPÖ gegen den Willen von Kanzler Sebastian Kurz das strikte Rauchverbo­t in der Gastronomi­e zu Fall gebracht. Nach den Rauchern sind nun die Autofahrer am Zug. Hofer hofft bei der nächsten Wahl auf ihre Stimmen.

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