„Wenn der Piepser geht, bin ich wach“
Dr. Ekhard Stegmann muss als Notarzt zu vielen Unfällen, kann aber trotzdem gut schlafen
TUTTLINGEN – Als ärztlich Verantwortlicher im Rettungsdienst des Deutschen Roten Kreuzes ist Oberarzt Dr. Ekhard Stegmann oft als einer der ersten vor Ort, wenn es im Landkreis Tuttlingen ein größeres Schadensereignis gibt. Unsere Mitarbeiterin Valerie Gerards hat ihn zu seinem Berufsalltag befragt. Dr. Stegmann, Angehörige erleben oft beängstigende oder hochemotionale Momente in der Notaufnahme. Wie emotional ist der Job für Sie? Während des Notfalls ist es für mich nicht emotional, da tue ich, was ich gelernt habe. Nach dem Einsatz mache ich mir schon Gedanken, das beschäftigt mich. Wenn es nicht gelingt, die Situation für den Patienten zu verbessern oder sogar jemand stirbt, ist das im Nachhinein schon belastend. Man geht mit dem Rettungsteam alles durch, ob man wirklich alles getan hat. Raten Sie den Angehörigen, positiv zu denken, zuversichtlich zu sein? Ja, immer. Wir machen ihnen Mut, beziehen sie mit ein, Mütter dürfen mit ihrem Kind im Krankenwagen hinten mitfahren. Und je professioneller das Team auftritt, desto beruhigender ist das für die Angehörigen. Haben Sie manchmal Angst oder Schockmomente am Unfallort? Nein, ich habe keine Angst. Kindernotfälle machen jungen Ärzten anfangs Angst, sind aber zum Glück selten; häufiger ist ein Fieberkrampf oder Pseudokrupp, was ja gut beherrschbar ist. Man sollte bei der Fahrt zum Unfallort überhaupt keine Erwartungen haben, ob nun leicht verletzt oder schwer verletzt – manchmal ist es auch genau umgekehrt, als es gemeldet wurde. Am Unfallort muss man sich die optimale Hilfe für den Patienten überlegen und dann handeln. Was stresst sind Situationen, in denen wir aus technischen Gründen nicht sofort helfen können, etwa wenn der Patient eingeklemmt ist. Oder bei einem Wohnungsbrand, da muss ich als Notarzt vor dem Gebäude warten. Mit den Feuerwehren haben wir im ganzen Landkreis eine sehr gute Zusammenunabhängig arbeit, aber sie können nicht zaubern und brauchen ihre Zeit. Sobald der Patient bei uns ist, geht der Stress in gezieltes Arbeiten über, dann läuft vieles nach Plan und nach notfallmedizinischen Standards. Gelingt Ihnen das Abschalten nach Dienstschluss? Oder sind Sie immer irgendwie im Dienst? Ich bin durch den Piepser immer erreichbar, rund um die Uhr. Innerhalb von 20 bis 30 Sekunden rufe ich zurück, es sei denn, ich stehe gerade im OP. Auch wenn ich abends ein Glas Wein trinke, achte ich darauf, dass ich immer in der Lage bin zu helfen. Neulich war ich auf dem Witthoh mit dem Mountainbike und meinem Hund, als ich zu einem schweren Unfall gerufen wurde. Da renne ich dann! Aber schlafen kann ich völlig davon. Wenn der Piepser geht, bin ich eben wach. Das geht der Feuerwehr und dem DRK ja genauso. Was lieben Sie an ihrem Beruf? Ich liebe die Beherrschung von Extremsituationen, die oft zum Besseren gewendet werden können. Eigentlich bin ich ja Unfallchirurg. Als Notarzt mag ich die Abwechslung, das Arbeiten unter extremen Bedingungen und an verschiedenen Orten und die Zusammenarbeit mit dem Rettungsteam. Und was nervt? Der „Verwaltungskram und Computersachen“sind schon etwas lästig, aber doch notwendig. Und im Rettungsdienst gibt es teilweise ziemlich respektlose Patienten, meist unter Alkoholeinfluss. Was war ein schönes Erlebnis? Letzte Woche hatten wir einen interessanten Fall. Da ist in Tuttlingen ein 14-jähriges Mädchen in der Dusche ohnmächtig geworden. Glücklicherweise war ihr Vater im Haus. Er hat einen Schlag aus dem Bad gehört und der Hund hat gebellt. Da hat er die Tür aufgebrochen. Die Ohnmacht hätte ja an allem möglichen liegen können, aber wir haben COMelder an der Weste, dadurch wussten wir, dass das Mädchen eine schwere Kohlenmonoxidvergiftung hatte, vermutlich durch den Heizkessel. Wäre sie allein gewesen, wäre sie gestorben. Sie wurde mit dem Rettungshubschrauber in die Druckkammer nach Ludwigsburg geflogen und hat überlebt.