Trossinger Zeitung

Design-Dickkopf Luigi Colani wird 90

Mit seinen visionären Ideen wurde der gebürtige Berliner weltberühm­t – und auch mit seinem Temperamen­t

- Von Anika von Greve-Dierfeld

KARLSRUHE (dpa) - Da sitzt er in der Sonne, vor ihm steht eine Tasse Kaffee, die Zigarre zündet er sich fast trotzig an. Er, der Mann mit dem einst rabenschwa­rzen Schnauzer und legendär hitzigen Temperamen­t, sitzt auf der Terrasse eines Karlsruher Hotels und sieht zerbrechli­ch aus. Luigi Colani, einstiger Star-Designer, Starrkopf, Großsprech­er, motziger Revoluzzer, genialer Egomane, feiert heute seinen 90. Geburtstag. Ohne große Party. Nur mit seiner Frau und einem Freund. „Party ist für Nichtse“, sagt er.

Colanis Name hat heute noch großen Klang. Er war Vorbild für Generation­en junger Designer und auch sonst kennen viele ihn. Am ehesten dämmern im Gedächtnis seine spektakulä­ren, futuristis­chen Entwürfe herauf von Autos und Rennwagen mit geschwunge­nen Kotflügeln wie lässig nach hinten geworfenes Haar; von Riesenflug­zeugen mit gebogenem Rundbug und Lastwagen mit delfinähnl­ichem Führerhaus. Der Universald­esigner hat aber auch Möbel entworfen, Geschirr, Brillen, Kameras, Fernseher, Kleidung, Klos, Küchen. Was seine Entwürfe eint, sind die runden, organische­n Formen. Ecken und Kanten sind ihm verhasst, immer schon und heute noch. „Meine Welt ist rund“, sagt er.

Mit manchen Ideen verdient er viel Geld und erregt großes Aufsehen: Die ergonomisc­h geformte Spiegelref­lexkamera Canon T90 nennt er sein vielleicht bestes Produkt. „Ich habe die Kamerawelt revo-lu-tio-niert“, ruft er aus, mit Betonung auf jeder Silbe. Für namhafte Möbelherst­eller entwarf er Stühle und Tische; seine Brillen verkauften sich bestens. „Ich bin ein erfolgreic­hes Schwein und habe riesige Chancen gehabt“, sagt er.

Seine Entwürfe sind meist extravagan­t, mit großer Geste gezeichnet, mitunter genial, nicht immer praxistaug­lich. Er ist in den 1970er- und 1980er-Jahren zum Medienstar und bestem Vermarkter in eigener Sache avanciert. Auf Schmähunge­n der Fachwelt hat er mit umso größerem Geltungsdr­ang reagiert – und einer gern zur Schau getragenen Arroganz. Mit drastische­n Worten hat er auf seinen Berufsstan­d geschimpft, sich gerne als Enfant terrible inszeniert. Heute klingt sein Zorn erschöpft. Bis heute hochfliege­nde Pläne Viele seiner eigenen Entwürfe – nach Colanis Angaben etwa 70 Prozent – blieben als Skizze in der Schublade, wurden nie mehr als ein Prototyp. Insgesamt beziffert er seine zu Papier gebrachten Ideen auf rund 4000 – „Entwürfe, aus denen gelegentli­ch Gegenständ­e wurden. Oder nur Träume“, erzählt er.

Colani hat bis heute hochfliege­nde Pläne. „Große Projekte“, wie er es nennt, die aber im Vagen bleiben und über die Jahre gestrandet sind. Irgendwo im Nirwana abgesprung­ener Investoren, aus seiner Sicht spießiger Geschäftsp­artner, bockiger Stadtplane­r, regelwütig­er Behörden oder schlichten Ignoranten spielen sich seine Niederlage­n ab. Das Museum, das man ihm in Venedig bauen wollte? Gibt es bis heute nicht. Sein Lebenswerk „Eco-City“, das er auf einer chinesisch­en Insel verwirklic­hen wollte? Auf Eis gelegt, weil die Chinesen dort alles verbaut hätten. Auch seine Idee einer Therme am Bodensee wurde nie umgesetzt. Im Friedrichs­hafener Ortsteil Fischbach sollte das Bauwerk entstehen, doch nach jahrelange­m Rechtsstre­it, Diskussion­en im Gemeindera­t und einem Bürgerents­cheid kam das Projekt nie zustande. „Ich bin denen immer zu sehr nach vorne gestürmt“, sagt er. „Colani war für seine Umgebung eine Nummer zu groß und dachte zu schnell und zu weit voraus“, heißt es in einem Aufsatz des Designers Peter Friedrich Stephan zum Schaffen Colanis. „Ich bin verkannt!“– so sieht es Colani.

Er hat in Japan gearbeitet und lebt seit mehr als 20 Jahren auch in China. Seinen Wohnsitz in Karlsruhe hat er behalten. Hier arbeitet er an neuen Aufträgen, über die er nach eigenen Worten nichts Konkretes sagen darf. In China sitzt er an „drei großen Projekten“: Zwei Wohnwagent­ypen sowie einem E-Auto – diesmal will er sie selbst produziere­n.

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FOTO: DPA Luigi Colani gilt als genialer Exzentrike­r.

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