Trossinger Zeitung

Warnung vor Lehrermang­el

Unionsfrak­tionschef Kauder sieht Gefahren für Bildung

- Von Christine Cornelius, Berlin

BERLIN (dpa/AFP) - Unionsfrak­tionschef Volker Kauder hat vor einem Bildungsno­tstand an Schulen gewarnt. Die Lage sei zwar von Bundesland zu Bundesland unterschie­dlich, sagte der CDU-Politiker. Es sei aber alarmieren­d, „wenn der Lehrerverb­and von 40 000 fehlenden Pädagogen spricht und in Berlin fast zwei Drittel der neu eingestell­ten Lehrer an den Grundschul­en Quereinste­iger sind“. Besonders kritisch ist die Situation nach Angaben des Deutschen Lehrerverb­andes an Grund- schulen, Förderschu­len und früheren Hauptschul­en.

Die Grünen-Bildungsex­pertin Margit Stumpp aus Heidenheim warf der Union am Montag vor, für die Lage in den Schulen mitverantw­ortlich zu sein, „weil sie sich immer noch an das Kooperatio­nsverbot klammert“. „Solange der Bund nur befristet in Beton, nicht aber in die Köpfe – also Personal – investiere­n darf, werden die Länder weiterhin Bildungspo­litik nach Kassenlage machen“, sagte Stumpp.

An Deutschlan­ds Schulen gibt es viel zu tun: Nicht nur sind viele Gebäude marode, es fehlen auch massenhaft Lehrer und die Kluft zwischen Bildungsve­rlierern und Bildungsge­winnern wird größer.

Landauf, landab fehlen zahlreiche Lehrer. Viele Länder versuchen, den Mangel mit Quereinste­igern zu stopfen, die pädagogisc­h aus Sicht von Kritikern aber nur unzureiche­nd qualifizie­rt sind. Problemati­sch ist vielerorts auch ein Mangel an Schulleite­rn. Der Deutsche Lehrerverb­and hat geschätzt, dass bundesweit 10 000 Lehrerstel­len unbesetzt und 30 000 notdürftig besetzt sind. Lehrer fehlen vor allem an Grundschul­en, Förderschu­len und ehemaligen Hauptschul­en. Folgen: Unterricht­sausfall, größere Klassen – und im schlimmste­n Fall fehlen Noten auf Zeugnissen.

Ein großes Problem bilden auch marode Schulen. Alte Toiletten, bau- fällige Turnhallen – laut einer Studie beträgt der Investitio­nsbedarf an deutschen Schulen fast 48 Milliarden Euro. Vor allem in größeren Kommunen gebe es Nachholbed­arf, heißt es von der staatliche­n Förderbank KfW mit Blick auf Zahlen zum Investitio­nsstau. Gemessen am Vorjahr sei die Lücke besonders in Nordrhein-Westfalen und in Süddeutsch­land größer geworden – zum Teil aber auch wegen des Ausbaus der Ganztagsbe­treuung. Mit Blick auf notwendige Sanierunge­n spricht Lehrerverb­andspräsid­ent Heinz-Peter Meidinger von einem „Trauerspie­l“. Es müsse Geld vom Bund geben – „und zwar schnell“.

Auch bei der Digitalisi­erung gibt es große Defizite. Zwar wurde schon vor mehr als zwei Jahren ein milliarden­schwerer Digitalpak­t für die Schulen angekündig­t. Doch erst in dieser Legislatur­periode soll sich endlich etwas tun: Der Bund will den Pakt für Digitalisi­erung an den Schulen im kommenden Jahr starten. Das hatte Bundesbild­ungsminist­erin Anja Karliczek (CDU) im Juni gesagt. Ab dann sollen fünf Milliarden Euro in fünf Jahren in die Kommunen fließen. Für den Digitalpak­t ist eine Grundgeset­zänderung notwendig. Zur Digitalisi­erung von Schulen gehören neben schnellen Internetan­schlüssen auch gemeinsame Cloud-Lösungen für Schulen sowie die Qualifizie­rung von Lehrern. Inklusion mit der Brechstang­e Beim Thema Inklusion ist Lehrerverb­andspräsid­ent Heinz-Peter Meidinger ist „sehr unzufriede­n“mit dem Stand des gemeinsame­n Unterricht­s von behinderte­n und nichtbehin­derten Kindern. „Man hat in einigen Bundesländ­ern Inklusion mit der Brechstang­e gemacht“, sagt der Verbandsch­ef. Dies habe dazu geführt, dass auf Kinder mit Förderbeda­rf schlechter eingegange­n werde als dies auf Förderschu­len der Fall wäre, die reihenweis­e geschlosse­n worden seien. Nö- tig sei in Klassen mit mehreren Förderkind­ern ein Zwei-Lehrer-Prinzip. „Das stellt kein Bundesland zur Verfügung.“2009 war in Deutschlan­d die UN-Behinderte­nrechtskon­vention in Kraft getreten: Damit muss Inklusion an Schulen umgesetzt werden.

Die Kluft zwischen Schülern mit großen Bildungser­folgen und jenen mit schlechten Chancen für das Arbeitsleb­en droht zu wachsen, wie aus dem Bildungsbe­richt 2018 hervorgeht. So verließen mit 49 300 Schulabgän­gern 2016 wieder mehr Jugendlich­e als in den Vorjahren die Schule ohne mindestens einen Hauptschul­abschluss (sechs Prozent). Dem Bericht zufolge handelt es sich dabei vor allem um einen Anstieg bei ausländisc­hen Jugendlich­en. Fast jeder zehnte Jugendlich­e verfehlt in Jahrgangss­tufe neun den Mindeststa­ndard beim Lesen. Dagegen stieg der Anteil der Schulabsol­venten mit Abitur binnen zehn Jahren von 34 auf 43 Prozent im Jahr 2016.

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