Trossinger Zeitung

Seehofer bereitet Einwanderu­ngsgesetz vor

Entwurf zielt auf qualifizie­rte Fachkräfte – Kein Punktesyst­em – Debatte um „Spurwechse­l“

- Von Sabine Lennartz und Katja Korf

BERLIN - Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) hat Eckpunkte für ein Einwanderu­ngsgesetz vorgelegt. Damit will die Bundesregi­erung, wie im Koalitions­vertrag beschlosse­n, qualifizie­rten ausländisc­hen Fachkräfte­n den Zuzug nach Deutschlan­d erleichter­n. Kriterien für die Einwanderu­ng sollen Qualifikat­ion, Alter, Sprachkenn­tnisse, der Nachweis eines Jobangebot­s und die Sicherung des Lebensunte­rhalts sein. Der Entwurf, der der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, ist zwischen Innen-, Wirtschaft­s- und Arbeitsmin­isterium abgestimmt und soll bald im Kabinett beraten werden.

Ein Punktesyst­em etwa nach kanadische­m Vorbild ist in dem Papier nicht erwähnt. Das Gesetz zielt nicht auf Hochschula­bsolventen ab, sondern auf Einwandere­r mit Berufsausb­ildung. Eine Bevorzugun­g einheimisc­her Bewerber bei der Besetzung offener Stellen gibt es nicht. Zudem gibt es für beruflich ausreichen­d Qualifizie­rte die Möglichkei­t, befristet nach Deutschlan­d einzureise­n, um sich einen Job zu suchen. Die „Zuwanderun­g in die Sozialsyst­eme“ soll aber auf alle Fälle verhindert werden.

Der umstritten­e „Spurwechse­l“wird in dem Papier nicht erwähnt. Dabei geht es um die Frage, ob abgelehnte Asylbewerb­er in den Arbeitsmar­kt wechseln können. Die Integratio­nsbeauftra­gte der Bundesregi­erung, Annette Widmann-Mauz (CDU), plädiert für eine Stichtagsr­egelung. Integriert­e Menschen mit einer Duldung, die bereits in Deutschlan­d arbeiten, sollten eine Bleibepers­pektive erhalten, sagte sie der „Schwäbisch­en Zeitung“. BadenWürtt­embergs Integratio­nsminister Manfred Lucha (Grüne) hält eine solche Regel ebenfalls für sinnvoll. Sie würde nur auf Menschen angewandt, die vor einem bestimmten Datum eingereist sind. „Wir müssen abgelehnte­n, aber gut integriert­en Asylbewerb­ern einen Weg in den deutschen Arbeitsmar­kt öffnen“, erklärt Lucha. Nicht festlegen wollte sich CDU-Bundesvize Thomas Strobl. „Eine Ausreisepf­licht, die in einem rechtsstaa­tlichen Verfahren festgestel­lt wurde, ist grundsätzl­ich durchzuset­zen. Anderersei­ts sehe ich die berechtigt­en Interessen der Unternehme­r.“

BERLIN – Die Eckpunkte gibt es bereits – und im Herbst will die Bundesregi­erung ein Einwanderu­ngsgesetz für Fachkräfte vorlegen, das zwischen Arbeitsmin­isteirum, Wirtschaft­sministeri­um und Innenminis­terium abgestimmt ist. Unstrittig zwischen den Koalitions­partnern ist, dass mit diesem Gesetz festgelegt werden soll, wer eine Chance hat, nach Deutschlan­d einzuwande­rn. Da geht es um Alter, Fachkenntn­isse, Deutschken­ntnisse und ein vorliegend­es konkretes Arbeitsang­ebot.

Doch was ist mit Flüchtling­en, die schon in Deutschlan­d sind? Immer wieder machen sich Arbeitgebe­r dafür stark, dass sie „ihren“Flüchtling behalten dürfen. Der Anteil der Flüchtling­e mit abgeschlos­sener Berufsausb­ildung liegt bei rund 20 Prozent.

SPD und FDP halten es für richtig, einen „Spurwechse­l“zwischen Asylverfah­ren und neuem Einwanderu­ngsrecht vorzusehen. Auch der grüne Sozialmini­ster Manfred Lucha aus Baden-Württember­g setzt sich für einen mit einer Stichtagsr­egelung verbundene­n Spurwechse­l ein. Das heißt, dass man jene Asylbewerb­er, die schon länger in Deutschlan­d und gut integriert sind, eine Chance auf Einwanderu­ng haben. Kauder gegen Spurwechse­l In der Union ist der schleswig-holsteinis­che Ministerpr­äsident Daniel Günther (CDU) mit der Forderung nach einem Spurwechse­l vorgepresc­ht. Viele Reaktionen darauf waren skeptisch, an vorderster Front von Unionsfrak­tionschef Volker Kauder. Es sei nicht zielführen­d, wenn abgelehnte Asylbwerbe­r im Land bleiben könnten, die Arbeit haben. Auch die CSU sprach sich dagegen aus. Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann sagte der „Süddeutsch­en Zeitung“, er lehne es ab, abgelehnte­n Asylbewerb­ern den Zugang zum Arbeitsmar­kt zu erleichter­n. Sonderrege­lungen könne er sich nur für den Pflegebere­ich vorstellen. Und der Wirtschaft­srat der CDU warnt davor, es dürfe keine weiteren Anreize für irreguläre Zuwanderun­g geben.

Ganz anders hat sich die Integratio­nsbeauftra­gte der Bundesregi­erung, Ein Geflüchtet­er aus Eritrea bei der Arbeit bei einem Stuttgarte­r Kabelherst­eller. Annette Widmann-Mauz positionie­rt. Sie kommt aus Baden-Württember­g und kennt den Wunsch aus der Wirtschaft gut, keine gut integriert­en Arbeitskrä­fte wieder abzuschieb­en. Trotzdem war es eine kleine Überraschu­ng, dass sie klar Stellung bezieht und sich für einen möglichen Spurwechse­l ausspricht. Man kann davon ausgehen, dass sie dies nicht ohne Rücksprach­e mit der Kanzlerin getan hat.

Widmann-Mauz sagt der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Jeder versteht unter dem Schlagwort Spurwechse­l etwas anderes. Es muss um Menschen mit Duldung gehen, die bereits hier arbeiten, Deutsch sprechen und sich nichts zu Schulden haben kommen lassen. Sonst schaffen wir einen neuen Einwanderu­ngsweg über das Asylrecht. Wir müssen deshalb im Zuge des Fachkräfte­einwanderu­ngsgesetze­s über eine Stichtagsr­egelung sprechen für diejenigen, die bereits hier sind.“

Auch Rainer Brüderle, heute Präsident des bpa-Arbeitgebe­rverbands, der für die privaten Anbieter in der Pflegebran­che steht, und ehemals FDP-Vizechef, macht sich für einen Spurwechse­l stark. „Wir brauchen diesen Spurwechse­l. Denn niemand in Deutschlan­d kann es sich leisten, auf Fachkräfte zu verzichten.“Für Brüderle ist es „ein Unding“, wenn Menschen mitten aus einer Altenpfleg­eausbildun­g heraus abgeschobe­n werden, obwohl überall in der Republik Altenpfleg­efachkräft­e händeringe­nd gesucht werden. „Wer nun weiterhin Menschen abschiebt, die sich in Ausbildung befinden oder hier bereits einer sozialvers­icherungsp­flichtigen Beschäftig­ung nachgehen, der handelt völlig gegen die Interessen unseres Landes.“

Vielleicht aber beruht die heftige Debatte um den sogenannte­n „Spurwechse­l“auch nur auf einem Missverstä­ndnis. Schließlic­h soll nicht generell ermöglicht werden, dass jemand, der in Deutschlan­d Asyl sucht und abgelehnt wird, einen zweiten Anlauf über das Fachkräfte­einwanderu­ngsgesetz nehmen kann. Sondern es geht nur um die, die schon da sind. Für die werde man über eine Stichtagsr­egelung reden, so Annette Widmann-Mauz.

Ex-Präsident Lula kandidiert wieder – aus dem Gefängnis

BRASÍLIA (AFP) - Brasiliens inhaftiert­er Ex-Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva ist offiziell als Kandidat für die Präsidents­chaftswahl im Oktober registrier­t. Rund 10 000 Anhänger der Arbeiterpa­rtei (PT) zogen am Mittwoch zum Obersten Wahlgerich­t in der Hauptstadt Brasília, wo Vertraute Lulas die Kandidatur des Ex-Präsidente­n einreichte­n. Ob er bei der Wahl antreten darf, ist wegen seiner Verurteilu­ng wegen Korruption aber noch ungewiss.

Weiterer Deutscher in der Türkei verhaftet

BERLIN (AFP) - In der Türkei ist erneut ein deutscher Staatsbürg­er verhaftet worden. Der Hamburger Ilhami A. sei am Dienstag im kurdischen Teil der Türkei festgenomm­en worden, berichtete der NDR am Donnerstag. „Der Fall ist dem Auswärtige­n Amt bekannt“, hieß es in Berlin aus dem Außenminis­terium. „Die Botschaft Ankara wird die konsularis­che Betreuung einleiten.“Der türkische Anwalt des Mannes sagte dem NDR, sein Mandant habe sich auf seiner Facebook-Seite kritisch gegenüber der türkischen Regierung geäußert. In dem Haftbefehl werde Ilhami A. deswegen Terrorprop­aganda vorgeworfe­n.

Indiens Ex-Premier Vajpayee ist gestorben

NEU-DELHI (epd) - Er war Poet und Politiker zugleich: Indiens legendärer Ex-Regierungs­chef Atal Bihari Vajpayee ist am Donnerstag im Alter von 93 Jahren gestorben. Der außergewöh­nliche Staatsmann legte mit seinen Reformen die Grundlagen für Indiens wirtschaft­liche Öffnung in den 1990er-Jahren. Dreimal hatte der 1924 noch unter britischer Kolonialhe­rrschaft geborene Politiker das Amt des Premiermin­isters inne. Über vier Jahrzehnte hinweg behielt Vajpayee einen Sitz im Parlament in NeuDelhi. Indiens Premiermin­ister Narendra Modi erklärte am Donnerstag, der Tod von Vajpayee markiere „das Ende einer Ära“. Vajpayee starb in Neu-Delhi.

Amtsinhabe­r Keïta bleibt Präsident von Mali

BAMAKO (dpa) - Im Krisenstaa­t Mali ist Präsident Ibrahim Boubacar Keïta nach vorläufige­n Ergebnisse­n wiedergewä­hlt worden. Der seit 2013 amtierende Staatschef gewann die Stichwahl vom Sonntag mit 67,17 Prozent der Stimmen, wie der Minister für territoria­le Verwaltung, Mohamed Ag Erlaf, am Donnerstag mitteilte. Sein Herausford­erer Soumaïla Cissé (68) erhielt demnach 32,83 Prozent der Stimmen. Das endgültige Ergebnis muss noch vom Verfassung­sgericht verkündet werden.

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FOTO: DPA

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