Eine Grundsatzentscheidung
Amtsgericht: Gambier gibt bei Einreise falschen Namen an – Doch wann ist das strafbar?
TUTTLINGEN - Ein Gambier flüchtet 2013 nach Deutschland und stellt einen Antrag auf Asyl. Weil er fürchtet, abgewiesen zu werden, gibt der heute 29-Jährige einen falschen Namen an. Mit diesem Fall beschäftigte sich das Amtsgericht Tuttlingen am Donnerstag und wollte klären: Hat der Mann gegen das Aufenthaltsrecht verstoßen? Zu einem Urteil kam es allerdings nicht.
Dass er vor nun fast fünf Jahren einen falschen Namen angegeben hatte, bestritt der Mann aus Gambia nicht. Vielmehr hatte er selbst vor knapp zwei Jahren seinen richtigen Ausweis bei der Ausländerbehörde vorgelegt und die Sache damit ins Rollen gebracht. „Ich wollte alles korrekt machen“, sagte der Angeklagte vor dem Tuttlinger Amtsgericht. Bei seinem Antrag habe er Angst gehabt, weil ihm andere erzählt hatten, dass die Chancen mit einem anderen Namen größer seien, zu bleiben. Eine Strategie, die Flüchtende oftmals schon von Schleppern mit auf den Weg bekommen – deswegen gehen auf dem Weg nach Europa oftmals Ausweispapiere verloren. Eine reine Rechtsfrage Mittlerweile habe der Angeklagte eine Freundin und ein Kind. Er ist voll in die Familie seiner Partnerin in Tuttlingen integriert. Für seinen Asylantrag hat er mittlerweile einen negativen Bescheid bekommen, gegen den er Widerspruch eingelegt hat. Doch die Hintergründe des Angeklagten spielten höchstens am Rande eine Rolle.
„Es geht hierbei um eine reine Rechtsfrage“, sagte der Rechtsanwalt Ullrich Hahn. Dass der Sachverhalt so stimme, stehe außer Frage. Und er machte auch im Verlauf der Verhandlung klar: Etwas anderes als einen Freispruch oder eine Einstellung wegen Geringfügigkeit werde er nicht akzeptieren. „Ich bin an einer prinzipiellen Klärung interessiert“, sagte Hahn. Ebenso kündigte er an, bei einer Verurteilung in Sprungrevision zu gehen – ein Rechtsmittel bei dem der Fall direkt an die oberste, gerichtliche Instanz verwiesen wird.
Mehrere Fragen galt es vor Gericht zu klären, die je nach angewendetem Paragraphen Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren hätten nach sich ziehen können: Ist es erst nach erfolgreichem Asylverfahren strafbar, falsche Angaben gegenüber der Ausländerbehörde zu machen? Oder muss schon bestraft werden, wenn jemand vorausdenkend bei einem Asylantrag gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) etwa einen falschen Namen nennt, um beispielsweise eine spätere Abschiebung zu erschweren? Denn: Grundsätzlich sei die Nennung eines falschen Namens gegenüber dem Bamf erst mal nicht verboten. Ein aus der deutschen Flüchtlingshistorie erwachsener Spielraum, um etwa die Familie in der Heimat nicht zu gefährden, argumentierte Rechtsanwalt Hahn. „Schon Berthold Brecht hat einen anderen Namen verwendet“, sagte Hahn. Justiz an den Grenzen „Ich komme da an meine Grenzen“, sagte Richter Thomas Straub. Er und Hahn diskutierten im Verlauf der Verhandlung Kommentare zu Gesetzestexten. „Ich habe mir auch mal die ersten Seiten der Urteilsbegründung im Fall Sami A. durchgelesen“, sagte Straub. Es gebe da sehr viele verschiedene Rechtsnormen, die sich überlagern würden. „Ich weiß nicht, wie lange man Jura studiert haben muss, um das zu verstehen“.
Am Ende stellte Straub die Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit in den Raum. Ein Vorschlag mit dem sich sowohl die Staatsanwaltschaft, als auch die Verteidigung einverstanden erklärten. Zu einer Klärung der Rechtsfrage, kam es damit allerdings nicht. Auch wenn es vor dem Tuttlinger Gericht sicherlich nicht um einen Einzelfall ging.
„Ich weiß nicht, wie lange man Jura studiert haben muss, um das zu verstehen“Amtsgerichtsrichter Thomas Straub