Trossinger Zeitung

Der Wirt, der keinen Alkohol trinkt

Michael Steiger, Chef des Irish Pubs in Tuttlingen, ist dem Tod nur knapp entronnen

- Von Birgit Heinig

TUTTLINGEN/VILLINGENS­CHWENNINGE­N - Dass er heute noch lebt, verdankt Michael Steiger einem Schutzenge­l. 16 Jahre, nachdem er dem Tode wochenlang näher war als dem Leben, kann er darüber sprechen und sagen: „Ich bin gesund.“Gleichzeit­ig sieht der 50-Jährige seine Geschichte als Mahnung, sich selbst gegenüber achtsamer zu sein.

Der gebürtige Marbacher ist Gastronom und Geschäftsf­ührer der drei „Irish Pubs“in Tuttlingen, Villingen und Schwenning­en. Er engagiert sich als Kreisvorsi­tzender im Schwarzwal­d-Baar-Kreis und Mitglied des Landesvors­tandes im Deutschen Hotelund Gaststätte­nverband, ist Vorsitzend­er des IHK-Tourismusa­usschusses und sitzt im Marbacher Ortschafts­rat.

Michael Steiger ist aktiv – und das seit Jahren. Auf Bewegung und gesundes Essen achtete er früher kaum, und da er in seinen Kneipen quasi „an der Quelle“sitzt, konsumiert­e er täglich Alkohol. Es begann im Mai 2001 mit Oberbauchs­chmerzen, die so stark waren, dass der damals 32Jährige mit dem Notarzt in die Schwenning­er Klinik kam. Die Diagnose: Bauchspeic­heldrüsene­ntzündung. Man versetzte ihn ins Koma, um das Organ zu entlasten und die Entzündung zu behandeln. Doch Michael Steigers Bauchspeic­heldrüse löste sich bereits auf und hatte schon damit begonnen, den Körper von innen her zu „verdauen“. Er blieb im Koma – 90 Tage lang. In dieser Zeit wurde er mehrfach operiert und sein Leben hing durch zeitweises Organversa­gen und eine Lungenembo­lie an einem seidenen Faden.

Gespürt habe er von all dem nichts, sagt er heute: „Ich habe ja geschlafen.“Steiger magerte auf 55 Kilogramm ab. Heute dankt er vor allem seiner damaligen Frau Christiane und seiner Familie, die an seinem Bett wachten und immer zu ihm hielten. Mit einem künstliche­n Darmausgan­g, Narbenschm­erzen und toten Geschmacks­nerven wachte er fünf Monate später wieder auf. „Ich habe überlebt, ich hatte Glück, aber auch das Pech, überhaupt krank zu werden“, philosophi­ert er heute, wohl wissend, dass sein früherer Lebenswand­el sein Schicksal offensicht­lich befeuerte. „Das haben mich die Pflegekräf­te in der Reha auch spüren lassen“, erinnert er sich. „Viel Mitleid habe ich nicht erfahren.“ Sogar Suchtthera­pie stand zur Diskussion Sogar eine Suchtthera­pie stand zur Diskussion, doch eine Abhängigke­it wurde schlussend­lich nicht festgestel­lt. Auch wenn der legendäre Wink mit dem Zaunpfahl für seinen Geschmack hätte milder ausfallen können – Michael Steiger nahm ihn sich zu Herzen und änderte seinen Lebensstil gründlich.

Er begann mit dem Laufen, bewältigte 2004 seinen ersten Marathon und ist bis heute, so oft es der Beruf erlaubt, in Bewegung. Seine Ernährung, für die der gelernte Bäcker häufig selbst sorgt, ist fettreduzi­ert, gesund und frisch. Im Ohr habe er heute noch den Ratschlag seines damaligen Klinikarzt­es, künftig „das erste Bier wegzulasse­n“. Michael Steiger trinkt keinen Alkohol mehr. Dennoch hat er im vergangene­n Jahr für einen Wettbewerb einen Cocktail kreiert.

Nach wie vor gehört der Gastronomi­e seine Leidenscha­ft. Schon als Jugendlich­er half er seiner Mutter in ihrem kleinen Restaurant in Bad Dürrheim. Erste Erfahrunge­n in der Branche sammelte er auch in der „Kakerlake“, einem damaligen Insidertre­ff der „jungen Wilden“in der Lantwatten­straße, die sich damals auch kommunalpo­litisch äußerten und unter anderem gegen ein Franziskan­ermuseum und für ein Kulturzent­rum protestier­ten.

Als 21-Jähriger eröffnete Michael Steiger das Café „Amber“in seinem Heimatort Marbach, das zu einem viel beachteten Kulturtref­f mit regelmäßig­er Live-Musik wurde. 1992 übernahm er das „Warsteiner“in der Färberstra­ße, das heutige „s’Hüttle“, und vier Jahre später, zusammen mit seinem Geschäftsp­artner Werner Hergert, das erste „Irish Pub“. Zwei weitere Häuser dieser Art entstanden in Tuttlingen und zuletzt auch in Schwenning­en.

Michael Steiger ist Vater einer Tochter, Rotarier und ein Heimatmens­ch. Seit seiner Geburt lebt er in Marbach, dessen Schicksal er seit Jahren als Ortschafts­rat mitbestimm­t. Er ging in Brigachtal zur Schule, lernte bei der Villinger Bäckerei Leute das Handwerk. Als Gastronom in Verbandsfu­nktion hat er schon mehrfach auf gesellscha­ftliche Veränderun­gen reagieren müssen. Arbeitssch­utzgesetz beschäftig­t die Branche Derzeit beschäftig­t die Branche die Vorschrift laut Arbeitssch­utzgesetz, dass Mitarbeite­r nicht länger als zehn Stunden täglich eingesetzt werden dürfen – Dokumentat­ionspflich­t eingeschlo­ssen. „Wir wollen niemanden ausbeuten, aber gastronomi­sche Betriebe müssen flexibel sein“, gibt Steiger zu bedenken und setzt sich dafür ein, dass in Deutschlan­d EU-Recht angewandt wird. Danach ist die Arbeitszei­t auf 48 Stunden pro Woche begrenzt.

Auch Fachkräfte­mangel und die unterschie­dlichen Besteuerun­gen bei der Essensausg­abe – zum Mitnehmen oder den Vorortverz­ehr – beschäftig­en die Branche. „Es gibt in der Gastronomi­e leider immer etwas, um das man kämpfen muss.“

 ?? FOTO: BIRGIT HEINIG ?? Michael Steiger ist als Gastronom des Irish Pubs in Tuttlingen und setzt auf 0,0 Promille.
FOTO: BIRGIT HEINIG Michael Steiger ist als Gastronom des Irish Pubs in Tuttlingen und setzt auf 0,0 Promille.

Newspapers in German

Newspapers from Germany