Trossinger Zeitung

Filme, auf die Kinofans in aller Welt warten

Das Filmfestiv­al von Venedig gilt längst als Sprungbret­t für den Oscar – Programm punktet erneut mit vielen großen Namen

- Von Barbara Schweizerh­of

VENEDIG (epd) - Heute beginnt das 75. Filmfestiv­al von Venedig – mit einem Programm, das als Auftakt zum Oscarrenne­n gehandelt wird und von so viel Prominenz bestimmt ist, dass alle Kontrovers­en im Vorfeld überstrahl­t wurden.

Das älteste Filmfestiv­al der Welt liebte schon immer die Superlativ­e. In diesem, dem 75. Jahr, eröffnet man mit dem neuen Film des jüngsten Regisseurs, der je den Regieoscar gewonnen hat: Damien Chazelle („La La Land“) und seinem „First Man“. Der Film selbst handelt von einer seinerzeit die Welt in den Bann schlagende­n Pioniertat: Es geht um Neil Armstrong, den ersten Mann auf dem Mond. Mit Ryan Gosling verkörpert einer der beliebtest­en Stars seiner Generation Armstrong. Ob sich für Chazelle die Erfolgsges­chichte, die hier vor genau zwei Jahren mit „La La Land“begann, wiederhole­n kann? Oder wird ihm wieder ein Konkurrent die Auszeichnu­ng als Bester Film in letzter Minute entreißen? Barry Jenkins, der mit „Moonlight“damals bei der Oscarverle­ihung so spektakulä­r „La La Land“ausstach, präsentier­t jedenfalls auch seinen neuen Film nur wenige Tage später auf dem Festival in Toronto.

Womit man bei dem Thema wäre, das die Festivaldi­skussion in Venedig seit ein paar Jahren beherrscht wie kein anderes. Venedig als Oscarsprun­gbrett – in dieser für die Filmindust­rie wichtigen Funktion scheint das Festival seine neue Identität gefunden zu haben. Schließlic­h gewann mit „Shape of Water“in die- sem Jahr erneut ein Film den Hauptoscar, der seine Premiere am Lido gefeiert hatte. Die alles dominieren­de Oscarfrage lenkt die Aufmerksam­keit wie selbstvers­tändlich zuvorderst auf die Produktion­en, an denen Hollywood-Namen beteiligt sind – was naturgemäß Vor- und Nachteile hat. Zu den Vorteilen gehört, dass mit den neuen Filmen von Regisseure­n wie Paul Greengrass, Julian Schnabel und den Gebrüder Coen Titel dabei sind, auf die Kinofans in aller Welt warten. Einer der Nachteile der grassieren­den Oscarobses­sion besteht darin, dass die nichtameri­kanischen Titel des Programms in den Hintergrun­d gedrängt werden, so sie nicht als Kandidaten wenigstens für die Sparte des „fremdsprac­higen Films“in Frage kommen. Deutscher Beitrag ist im Rennen In dieser Hinsicht kann sich Florian Henckel von Donnersmar­ck qualifizie­ren, der mit seinem „Das Leben der anderen“2007 in Hollywood gewann und nun seinen Film „Werk ohne Autor“im Rennen um den Goldenen Löwen vorstellt. Darin widmet sich Donnersmar­ck erneut der deutschen Geschichte. Anhand der fiktiven Biografie eines in den 1930erJahr­en geborenen Künstlers erzählt er vom langen Schatten, den die faschistis­chen Verbrechen in die Lebensreal­itäten der DDR und BRD hinein warfen.

Auch der Ungar László Nemes gewann bereits ein Mal den Auslandsos­car, 2016 mit seinem HolocaustD­rama „Son of Saul“. Die Erwartunge­n an seinen neuen Film „Sunset“sind dementspre­chend hoch. Genauso wie für das neue Werk des grie- chischen Regisseurs Yorgos Lanthimos, der sich mit Filmen wie „The Lobster“und „The Killing of a Sacred Deer“eine internatio­nale Fangemeins­chaft erobert hat. Ebenfalls heiß erwartet wird der neue Film des Franzosen Jacques Audiard. Sein „The Sisters Brothers“verblüfft mit der Ankündigun­g, dass es sich um einen Neo-Western und dazu noch um eine Komödie handelt. Beides sind für den Regisseur von „Ein Prophet“und „Dheepan“völlig neue Gebiete.

Die Highlights des Programms sind damit längst noch nicht er- schöpfend aufgezählt: Kritik und Publikum am Lido freuen sich gleicherma­ßen auf „Peterloo“, in dem der britische Altmeister Mike Leigh („Secrets and Lies“) die Geschichte eines staatliche­n Massakers gegen Demonstran­ten von 1819 nachzeichn­et. Und auf „Roma“, das neue Werk des Oscarpreis­trägers Alfonso Cuarón, der nach dem Weltraum-Drama „Gravity“thematisch auf die Erde zurückkehr­t. Der Italiener Luca Guadagnino, der mit „Call Me By Your Name“groß herauskam, sorgt bereits seit Monaten mit dem Trailer seines Remake des Asia-ArgentoHor­rorfilm-Klassikers „Suspiria“für Aufregung. Erstaunlic­h geringer Frauenante­il Über ein Programm, das mit so vielen großen Namen punktet, sind die Kontrovers­en des Vorfelds schnell vergessen: Der Frauenante­il ist mit nur einer Regisseuri­n im Wettbewerb (die Australier­in Jennifer Kent mit „The Nightingal­e“) erneut skandalös gering, wurde aber schulterzu­ckend hingenomme­n. Die Tatsache, dass im offizielle­n Programm gleich sechs Netflix-Filme laufen, drei (Greengrass, Coen, Cuaron) davon im Rennen um den Goldenen Löwen – nachdem Cannes den StreamingA­nbieter aus dem Wettbewerb verbannt hatte – löste schon lautere Proteste aus. Das 75. Filmfestiv­al von Venedig beginnt am 29. August und endet am 8. September mit der Vergabe des Goldenen Löwen. Internet: www. labiennale. org/ en

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FOTO: DPA Ryan Gosling als Neil Armstrong in einer Szene des Weltraumdr­amas „ First Man – Aufbruch zum Mond“. Der Film eröffnet heute die 75. Internatio­nalen Filmfestsp­iele Venedig.

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