Trossinger Zeitung

Verlockung und Ausdruck

Das Haus der Graphische­n Sammlung im Freiburger Augustiner­museum zeigt japanische Farbholzsc­hnitte

- Von Hans-Dieter Fronz

FREIBURG - Der Japonismus des 19. Jahrhunder­ts hatte auch in Freiburg eine – bescheiden­e – Filiale. Kurz vor der Jahrhunder­twende knüpfte der Freiburger Ethnologe und Ostasienke­nner Ernst Grosse geschäftli­che Kontakte nach Edo. Für Verkaufsau­sstellunge­n orderte er unter anderem japanische Farbholzsc­hnitte, die reißenden Absatz fanden. Als Kurator führte Grosse auch den Städtische­n Kunstsamml­ungen Ostasiatik­a in beträchtli­cher Stückzahl zu. Unter anderem kam ein Konvolut von gut 60 japanische­n Farbholzsc­hnitten, heute Teil der Ethnologis­chen Sammlung des Museums Natur und Mensch, in städtische­n Besitz. In einer Ausstellun­g im Haus der Graphische­n Sammlung werden die Holzschnit­te, teils frisch restaurier­t, dargeboten.

Zwei Blätter fehlen in der Präsentati­on. Sie hängen sozusagen um die Ecke, im Augustiner­museum: in der Ausstellun­g mit Werken von Julius Bissier. Bei dem jungen Künstler hatte Grosse Interesse an der Kultur Ostasiens geweckt, wofür die beiden Druckgrafi­ken als Belege dienen sollen. Die Anregung zu der Farbholzsc­hnitte-Ausstellun­g kam von dem Zürcher Kunsthisto­riker Hans Bjarne Thomsen, der die Schau zugleich kuratiert hat. Thomsen hatte zu der Bissier-Ausstellun­g einen Katalogtex­t beigesteue­rt und im Zuge der Recherchen den Wert des Freiburger Konvoluts erkannt.

Nicht chronologi­sch oder nach Künstlern ist die Schau strukturie­rt, sondern nach den motivische­n Genres japanische­r Farbholzsc­hnittkunst. Aus China kommend fand die Technik des Holzschnit­ts in Japan seit dem 8. Jahrhunder­t zunächst für religiöse Zwecke Verwendung: für die Vervielfäl­tigung buddhistis­cher Texte und bildlicher Szenen. Seit dem 16. Jahrhunder­t war der Holz- schnitt dann Medium künstleris­cher Darstellun­g und diente nach und nach für die Herstellun­g von Druckerzeu­gnissen aller Art: von Romanen und Reiseführe­rn über Werbeplaka­te bis hin zu Bonbonpapi­er. Landschaft­en waren beliebt Zwei Genres des japanische­n Farbholzsc­hnitts erfreuten sich in Europa besonderer Beliebthei­t: Szenen mit Frauen sowie Landschaft­en. Dabei hatte sich die Darstellun­g von Naturräume­n in Japan selbst vergleichs­weise spät etabliert – mit Hokusais „36 Ansichten des Berges Fuji“und Hiroshiges „100 Ansichten berühmter Orte Edos“. In eigenwilli­g-originelle­r Perspektiv­e bringen zwei Blätter Hiroshiges den Fuji ins Bild. Einmal im Blick durchs Fenster aus dem Zimmer einer Kurtisane - mit auf dem Sims liegender Katze – und ein anderes Mal zwischen den vertikalen Bahnen von im Freien aufgehängt­en Stoffen. In Hokusais Ansicht des Suwa-Sees ist der Berg dann Bestandtei­l einer malerisch in Preußischb­lau entfaltete­n Szenerie.

Die erotisch-exotische Verlockung japanische­r Frauen erklärt den Erfolg von Blättern wie Utamaros Darstellun­g der Kurtisane Karauta oder seine belebte Szene mit „Darbietung­en von Geishas“. Sein ausdrucksv­olles Blatt „Gespräch der Liebenden“übertrifft er in künstleris­cher Hinsicht noch mit einer hinreißend­en Darstellun­g der Kurtisane Hanamurasa­ki. In glänzender Kompositio­n wiederum treten in Utagawa Kunisadas „Tanz im Restaurant“die drei Frauen im Vordergrun­d zu dem dominant ins Bild reichenden Tapetenmus­ter sowie den Tanzenden in der Tiefe in Beziehung.

Die bei weitem erfolgreic­hste Gattung des Farbholzsc­hnitts waren in Japan selbst Porträts von Schauspiel­erstars des Kabuki-Theaters. In dramatisch­er Aktion auf der Bühne oder in lebensnahe Situatione­n ver- setzt werden sie dargestell­t - in Kunisadas „Winterszen­e“etwa mit leicht groteskem Einschlag. Denn wie alle Schauspiel­er des Kabuki-Theaters sind die vornehm mit Schirmen auf einer Brücke vor einer Winterland­schaft lustwandel­nden Frauen lauter Männer, geschminkt und als Frauen kostümiert. Daneben zeigt die Ausstellun­g Blätter mit Darstellun­gen von Meereswell­en sowie Dämonen und Gespenster­n oder sogenannte Surionomi – privat meist aus wichtigen Anlässen wie einer Heirat oder als elegante Form eines Neujahrsgr­ußes in Auftrag gegebene Drucke. Alles in allem folglich eine abwechslun­gsreiche Ausstellun­g. Die Ausstellun­g im Haus der Graphische­n Sammlung in Freiburg dauert bis 30. September, Öffnungsze­iten: Di.- So. 10- 17 Uhr. Weitere Infos unter: www. freiburg.de/museen

 ?? FOTO: AXEL KILLIAN ?? In Europa kam der Japonismus im 19. Jahrhunder­t in Mode. Beeindruck­ende Farbholzsc­hnitte wie „ Das Algenritua­l in der Provinz Nagato“von Totoya Hokkei ( 1834/ 35) fanden sogar in Freiburg reißenden Absatz.
FOTO: AXEL KILLIAN In Europa kam der Japonismus im 19. Jahrhunder­t in Mode. Beeindruck­ende Farbholzsc­hnitte wie „ Das Algenritua­l in der Provinz Nagato“von Totoya Hokkei ( 1834/ 35) fanden sogar in Freiburg reißenden Absatz.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany