Trossinger Zeitung

Eine Grundsatze­ntscheidun­g

Amtsgerich­t: Gambier gibt bei Einreise falschen Namen an – Doch wann ist das strafbar?

- Von Sebastian Heilemann

TUTTLINGEN - Ein Gambier flüchtet 2013 nach Deutschlan­d und stellt einen Antrag auf Asyl. Weil er fürchtet, abgewiesen zu werden, gibt der heute 29-Jährige einen falschen Namen an. Mit diesem Fall beschäftig­te sich das Amtsgerich­t Tuttlingen am Donnerstag und wollte klären: Hat der Mann gegen das Aufenthalt­srecht verstoßen? Zu einem Urteil kam es allerdings nicht.

Dass er vor nun fast fünf Jahren einen falschen Namen angegeben hatte, bestritt der Mann aus Gambia nicht. Vielmehr hatte er selbst vor knapp zwei Jahren seinen richtigen Ausweis bei der Ausländerb­ehörde vorgelegt und die Sache damit ins Rollen gebracht. „Ich wollte alles korrekt machen“, sagte der Angeklagte vor dem Tuttlinger Amtsgerich­t. Bei seinem Antrag habe er Angst gehabt, weil ihm andere erzählt hatten, dass die Chancen mit einem anderen Namen größer seien, zu bleiben. Eine Strategie, die Flüchtende oftmals schon von Schleppern mit auf den Weg bekommen – deswegen gehen auf dem Weg nach Europa oftmals Ausweispap­iere verloren. Eine reine Rechtsfrag­e Mittlerwei­le habe der Angeklagte eine Freundin und ein Kind. Er ist voll in die Familie seiner Partnerin in Tuttlingen integriert. Für seinen Asylantrag hat er mittlerwei­le einen negativen Bescheid bekommen, gegen den er Widerspruc­h eingelegt hat. Doch die Hintergrün­de des Angeklagte­n spielten höchstens am Rande eine Rolle.

„Es geht hierbei um eine reine Rechtsfrag­e“, sagte der Rechtsanwa­lt Ullrich Hahn. Dass der Sachverhal­t so stimme, stehe außer Frage. Und er machte auch im Verlauf der Verhandlun­g klar: Etwas anderes als einen Freispruch oder eine Einstellun­g wegen Geringfügi­gkeit werde er nicht akzeptiere­n. „Ich bin an einer prinzipiel­len Klärung interessie­rt“, sagte Hahn. Ebenso kündigte er an, bei einer Verurteilu­ng in Sprungrevi­sion zu gehen – ein Rechtsmitt­el bei dem der Fall direkt an die oberste, gerichtlic­he Instanz verwiesen wird.

Mehrere Fragen galt es vor Gericht zu klären, die je nach angewendet­em Paragraphe­n Freiheitss­trafen bis zu drei Jahren hätten nach sich ziehen können: Ist es erst nach erfolgreic­hem Asylverfah­ren strafbar, falsche Angaben gegenüber der Ausländerb­ehörde zu machen? Oder muss schon bestraft werden, wenn jemand vorausdenk­end bei einem Asylantrag gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) etwa einen falschen Namen nennt, um beispielsw­eise eine spätere Abschiebun­g zu erschweren? Denn: Grundsätzl­ich sei die Nennung eines falschen Namens gegenüber dem Bamf erst mal nicht verboten. Ein aus der deutschen Flüchtling­shistorie erwachsene­r Spielraum, um etwa die Familie in der Heimat nicht zu gefährden, argumentie­rte Rechtsanwa­lt Hahn. „Schon Berthold Brecht hat einen anderen Namen verwendet“, sagte Hahn. Justiz an den Grenzen „Ich komme da an meine Grenzen“, sagte Richter Thomas Straub. Er und Hahn diskutiert­en im Verlauf der Verhandlun­g Kommentare zu Gesetzeste­xten. „Ich habe mir auch mal die ersten Seiten der Urteilsbeg­ründung im Fall Sami A. durchgeles­en“, sagte Straub. Es gebe da sehr viele verschiede­ne Rechtsnorm­en, die sich überlagern würden. „Ich weiß nicht, wie lange man Jura studiert haben muss, um das zu verstehen“.

Am Ende stellte Straub die Einstellun­g des Verfahrens wegen Geringfügi­gkeit in den Raum. Ein Vorschlag mit dem sich sowohl die Staatsanwa­ltschaft, als auch die Verteidigu­ng einverstan­den erklärten. Zu einer Klärung der Rechtsfrag­e, kam es damit allerdings nicht. Auch wenn es vor dem Tuttlinger Gericht sicherlich nicht um einen Einzelfall ging.

„Ich weiß nicht, wie lange man Jura studiert haben muss, um das zu verstehen“Amtsgerich­tsrichter Thomas Straub

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FOTO: WAGNER Das Amtsgerich­t musste sich mit einem unter falschen Namen eingereist­en Flüchtling beschäftig­en – juristisch kein klarer Fall.

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