Sachsen rüstet sich für neue Kundgebung
Staatsspitze verurteilt Gewalt – Südwest-AfD-Abgeordnete prahlen mit Demo-Besuch
CHEMNITZ - Die Ausschreitungen in Chemnitz am Sonntag und Montag haben bundesweit Entsetzen ausgelöst. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilten am Dienstag die Geschehnisse. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) bezeichnete die Vorfälle als „abscheulich“. Für Donnerstag wurde aus dem Umfeld der rechten Bewegung „Pro Chemnitz“eine neuerliche Kundgebung mit 500 Teilnehmern angemeldet.
Am Montag waren 1000 Demonstranten angekündigt, letztlich zogen 6000 durch die Stadt. Kretschmer sagte am Dienstag jedenfalls: „Der sächsische Staat ist handlungsfähig – und er handelt.“Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) brach sein Schweigen und bot Sachsen Unterstützung durch den Bund an.
Mit Blick auf die aus der Hooligan-Szene stammenden Organisatoren der Kundgebung vom Sonntag, wirft Fan-Experte Robert Claus der sächsischen Politik Versagen vor. Viel zu lange habe man „die Probleme bagatellisiert“. Levi Salomon vom Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus hat die Demonstration am Montag als Augenzeuge beobachtet. Die Gleichgültigkeit, mit der viele Menschen Seite an Seite mit Rechtsextremen auf die Straße gegangen sind, habe ihn schockiert, berichtet er der „Schwäbischen Zeitung“.
Die Polizei in Chemnitz und weitere sächsische Polizeibehörden waren laut sächsischem Verfassungsschutz vor den Krawallen über einen größeren Zustrom von Extremisten informiert. Darüber berichtet der „Tagesspiegel“. Warum die Chemnitzer Polizei trotz der Warnungen des Verfassungsschutzes nicht genügend Kräfte im Einsatz hatte, sei für diesen nicht nachvollziehbar, hieß es.
Unter den Demonstranten waren auch zwei baden-württembergische AfD-Abgeordnete, sie hatten Fotos von sich bei den Protesten veröffentlicht. Südwest-SPD-Landeschefin Leni Breymaier forderte die Beobachtung der Abgeordneten der AfD durch den Verfassungsschutz. Innenminister Thomas Strobl (CDU) äußerte sich ähnlich: „Ich bin überzeugt, der Verfassungsschutz muss ein scharfes Auge auf die AfD insgesamt und auf einzelne Personen aus der AfD haben.“
BERLIN (dpa) - Patienten müssen einer Umfrage zufolge vor allem bei Fachärzten länger auf Behandlungstermine warten. Bei Hausärzten bekamen im vergangenen Jahr 37 Prozent der Befragten sofort einen Termin, wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) als Auftraggeberin der Umfrage mitteilte. Vier Prozent mussten länger als drei Wochen auf einen Hausarzttermin warten. Bei Fachärzten gaben 32 Prozent der Befragten Wartezeiten von mehr als drei Wochen an, sofort einen Termin beim Facharzt bekamen 19 Prozent. RAVENSBURG - In kürzester Zeit gelingt es Rechtsextremen in Chemnitz, erst Hunderte und am Montag dann sogar Tausende Menschen zu mobilisieren. Unter dem Motto „zeigen wer in der Stadt das Sagen hat“, riefen rechte Hooligans nach einem tödlichen Messerangriff auf einen Deutsch-Kubaner zu Kundgebungen auf. Am Ende mündeten sie in Jagdszenen auf Migranten und in gewaltsamen Zusammenstößen mit Polizei und Gegendemonstranten. Die Vorfälle zeigen: Die rechtsextreme Szene rund um Chemnitz ist hervorragend vernetzt – und sie zieht auch vorgeblich bürgerliche Rechtspopulisten an.
Der Aufruf zur Demonstration am Sonntag kam von der HooliganGruppierung Kaotic Chemnitz. In einem inzwischen gelöschten Facebook-Beitrag hatte sie mit den Worten „Unsere Stadt -– unsere Regeln“zu einem spontanen Treffen aufgefordert. „Kaotic Chemnitz hat sich aus dem rechten Teil der Fanszene heraus gegründet. Es gab Überschneidungen zur extrem rechten Gruppierung NS-Chemnitz“, sagt Fan-Experte Robert Claus von der Kompetenzgruppe Fankulturen in Hannover. Bei den Fußball-Hooligans selbst handele es sich nur um einige wenige Personen. Umso wichtiger sei das Netzwerk, aus dem sie hervorgingen und mit dem sie sich noch heute umgäben. „In Chemnitz gab es in den 1990er-Jahren eine etablierte rechte Subkultur mit Hooligangruppen und sehr agilen Sektionen aus dem Rechtsrock-Netzwerk Blood and Honour bis zu dessen Verbot 2000. Auch danach existierten die Netzwerke weiter“, so Claus. Die alten Kader seien durch Verbote von Neonazi-Organisationen nicht einfach verschwunden, vielmehr hätten sie auf den richtigen Augenblick gewartet, um dann schnell zuzuschlagen: „Die Szene ist offensichtlich fähig, per Chat Tausende Leute zu mobilisieren.“ Nazis neben Bürgern Und so zeigten bei den Kundgebungen in Chemnitz alte Szenegrößen wie der frühere NPD-Politiker Tommy Frenck oder Tony Gentsch und Michel Fischer von der rechtsextremen Partei Der Dritte Weg Flagge. Sie riefen Parolen, die Erinnerungen an Nazi-Aufmärsche in den 1990erJahren wach werden lassen.
Dass Neonazis hier zusammen mit jungem Nachwuchs aus der Szene und augenscheinlich ganz normalen Bürgern beinahe unbehelligt marschieren und Migranten angreifen konnten, führt Robert Claus auf vergangene Versäumnisse zurück: „Die sächsischen Landesregierungen haben über Jahre und Jahrzehnte die Probleme bagatellisiert. Dazu kommt die Unfähigkeit der Behörden, die sich auch jetzt wieder am mangelnden Polizeipersonal gezeigt hat.“Trotz markiger Ankündigungen und der Erfahrungen vom Vortag war die sächsische Polizei auch am Montag mit den Aufmärschen überfor- dert. Ein Polizeisprecher musste einräumen, dass man die Teilnehmerzahlen unterschätzt hatte. Levi Salomon hat das am eigenen Leib erfahren. Der Gründer des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus war am Montag aus Berlin angereist, um die Auf- märsche zu dokumentieren. „Das war die schlimmste Kundgebung, die ich je erlebt habe“, erzählt er. Demonstranten auf Seiten der Hooligans hätten ihn beschimpft, bedroht und körperlich angegangen. „Die Polizisten wurden von den Massen einfach überrollt. Die Beamten die da waren, haben sich sehr professio- nell verhalten, ihnen gilt mein Dank. Aber es waren viel zu wenige.“
Auf Facebook hat er seine Aufnahmen live übertragen. Darauf und auf den Bildern der Demos sind sie zu sehen: Die Hooligans, die Neonazis, der Dritte Weg, die Jungen Nationalsozialisten, aber auch die Initiative Frauenmarsch der AfD. Seite an Seite
„Das war die schlimmste Kundgebung, die ich je erlebt habe.“
Levi Salomon vom Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus stehen hier Vertreter des gesamten rechten Spektrums und vermeintlich gewöhnliche Bürger. Offensichtlich ohne Berührungsängste. „Die Leute in den hinteren Reihen sahen für mich aus wie ganz normale Leute“, sagt Levi Salomon. „Das hat mich am meisten beängstigt: Die Gleichgültigkeit darüber, mit Nazis auf die Straße zu gehen.“ Südwest-AfD vor Ort Andere sind nicht nur gleichgültig, sondern merklich zufrieden mit dem Schulterschluss. Der Kehler AfDLandtagsabgeordnete Stefan Räpple bekundete diesen Stolz am Dienstag beim Kurznachrichtendienst Twitter. „Falls ich später mal gefragt werden sollte, wo ich am 27. August 2018 war, als die Stimmung in Deutschland kippte: Ja, ich war in Chemnitz dabei!“Auf dem beigefügten Foto steht Räpple lächelnd vor der Büste von Karl Marx – dort, wo am nächsten Tag die zweite Kundgebung starten sollte. Sein Fraktionskollege Hans Peter Stauch, Abgeordneter aus Hechingen-Münsingen, kopierte den Tweet. Beide Beiträge kommen ohne Kondolenz an die Angehörigen des getöteten Deutsch-Kubaners aus.