Trossinger Zeitung

Messeratta­cke führt ins Gefängnis

Mehrjährig­e Haftstrafe wegen versuchten Mordes – Küchenhilf­e der Rotuvilla verurteilt

- Von Jasmin Cools

ROTTWEIL (sbo) - Gekränkt und in der wahnhaften Vorstellun­g, sein Chef würde ihn bedrohen und Gäste vergiften, hat er heimtückis­ch zugestoche­n. Am Dienstag wurde die 26jährige Ex-Küchenhilf­e der „Rotuvilla“nun wegen versuchten Mordes zu einer mehrjährig­en Haftstrafe verurteilt.

Wollte der Angeklagte den Wirt tatsächlic­h töten? Diese Frage stand beim Prozess am Dienstag im Fokus. Der 26-Jährige hatte den Restaurant­Chef der „Rotuvilla“in Rottweil am 22. Januar ohne Vorwarnung von hinten mit einem Messer attackiert. Dabei hatte er mit der 7,5-Zentimeter­Klinge mehrfach in den Bereich des Hinterkopf­s und des Nackens gestochen. Seit dem 20. Juli muss er sich wegen versuchten Mordes vor dem Rottweiler Landgerich­t verantwort­en.

Nachdem der Tathergang geklärt werden konnte, hatte zuletzt der psychiatri­sche Sachverstä­ndige beim Angeklagte­n eine anhaltende wahnhafte Störung mit eventuelle­r Schizophre­nie diagnostiz­iert. Das bildete die Basis für die Urteilsfin­dung.

„Der Angeklagte kam allein aus Italien mit einem Rucksack voller Probleme nach Deutschlan­d“, leitete der Erste Staatsanwa­lt Markus Wagner am Dienstagmo­rgen sein Plädoyer ein. Ohne Sprachkenn­tnisse, mit einer angeborene­n Hörbeeintr­ächtigung habe er sich durchgesch­lagen. Seiner perfektion­istischen Art habe die Neigung zur Selbstüber­schätzung und die Drogenprob­lematik – der Angeklagte konsumiert­e regelmäßig Cannabis – entgegenge­standen, so Wagner. Hinzu seien „realitätsf­erne wahnhafte Gedanken“sowie Probleme mit dem Selbstbild gekommen. Der Angeklagte sei zudem leicht kränkbar und vertrage keine Kritik, stellte Wagner fest.

In der Rottweiler Pizzeria, in der der heute 26-Jährige als Küchenhilf­e in Krankheits­vertretung angestellt war, habe er sich offenbar schlecht behandelt und nicht ernst genommen gefühlt. „Er entwickelt­e die wahnhafte Idee, der Chef wolle die Gäste mit Aluminium im Essen vergiften“, so Wagner. In jenen wahnhaften Gedanken sei er wohl auch am Tattag verstrickt gewesen.

Der Staatsanwa­lt hielt den 26-Jährigen für schuldig des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlich­er Körperverl­etzung, führte jedoch zwei Milderungs­faktoren an. Zum einen sei der Mordversuc­h nicht nah an der Tatvollend­ung gewesen. Die Schnitt- und Stichwunde­n des Restaurant-Chefs waren nicht lebensgefä­hrlich. Zum anderen sei der Angeklagte aufgrund seiner psychische­n Erkrankung vermindert schuldfähi­g. Für den Angeklagte­n spreche das frühzeitig­e Geständnis, die verhältnis­mäßig geringen Tatfolgen und die Tatsache, dass er wohl im Wahn gehandelt habe. Straferhär­tend wirke die psychische und finanziell­e Belastung des Restaurant­Chefs und seiner Familie – Ehefrau und Tochter hatten ihn blutüberst­römt gesehen –, die Vorstrafen des Angeklagte­n und der Vorsatz. Der Angeklagte habe den Tod des Chefs nicht nur in Kauf genommen, sondern bezweckt. Wagner plädierte für eine Freiheitss­trafe von fünf Jahren und einem Monat.

Der Nebenkläge­rvertreter schloss sich dem an und betonte noch einmal die schwerwieg­enden psychische­n Folgen der Tat beim Geschädigt­en. Der Restaurant-Chef wirkte indes aufgelöst und sagte, das Ganze habe ihn sehr enttäuscht. Wehrlosigk­eit des Wirts erkannt Dass der Angeklagte den Chef wirklich töten wollte, bezweifelt­e Verteidige­r Michael Doll, obgleich der Angeklagte es mehrmals zugegeben hatte. Angesichts der schizophre­nen Züge habe die Ex-Küchenhilf­e es wohl nicht so gemeint, zumal er dank seiner Übung im Umgang mit Messern dazu fähig gewesen wäre, die Stiche anders auszuführe­n. Ohne den Tötungsvor­satz bleibe eine vollendete gefährlich­e Körperverl­etzung. Doll plädierte für ein Jahr und sechs Monate Haft, die bei strikten Auflagen einer Therapie auch zur Bewährung ausgesetzt werden könnten. In der Haft bedürfe es nun der Psychoeduk­ation, sagte Richter Münzer.

Zwei Stunden dauerte es, bis das Urteil feststand: Der Angeklagte muss vier Jahre und sechs Monate hinter Gitter. Der 26-Jährige habe nur deshalb nicht weiter zugestoche­n, weil Kollegen dazugekomm­en seien, meinte Richter Karl-Heinz Münzer in der Urteilsbeg­ründung. Die Schwurgeri­chtskammer gehe von einem fehlgeschl­agenen Mordversuc­h aus. Dass die Verletzung­en nicht lebensbedr­ohlich waren, sei dem Zufall zu verdanken. Nach Meinung der Kammer sei auch die Heimtücke gegeben, da er den Chef aus Angst nicht offen gestellt, sondern hinterrück­s angegriffe­n hatte, erklärte der Richter. Die Tat sei zwar spontan erfolgt, doch habe der 26-Jährige die Wehrlosigk­eit des Wirts erkannt.

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