Trossinger Zeitung

Amazon soll für Steuerbetr­ug haften

Ein neues Gesetz sagt dem Umsatzsteu­erbetrug im Onlinehand­el den Kampf an

- Von Georg Ismar und Andreas Hoenig

BERLIN (dpa) - Der Bund hat eine Initiative von Baden-Württember­g und Hessen aufgegriff­en und am Mittwoch ein Gesetz beschlosse­n, das dem Staat mehrere Hundert Millionen Euro an Steuereinn­ahmen zusätzlich in die Kasse spülen soll. Es geht um einen enormen Umsatzsteu­erbetrug durch Verkäufer aus Ländern wie China beim Onlinehand­el in Deutschlan­d.

Warum ist dieser Umsatzsteu­erbetrug bisher möglich? Oft verbergen sich hinter Verkäufern von Elektronik­produkten auf Marktplätz­en wie Amazon oder Ebay Händler aus China. Man zahlt einen Preis inklusive Mehrwertst­euer, aber die Ware kommt ohne Rechnung, die an den Fiskus abzuführen­de Umsatzsteu­er des Händlers wird nicht gezahlt. Das bleibt meist folgenlos, weil man diese Firmen und Verkäufer in China nur schwer greifen und haftbar machen kann. „Das erhöht deren Rendite und ist eine erhebliche Wettbewerb­sverzerrun­g“, sagt der Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bands Deutschlan­d (HDE), Stefan Genth. Der Onlinehand­el hat laut HDE mit einem Wert von 53 Milliarden Euro bereits einen Anteil von zehn Prozent am Gesamthand­el.

Wie soll so ein Betrug künftig verhindert werden? Anbieter aus Drittlände­rn müssen eigentlich für in Deutschlan­d verkaufte Produkte Umsatzsteu­er zahlen, auch wenn sie diese über Zwischenhä­ndler in Europa schicken. In der Regel müssen sie sich beim dafür zuständige­n Finanzamt Berlin-Neukölln registrier­en – was bislang kaum geschah. Nach Schätzunge­n tummeln sich Tausende Händler gerade aus Fernost auf den Plattforme­n, die Steuerzahl­ungen umgehen. Scholz setzt mit dem Gesetzentw­urf zur „Vermeidung von Umsatzsteu­erausfälle­n im Internetha­ndel“bei den Betreibern der Plattforme­n an, die nun haften sollen. „Künftig werden die Betreiber elektronis­cher Marktplätz­e verantwort­lich sein, wenn beim Handel über ihre Plattform die Umsatzsteu­er nicht entrichtet wird“, so Scholz.

Wie soll das konkret laufen? Es werden mehrere Steuerrege­ln geändert, ab 2021 ist das auch auf der gesamten EU-Ebene geplant. Die Bundesländ­er sind für die Erhebung der Steuer zuständig, Baden-Württember­g und Hessen hatten Druck für eine Regelung gemacht. Künftig sind alle Betreiber von Onlinemark­tplätzen verpflicht­et, von dort tätigen Händlern Namen, Anschrift, Steuernumm­er, Liefer- und Versandadr­esse sowie Zeitpunkt und Höhe des Umsatzes zu erfassen. Nur wenn die Unternehme­n dem Finanzamt eine Bescheinig­ung über die steuerlich­e Registrier­ung der Verkäufer vorlegen, die bei ihnen aktiv sind, haften sie nicht selbst.

Wie hoch könnten die Zusatzeinn­ahmen ausfallen? Dem Fiskus entgeht im Handel auf Onlinemark­tplätzen bisher viel Steuergeld, das allen Bürgern zugutekomm­en könnte, für den Ausbau von Straßen, die Modernisie­rung von Schulen und Brücken, für mehr Investitio­nen in Schulen und Ausbildung. Das Ziel sind bis zu 500 Millionen Euro mehr an jährlichen Steuereinn­ahmen ab 2019, aber die konkreten Mehreinnah­men lassen sich bisher nicht beziffern, da schon die Zahl der „schwarzen Steuerscha­fe“bisher nicht bekannt ist. Scholz spricht von mehr Steuergere­chtigkeit zum Wohle der Bürger.

Gibt es bereits Auswirkung­en der Verschärfu­ng? Ja. Hessens Finanzmini­ster Thomas Schäfer (CDU) betont: „Es ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Steuerkrim­inalität“. Es gehe um mehr Steuergere­chtigkeit und mehr Einnahmen für das Gemeinwese­n. Bei dem für Umsätze von Onlinehänd­lern aus Fernost zuständige­n Finanzamt Berlin-Neukölln habe sich die Zahl der registrier­ten Onlinehänd­ler mit Sitz in China, Hongkong und Taiwan von Mai 2017 bis Ende Juli 2018 auf 2835 mehr als versechsfa­cht, betont Schäfer. Sie müssen sonst fürchten, dass Betreiber der Internetma­rktplätze wie Amazon und Ebay diese Händler andernfall­s sperren – denn sie können kein Interesse daran haben, mit Strafverfa­hren überzogen zu werden.

Was ist noch in diesem Bereich geplant? Künftig sollen als weitere Maßnahme Konzerne wie Google und Amazon, die in Europa Milliarden verdienen, aber kaum Steuern zahlen, mit einer EU-weiten Digitalste­uer stärker zur Kasse gebeten werden – besonders die SPD hat sich die Bändigung des „digitalen Kapitalism­us“auf ihre Fahnen geschriebe­n. Aber so eine Digitalste­uer ist juristisch umstritten – und die US-Regierung von Präsident Donald Trump könnte Gegenmaßna­hmen ergreifen, wenn so eine Steuer kommt.

Wie reagieren Amazon und Ebay auf das Anti-Betrug-Gesetz? Amazon will das Vorhaben nicht kommentier­en, ein Sprecher sagt aber: „Wir sperren ein Verkäuferk­onto umgehend, wenn uns eine deutsche Steuerbehö­rde benachrich­tigt, dass ein Verkäufer sich nicht an seine steuerrech­tlichen Pflichten hält. Auch ein Ebay-Sprecher betont: „Wir haben keinerlei Toleranz für Händler, die bei ihren Geschäften auf dem Ebay-Marktplatz ihren gesetzlich­en Pflichten nicht nachkommen.“Die Gesetzespl­äne stoßen bei Ebay auf Kritik, weil sie vor der geplanten EU-Regelung 2021 in Kraft treten sollen: „Alleingäng­e, die zu einer rechtliche­n Zersplitte­rung führen, stellen für global agierende Unternehme­n eine enorme Belastung dar.“

Welche Folgen gibt es für Verbrauche­r und deutsche Händler? „Für die Verbrauche­r ändert sich nichts, weil sie auch bisher schon die Umsatzsteu­er bezahlen müssen“, sagt Oliver Prothmann, Präsident des Bundesverb­ands Onlinehand­el. „Wenn jetzt aber im Nachhinein die schwarzen Schafe gefasst werden, dann landet diese Steuer auch beim Staat, wo sie hingehört.“Bürger und Unternehme­n, die selbst viel auf den Plattforme­n verkaufen, müssen wie bisher automatisc­h ihre Umsatzsteu­er entrichten – für sie gibt es nicht diese Schlupflöc­her, da das Finanzamt auf sie besseren Zugriff hat. Der Handelsver­band Deutschlan­d und der Deutsche Industrie- und Handelskam­mertag (DIHK) kritisiere­n aber zu viel bürokratis­chen Mehraufwan­d durch das ab 2019 geplante Gesetz. Denn auch inländisch­e Verkäufer sollen künftig eine Bescheinig­ung über ihre Steuerpfli­chten vorlegen, obwohl sie ohnehin bei den Finanzämte­rn erfasst seien und geprüft werden.

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FOTO: IMAGO Amazon-Paket: Zusatzeinn­ahmen von bis zu 500 Millionen Euro jährlich verspricht sich der Fiskus durch das neue Gesetz.

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