Kauder droht ein Aufstand
Ralph Brinkhaus kandidiert gegen den Fraktionschef von CDU und CSU – Würde er gewählt, wäre das auch eine Kampfansage an Merkel
BERLIN - Steht in der Union ein offener Putsch an? Der Fraktionsvorsitzende Volker Kauder muss um sein Amt fürchten. Am 25. September steht eigentlich die Wiederwahl des langjährigen Chefs der Abgeordneten von CDU und CSU an. Zuletzt schien Kauders Erfolg sicher. Jetzt droht ihm ein Aufstand.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Finanzexperte der CDU, Ralph Brinkhaus, will Kauder angeblich ablösen und bei der Wahl als Gegenkandidat antreten. Der 50jährige Brinkhaus soll Kanzlerin Angela Merkel über seine Ambitionen informiert und sie gebeten haben, ihn für den Vorsitz vorzuschlagen. Das wurde der „Schwäbischen Zeitung“gestern aus Fraktionskreisen bestätigt. Der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Gütersloh habe auch Kauder seine Pläne mitgeteilt, und soll ihm auch in einem weiteren persönlichen Gespräch am vergangenen Montag erklärt haben, dass er für das Amt des Fraktionschefs zur Verfügung stehe, hieß es gestern in Unionskreisen.
Kauder steht seit 13 Jahren an der Spitze der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, war zuvor CDU-Generalsekretär unter Parteichefin Merkel und gilt als einer ihrer engsten Vertrauten. Er ist mittlerweile der dienstälteste Vorsitzende in der Geschichte der Unionsfraktion.
Tritt Brinkhaus gegen ihn an und würde womöglich gewählt werden, wäre dies eine offene Kampfansage und ein Misstrauensvotum auch gegen Merkel.
Wird es einen Gegenkandidaten und eine offene Machtprobe geben? „Das mag sein. Aber ich kandidiere am 25. September in jedem Fall“, kündigte Kauder an. Kauder hatte sich zuletzt zuversichtlich und gelassen gezeigt, was seine Wiederwahl angeht.
Der Chef der Unions-Bundestagsfraktion, der am Montag seinen 69. Geburtstag feiert, hatte bereits bei seiner Wahl vor einem Jahr einen Dämpfer erhalten und war nur noch mit 77,3 Prozent der Stimmen gewählt worden. Zuvor hatte er stets Ergebnisse über 90 Prozent erhalten. Brinkhaus war dagegen vor einem Jahr mit 91,7 Prozent eindrucksvoll zum Fraktionsvizechef gewählt worden. Kauder steht seit geraumer Zeit in der Kritik.
Viele Unionsabgeordnete fordern ein eigenständigeres Profil und auch mehr Selbstbewusstsein gegenüber der Regierung und der eigenen Kanzlerin. Gerade in der Euro-Krise hatte es Unmut über Kauders Umgang mit den Kritikern des MerkelKurses gegeben. Offenbar trauen viele Abgeordnete Kauder nicht mehr zu, der Fraktion neue Impulse zu geben.
In den Reihen der Unionsabgeordneten zeigte man sich überrascht von Brinkhaus’ Plänen. So soll sich der CDU-Abgeordnete zuletzt nicht in der CDU-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen dazu erklärt haben. Spätestens Ende der kommenden Woche, wenn sich der Vorstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Berlin zu einer Klausurtagung trifft, müsste Brinkhaus Klarheit schaffen. Zuletzt waren auch andere Kandidaten im Rennen um den Fraktionsvorsitz gehandelt worden, etwa der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung Carsten Linnemann, der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière und der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses Norbert Röttgen.