Kirchenaustritt wegen Obdachlosen-Verdrängung
Für Cornelia Jerger ist Neuverpachtung des Grundstücks nicht mit christlichen Werten vereinbar
TUTTLINGEN - Cornelia Jerger hat sich nach unserer Berichterstattung über die Neuverpachtung der Fläche, auf der die Obdachlosen eine Zuflucht gefunden haben und nun verdrängt werden sollen, geärgert. Und zwar so sehr, dass die Tuttlingerin nun daran denkt, aus der evangelischen Kirche auszutreten.
Wie berichtet hat die PfarrgutVerwaltung der evangelischen Landeskirche in Württemberg das Areal für hundert Euro im Jahr an eine Frau neu verpachtet. Zuerst hatte die neue Pächterin signalisiert, dass die Obdachlosen auf dem Grundstück bleiben dürfen. Doch inzwischen hat sie ihre Meinung dazu geändert.
„Die Geschichte hat mir zwei schlaflose Nächte bereitet“, berichtet Cornelia Jerger gegenüber unserer Zeitung. Sie will mit ihrem Austritt aus der evangelischen Kirche ein Zeichen setzen, dass die Sache mit der Neuverpachtung und der daraus resultierenden Verdrängung der Obdachlosen nicht mit den Werten der evangelischen Kirche vereinbar sei. Die hundert Euro an Pacht pro Jahr würde sie selbst aufbringen, damit die Obdachlosen bleiben können. Das hatte auch schon Günther gesagt, der sich auf der Wiese mit anderen Wohnungslosen eingerichtet hat: „Wir sind ja nur Obdachlose“, zeigte er sich enttäuscht, dass die Kirche nicht auf ihn zugekommen ist, als die Neuverpachtung anstand.
Am Donnerstag besuchte Cornelia Jerger die Obdachlosen – und brachte einige Lebensmittel mit. Auch ihnen gegenüber zeigte sie sich über das Vorgehen der Kirche entrüstet und hofft, dass die PfarrgutVerwaltung diese Kuh noch vom Eis bekommt. Zumal die Obdachlosen in Zeiten des Fahrstuhl-Ausfalls im Bahnhof (wir berichteten) ihr den Koffer getragen hätten. Als Dank für die Unterstützung bekam sie von Günther ein Glas selbstgemachte Johannisbeermarmelade geschenkt.
Auch Kreis- und Stadtrat HansMartin Schwarz (OGL/LBU) ist in dieser Sache tätig geworden und hat einen Brief – auch als evangelischer Christ – an die Pfarrgut-Verwaltung geschickt. „Sie muss einen Weg finden, die Sache rückgängig zu machen“, betont Schwarz gegenüber unserer Zeitung. Er zeigte sich über den Vorgang erstaunt. In seinem Brief habe er auch mitgeteilt, dass die Obdachlosen beim Auf- und Abbau des Begegnungsfests Ende Juni mitgeholfen hätten.