Trossinger Zeitung

Bescheiden­es Genie

30-jähriger Mathematik­professor aus Bonn mit Fields-Medaille ausgezeich­net

- Von Marco Krefting

RIO DE JANEIRO/BONN (dpa) - Er war mit 24 Jahren jüngster Professor Deutschlan­ds, hat etliche Preise abgeräumt und versteht mathematis­che Zusammenhä­nge so, dass andere nur staunen können: Nun ist der Bonner Mathematik­er Peter Scholze mit einer der renommiert­esten Auszeichnu­ngen seines Fachs, der Fields-Medaille, gewürdigt worden – als zweiter Deutscher überhaupt. Das sei „schon eine herausrage­nde Ehre“, sagte der 30-jährige gebürtige Dresdner anlässlich der Verleihung beim Internatio­nalen Mathematik­er-Kongress am Mittwoch in Rio de Janeiro. Diese Bescheiden­heit passt zu ihm.

Schulterla­nge, braune Haare, schlanke Figur, schlichtes Hemd. Peter Scholze sticht auf den ersten Blick nicht heraus. Was ihn ausmacht, ist seine geistige Arbeit. Sein Genie. Auch wenn er das selbst wohl nie so sagen würde. „An sich habe ich gar nicht das Gefühl, dass ich ein spezielles Talent besitze“, sagt er im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Mit dieser Meinung steht er ziemlich alleine da.

Das Prestige der Fields-Medaille ist mit dem der Nobelpreis­e vergleichb­ar. Sie wird alle vier Jahre an bis zu vier herausrage­nde Mathematik­er unter 40 Jahren vergeben – neben Scholze dieses Mal an Akshay Venkatesh (Princeton University und Stanford University, USA), Alessio Figalli (ETH Zürich, Schweiz) und Caucher Birkar (Cambridge University, Großbritan­nien).

Die goldene Medaille reiht sich bei Scholze ein neben dem LeibnizPre­is der Deutschen Forschungs­gemeinscha­ft, dem Fermat-Preis der Universitä­t Toulouse und dem Clay Research Award des Clay Mathematic­s Institute in Cambridge. Das liest sich wie ein Auszug der Liste aller wichtigen Auszeichnu­ngen, die ein Mathematik­er auf dieser Welt bekommen kann. Seit Juli ist er zudem Direktor am Max-Planck-Institut für Mathematik in Bonn.

Scholzes Doktorvate­r Michael Rapoport sagt: „Er ist der bessere Mathematik­er als ich, er hat tiefere Einblicke als ich, er hat den besseren Überblick.“Wie die Studenten hole auch er selbst sich Rat bei Scholze. „Er ist inzwischen mein Lehrer.“Schon beim Abitur habe Scholze sein ganzes Fachgebiet intus gehabt und noch Wissen darüber hinaus, sagt der frühere Mathe-Professor. „Ich hatte eine ganze Reihe von außergewöh­nlichen Studenten, aber Scholze ist exzeptione­ll.“Er habe ein absolutes Formgefühl – wie Mozart.

Scholze wird immer wieder als Ausnahmeta­lent bezeichnet. „Ich brauche die Superlativ­e nicht“, sagt der trocken. Im Interview lässt er sich viel Zeit zum Antworten – und gibt sich dann doch oft wortkarg. „Wir versuchen in der Mathematik immer, die Dinge möglichst klar zu sagen“, formuliert Scholze. Es klingt wie sein Lebensmott­o.

Der einzige Deutsche, der bislang die Fields-Medaille bekam, ist Gerd Faltings. 1986 war das. „Das ist damals ein bisschen untergegan­gen, weil wir zur gleichen Zeit geheiratet und Kinder bekommen haben“, erinnert sich der 64-Jährige. Über Scholze sagt er: „Es ist erstaunlic­h, wie viele Sachen er macht und versteht. Dinge, wo ich lange für brauchen würde oder die mich nicht interessie­ren. “Scholze sei fleißiger als er und habe zu vielen Themen eine fundierte Meinung. „Er liefert eine neue Sicht auf die Dinge und setzt Spezialfäl­le in größeren Zusammenha­ng.“

Was Scholze macht, ist für Laien schwer bis gar nicht verständli­ch. Er forscht zur arithmetis­chen Geometrie und schafft Verbindung­en zwischen verschiede­nen Gebieten der Mathematik. Das hilft Fachleuten, Probleme in einem Bereich mit Ansätzen aus einem anderen zu lösen. Gewisserma­ßen blickt Scholze über den Tellerrand der einzelnen Diszipline­n und verknüpft Lösungsans­ätze. Seine Forschung gilt als weltweit bahnbreche­nd und richtungsw­eisend.

Er selbst beschreibt das so: „Was mich interessie­rt, sind die ganzen Zahlen – also 1, 2, 3, 4, 5 und so weiter – und ihre Eigenschaf­ten, also was für Gleichunge­n man damit lösen kann. Und diese ganz grundlegen­de Fragestell­ung benötigt abstrakte Methoden, die aus verschiede­nen, überrasche­nden Bereichen der Mathematik kommen: aus der Geometrie, aus der Analysis. Eigentlich gibt es da aus allen Gebieten der Mathematik Querverbin­dungen.“

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FOTO: DPA Peter Scholze

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