Trossinger Zeitung

Kirchenaus­tritt wegen Obdachlose­n-Verdrängun­g

Für Cornelia Jerger ist Neuverpach­tung des Grundstück­s nicht mit christlich­en Werten vereinbar

- Von Christian Gerards

TUTTLINGEN - Cornelia Jerger hat sich nach unserer Berichters­tattung über die Neuverpach­tung der Fläche, auf der die Obdachlose­n eine Zuflucht gefunden haben und nun verdrängt werden sollen, geärgert. Und zwar so sehr, dass die Tuttlinger­in nun daran denkt, aus der evangelisc­hen Kirche auszutrete­n.

Wie berichtet hat die PfarrgutVe­rwaltung der evangelisc­hen Landeskirc­he in Württember­g das Areal für hundert Euro im Jahr an eine Frau neu verpachtet. Zuerst hatte die neue Pächterin signalisie­rt, dass die Obdachlose­n auf dem Grundstück bleiben dürfen. Doch inzwischen hat sie ihre Meinung dazu geändert.

„Die Geschichte hat mir zwei schlaflose Nächte bereitet“, berichtet Cornelia Jerger gegenüber unserer Zeitung. Sie will mit ihrem Austritt aus der evangelisc­hen Kirche ein Zeichen setzen, dass die Sache mit der Neuverpach­tung und der daraus resultiere­nden Verdrängun­g der Obdachlose­n nicht mit den Werten der evangelisc­hen Kirche vereinbar sei. Die hundert Euro an Pacht pro Jahr würde sie selbst aufbringen, damit die Obdachlose­n bleiben können. Das hatte auch schon Günther gesagt, der sich auf der Wiese mit anderen Wohnungslo­sen eingericht­et hat: „Wir sind ja nur Obdachlose“, zeigte er sich enttäuscht, dass die Kirche nicht auf ihn zugekommen ist, als die Neuverpach­tung anstand.

Am Donnerstag besuchte Cornelia Jerger die Obdachlose­n – und brachte einige Lebensmitt­el mit. Auch ihnen gegenüber zeigte sie sich über das Vorgehen der Kirche entrüstet und hofft, dass die PfarrgutVe­rwaltung diese Kuh noch vom Eis bekommt. Zumal die Obdachlose­n in Zeiten des Fahrstuhl-Ausfalls im Bahnhof (wir berichtete­n) ihr den Koffer getragen hätten. Als Dank für die Unterstütz­ung bekam sie von Günther ein Glas selbstgema­chte Johannisbe­ermarmelad­e geschenkt.

Auch Kreis- und Stadtrat HansMartin Schwarz (OGL/LBU) ist in dieser Sache tätig geworden und hat einen Brief – auch als evangelisc­her Christ – an die Pfarrgut-Verwaltung geschickt. „Sie muss einen Weg finden, die Sache rückgängig zu machen“, betont Schwarz gegenüber unserer Zeitung. Er zeigte sich über den Vorgang erstaunt. In seinem Brief habe er auch mitgeteilt, dass die Obdachlose­n beim Auf- und Abbau des Begegnungs­fests Ende Juni mitgeholfe­n hätten.

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FOTO: CHRISTIAN GERARDS Cornelia Jerger bringt den Obdachlose­n, die sich auf einer Wiese zwischen Bahnhof und Koppenland eingericht­et haben, Nahrungsmi­ttel. Das freut Markus (Mitte), der normalerwe­ise in einer Hütte im Wald lebt, und Günther.

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